Kulturzentrum:Der Gasteig zieht um - was Sie darüber wissen müssen

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Bisher gibt es vom Gasteig-Ausweichquartier nur unverbindliche Entwürfe, wie es genau aussehen soll, steht noch nicht fest. (Foto: Clemens Bachmann Architekten)

Alle Einrichtungen des Kulturzentrums sollen während der Sanierung in Sendling Platz finden. Aber was kostet das eigentlich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Michael Zirnstein

Ein Flickenteppich aus Werkstätten, Ateliers, Büros, Schuppen und Parkplätzen ist für den Münchner Kulturbetrieb gerade das gelobte Land auf Zeit. Während der Gasteig von Anfang 2021 bis Ende 2025 entkernt, technisch auf Vordermann gebracht und in neuer Pracht aufgebaut wird, sollen an den Sendlinger Isarauen die Gasteig-Institute zusammenrücken - mit vielen der bisherigen Mieter. Einige Fragen bei diesem Nutzer-Puzzle sind bereits beantwortet, etliche noch zu lösen.

Wo werden die Münchner Philharmoniker während des Exils spielen?

In einem hölzernen Konzertsaal, der als Zwillingshalle direkt hinter der denkmalgeschützten Industriehalle (Halle E) errichtet wird. Der alte Backsteinbau soll als Foyer für alle Institute des Gasteigs dienen, ähnlich der Glashalle im Stammhaus. Die Holz-Philharmonie wird 1800 Zuschauern Platz bieten und auch vom BR-Symphonieorchester und den privaten Konzertveranstaltern genutzt werden.

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Dass das Kulturzentrum während seiner Sanierung vorübergehend nach Sendling ausweicht, wertet nicht nur den Stadtteil auf. Es bringt auch unterschiedliche Kulturwelten zusammen.

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Kommen auch Stadtbibliothek, Musikhochschule und Volkshochschule komplett in Sendling unter?

Alle Institute müssen sich einschränken, nur dann können alle bisherigen Nutzungen in der "Zwischen-Heimat Sendling" (CSU) untergebracht werden. Auf den Freiflächen werden für die Gasteig-Nutzer Container respektive "Modulbauten" aufgestellt. Wie dicht diese stehen dürfen und wie hoch sie werden (bis zu sechs Stockwerke sind geplant), hängt auch vom ausstehenden Vorbescheid der Lokalbaukommission ab. Die Gesamt-Nutzerfläche halbiert sich auf 30 500 Quadratmeter. Die Gasteig-Kursräume der VHS können komplett in Sendling untergebracht werden, zudem sollen innerhalb des Mittleren Rings 750 Quadratmeter etwa für stark besuchte Abendveranstaltungen angemietet werden. Die Stadtbibliothek hat den größten Platzbedarf im neuen Quartier "HP8", hier sollen Kinder-, Musik-, Roman-, Philatelistik-Bibliothek und der Vortragssaal unterkommen. Für die Zentralbibliothek sollen zusätzlich 4000 Quadratmeter innerhalb des Altstadtrings gemietet werden, verhandelt wird mit dem Vermieter des Ladenzentrums Motorama. Auch die Unterrichtsräume der Musikhochschule, eine kleinere Spielstätte (ersetzt Black Box und Kleinen Konzertsaal), Büros und ein Ticket-Schalter kommen in Sendling unter. Für den Carl-Orff-Saal gibt es auf dem Stadtwerkegelände keinen Platz. Dafür sollen "in der vorhandenen städtischen Saallandschaft Räumlichkeiten angemietet werden".

Wann geht es mit dem Umzug los?

Ende Januar, Anfang Februar sollen die Flächen konkret verteilt werden, von März an werden Konzertsaal, Modulbauten und Umbau der Halle E geplant - mit dem zwischen April und Juni erwarteten Vorbescheid des Planungsreferats könnten Anpassungen nötig werden. Baubeginn soll im April 2019 sein. Im Herbst 2020 könnte der Umzug beginnen. Nach dem Probebetrieb sollen die Philharmoniker von Dezember 2020 an dort spielen - darauf hat Chefdirigent Valery Gergiev gedrängt.

Und wie geht es derweil mit dem Gasteig-Stammhaus weiter?

Derzeit läuft der Architekten-Wettbewerb für die Sanierung. Die neun gesetzten Teilnehmer und 18 weitere Bewerber müssen ihre Pläne bis 1. März einreichen, das Preisgericht tagt am 17. und 18. Mai. Nach der Planung soll im Januar 2021 die Sanierung beginnen. Der Wiederbezug soll im Herbst 2024 starten, der Betrieb Mitte 2025.

Was kostet der Umzug?

Die Gesamtkosten für Abriss, Auf- und Umbau sowie Miete werden auf 90,4 Millionen Euro taxiert. Das sei für einen Interimsstandort "kein Pappenstiel", sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl und verweist auf den 130 Millionen Euro teuren Volkstheater-Neubau. Die Interims-Philharmonie verschlingt ein Drittel der Kosten. Modulbauten und Holzsaal könnten nach dem Auszug weiterverkauft werden, was die Gesamtkosten voraussichtlich um zehn Millionen Euro reduziert. Die Miete für das Areal in Höhe von 30 Millionen Euro fließt an die Stadtwerke München, eine hundertprozentige städtische Tochter. Der Vertrag kann - sollte sich die Gasteig-Sanierung verzögern - verlängert werden.

Wird das auf dem Gelände ansässige Architekturbüro Clemens Bachmann die Planung übernehmen?

Das Büro CBA hatte auf Eigeninitiative einen Plan vorgestellt, der es ermöglicht, dass Gasteig und viele derzeitige Mieter auf dem Gelände unterkommen. Daraufhin wurde Bachmann vom Gasteig beauftragt, die laufende Machbarkeitsstudie dahingehend auszuarbeiten - die Grundlage für den momentanen Beschluss. Für die endgültige Planung von Philharmonie und Modulbauten wird es allerdings zwei Ausschreibungen geben. CBA wollen sich gemeinsam mit einem anderen Münchner Büro bewerben. "Wir kennen das Gelände ganz gut", sagt Bachmann.

Wie viele der momentanen Mieter können auf dem Gelände bleiben?

"Die kleinen Kreativen sind uns genauso wichtig wie die Philis, die Stadtbibliothek und die Volkshochschule", sagt Kulturreferent Hans-Georg Küppers. Auch Gasteig-Chef Max Wagner will wie alle Parteien, dass möglichst alle derzeitigen 82 Mieter bleiben können. Derzeit stehe nur fest, dass eine Gärtnerei und das Projekt Mobilspiel gehen müssen. Laut Beschluss werde man 90 Prozent unterbringen, für alle anderen werde man gemeinsam mit dem Wirtschaftsreferat und dem Kompetenzteam Kreativwirtschaft nach Lösungen suchen. "Das sind bloß Lippenbekenntnisse", sagt etwa der Fotograf Michael Schinharl. Ihn werde es als Mieter von Halle E als einen der Ersten treffen, die Mieter selbst gingen von 40 Prozent Verlusten aus. "Es gibt doch nirgends Flächen."

Wie geht es mit dem HP8 nach dem Auszug des Gasteig weiter?

Aus einer Vision von Valery Gergiev, die Holzphilharmonie weiter für musikpädagogische Projekte zu nutzen, wird wohl nichts. SPD und CSU drängen darauf, dass bald nach dem Auszug Werkswohnungen und bezahlbarer Wohnraum auf dem Stadtwerkeareal gebaut werden. Erdgeschossräume und Halle E könnten weiter für die Kultur genutzt werden. Die Grünen hingegen sprechen sich für einen Wettbewerb aus, in dem nach Vorbild des Kreativquartiers an der Dachauer Straße ein Areal für Kultur, Gewerbe und Wohnen entsteht.

Wird der Gasteig ein Verkehrschaos in Sendling auslösen?

Generell sei die Verkehrslage des HP8 gut, sagt Bürgermeister Josef Schmid. Die U-Bahn Brudermühlstraße ist 400 Meter entfernt, von dort gibt es eine Bus-Verbindung zum Gelände. Max Wagner hat mit den Stadtwerken gesprochen, die hätten ihm einen schnelleren U-Bahn- und Bus-Takt versprochen. Für Autofahrer werden momentan 100 Parkplätze auf dem Gelände eingerichtet und 200 bei der Blumengroßmarkthalle (mit Shuttleservice). Eventuell kommen noch nähere Parkplätze bei der Großmarkthalle und dem Heizkraftwerk hinzu. Generell wird freilich befürchtet, dass Konzertbesucher mit Kfz auf die nahen Anwohnerparkplätze ausweichen.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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