Migrationsbeauftragter der CSU aus Ottobrunn:Eine bayerische Zuwanderung

Lesezeit: 4 min

"Wir können von anderen Kulturen viel lernen", findet Michael Chahine. "Auch etwas Gelassenheit." (Foto: Veronica Laber)

Michael Chahine hat palästinensische Wurzeln. Jetzt ist der Ottobrunner Bezirksvorsitzender des neuen CSU-Arbeitskreises für Migration und Integration. Als solcher spricht er sich für ein stärkeres Miteinander der Kulturen aus, aber auch für eine Änderung des Verteilerschlüssels.

Von Laura Zwerger, Ottobrunn

Die Dönerbude am Bahnhof oder das marokkanische Restaurant in der Stadt. Schon längst haben sich kulturelle Einflüsse anderer Länder in das heimische Bild eingepasst. "Vor 15 Jahren, da war sogar der Italiener noch exklusiv", erzählt Michael Chahine aus Ottobrunn schmunzelnd. Er ist Jurist und seit Januar Bezirksvorsitzender des neu gegründeten Arbeitskreises für Migration und Integration der CSU Oberbayern.

Anderen Kulturen gegenüber ist er sehr offen, er selbst hat väterlicherseits palästinensische Wurzeln. Zu Palästina hat er jedoch persönlich kaum Bezug, sein eigenes Leben bezeichnet er viel mehr als eine "innerbayerische Zuwanderungsgeschichte": geboren in Regensburg, aufgewachsen in der Oberpfalz und mittlerweile seit mehr als drei Jahrzehnten wohnhaft im Münchner Umland.

Der 40-Jährige spricht sechs Sprachen - ein Hobby, wie er sagt

Hier hat der 40-Jährige vor der Leitung des Arbeitskreises bereits kulturelle Treffen wie einen englischen Stammtisch organisiert, bei denen sich Gleichsprachige untereinander austauschen konnten. Selbst spricht er sechs Sprachen, darunter auch Russisch und Schwedisch - ein Hobby, wie er sagt. Denn in etwas Neuem liegt für ihn immer ein gewisser Zauber - und auch ein Potenzial. "Deutschland hat sich durch den Einfluss anderer Kulturen positiv verändert", findet Chahine. "Fremde Kulturen bringen mehr, als dass sie einen vor ein Problem stellen." Aber das Einflechten in die Gesellschaft, die Integration also, sei dabei ausschlaggebend.

Als ein gelungenes Beispiel für dauerhafte Integration sieht Chahine die Gastarbeitergeneration der Fünfzigerjahre. Er kennt keinen Arbeiter, dessen Visum nicht verlängert oder der wieder abgeschoben wurde. Wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Schutz suchen, ist das Thema wieder omnipräsent. Und genau hier möchte Chahine mit dem CSU-Arbeitskreis Migration und Integration ansetzen, 2014 ist er dafür der Partei beigetreten.

Zuzug bringe immer Konflikte, sagt Chahine, vor allem auf dem Land

Seit der Gründung des Arbeitskreises Mitte Januar planen und feilen nun 94 ehrenamtliche Mitarbeiter im Bezirk Oberbayern an einem Konzept, wie man Bürger und Flüchtlinge besser informieren und Verwaltungsabläufe transparenter gestalten kann. "Ängste in der Bevölkerung können verhindert werden, wenn die Leute erfahren, wer kommt", erklärt Chahine. "Es beruhigt viele, wenn sie wissen, dass nicht nur unverheiratete junge Männer in die Gemeinde kommen, sondern auch Familien mit kleinen Kindern." Vielerorts verlaufe das Zusammenleben zwischen den Bürgern und Asylbewerbern größtenteils positiv. Nicht aber in allen Kommunen im Landkreis sei dies der Fall. "Dabei bin ich fest überzeugt, dass es sich nicht um rechtsextreme Tendenzen oder Ressentiments handelt, sondern ein Zuzug einfach immer Konflikte mit sich bringt - vor allem auf dem Land", sagt Chahine.

Daher fordert er aus politischer Sicht, dass der Verteilerschlüssel von Flüchtlingen auf die Gemeinden geändert wird. "Die Dichte der Bebauung und nicht die Einwohnerzahl sollte entscheidend sein, denn wenig Platz birgt ein gewisses Konfliktpotenzial", sagt Chahine. "Daher muss der Verteilungsschlüssel flexibler werden, damit nicht noch mehr Leute auf noch weniger Platz kommen." Seine Heimatgemeinde Ottobrunn ist eben solch eine dicht besiedelte Gemeinde. Hier kämen aber alle gut miteinander aus, da ein wohlgesonnener Austausch zwischen Anwohnern und zugezogenen Flüchtlingen stattfinde.

Der Jurist pocht auf das Einhalten gesellschaftlicher und gesetzlicher Regeln

Damit das Leben Tür an Tür harmonisch verläuft, bieten lokale Initiativen in den Kommunen bereits häufig Hilfestellung. Sie kümmern sich unter anderem um Berührungsmöglichkeiten mit der Bevölkerung und helfen den Flüchtlingen, sich in die Gemeinschaft einzuleben. Mittlerweile gibt es so viele Initiativen im Landkreis, dass Chahine und sein Team sich erst einmal einen Überblick verschaffen müssen, welche wo ansetzt. Die Vielzahl an Helfern sieht Chahine aber als eine begrüßenswerte Entwicklung: "Es gibt mittlerweile sogar von den Flüchtlingen selbst Initiativen, so wie eine eigene Zeitung, in der die deutschen Regeln erklärt sind."

Vor allem das Einhalten der gesellschaftlichen und gesetzlichen Regeln hält der Jurist für eine unabdingbare Basis von erfolgreicher Migration und Integration. Dabei bekomme er durchwegs positive Rückmeldungen über das Verhalten von Flüchtlingen in den Kommunen. "Die Polizei sagt immer wieder, dass wenn etwas mit Flüchtlingen vorfällt, dann ist das fast immer innerhalb der Unterkunft. Und wenn doch einmal was außerhalb passiert, ist es nichts Großes."

Gibt es in einer Unterkunft Probleme, dann möchte der Arbeitskreis in Zukunft direkt am Ort vermitteln, sagt Chahine. Die ehrenamtlichen Betreuer könnten bei der Lösungsfindung mitwirken und vor allem die Erfahrungen anderer Gemeinden mit ähnlichen Problemen weitergeben. So könnte der Arbeitskreis dann als eine Informationsplattform im gesamten oberbayerischen Raum fungieren.

Handwerker gehen in Unterkünfte und suchen nach Mitarbeitern

Verstärkt vermittelt werden soll aber in Zukunft auch innerhalb der Gemeinde. Besonders berufliche Beziehungen mit lokalen Arbeitgebern möchte Michael Chahine aufbauen und pflegen, damit sich Flüchtlinge rasch in den Arbeitsmarkt integrieren können. "Gerade in Handwerksberufen können Flüchtlinge trotz Sprachbarriere schnell Fuß fassen und aufsteigen", erklärt er. Von Unternehmerseite habe er bereits ein großes Interesse an der Ausbildung von Flüchtlingen erlebt. "Ich war überrascht, wie viel da schon kommunal passiert. Handwerker gehen teils selbständig in die Unterkünfte und schauen nach passenden Personen." Besonders die kleinen und die mittelständischen Betriebe bräuchten Angestellte, hier möchte Chahine primär ansetzen.

Durch neue Arbeitsverhältnisse und mehr Transparenz in der Frage, welche Flüchtlinge in die einzelnen Kommunen ziehen, soll der Arbeitskreis Migration und Integration dann auf ein harmonisches Zusammenleben zwischen den Bürgern und Flüchtlingen hinwirken. Die Anforderungen an die Menschen in Bayern hält Chahine dabei keinesfalls für utopisch. "Wenn man bedenkt, in welcher Wohlstandsgesellschaft wir leben, dann relativiert sich alles wieder", sagt der CSU-Politiker überzeugt. "Wir können von fremden Kulturen viel lernen und auch etwas Gelassenheit daraus ziehen."

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: