Islamhasser Michael Stürzenberger:Agitator für Bagida

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Einer der aktivsten Islamfeinde bundesweit: Michael Stürzenberger bei einer Bagida-Kundgebung in München. (Foto: imago/Eibner)
  • Michael Stürzenberger ist einer der aktivsten Islamfeinde bundesweit. Doch zuletzt war es still um ihn geworden. Nun ist er das Gesicht des Münchner Ablegers von Pegida.
  • Sein Umgang mit Rechtsextremisten und deren Ideologie ist widersprüchlich. Der Nationalsozialismus ist in seinen Reden Maßstab für das Böse. Doch einen Stadtrat, der öffentlich den Hitlergruß zeigte, lobt er als "letzten aufrechten Mohikaner".
  • Der gelernte Fernsehjournalist war vor gut zehn Jahren kurzzeitig Sprecher der damaligen Münchner CSU-Chefin Monika Hohlmeier. Er trat aber bald wieder aus der Partei aus, als der Kampf gegen den Islam immer mehr sein Leben beherrschte.

Von Bernd Kastner

Welche Rolle Stürzenberger bei Bagida spielt

Keine Minute dauert es, dann hat er sich in Rage geredet. Schnell wird die Rage zum Rausch. Michael Stürzenberger berauscht sich und berauscht die Menge. Er tut, was er seit Jahren tut, er spricht über den Islam und den Terror, jetzt aber hört ihm nicht nur seine Clique der Islamhasser zu, jetzt kommen Hunderte. Pegida ist in München angekommen.

1500 selbsternannte "Patrioten" waren es am Montag vergangener Woche, 1100 diese Woche. "Hallo München!", ruft Stürzenberger am Montagabend am Sendlinger Tor. Die Menge brüllt, es wächst zusammen, was zusammenpasst. "Der Islam ist eine Kultur des Todes", steht auf der Tafel eines "Patrioten".

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Der 50-Jährige ist, auch wenn er das anders darstellt, das Gesicht von Bagida ("Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes"), dem Münchner Ableger der Dresdner Pegida-Zentrale. Er ist Mentor im Hintergrund und Agitator am Mikro. Sein Feind ist der Islam. Unter seine Freunde mischen sich jetzt viele Neonazis.

Er war kurzzeitig Sprecher bei der CSU

Stürzenberger, gelernter Fernsehjournalist, war vor gut zehn Jahren kurzzeitig Pressesprecher der damaligen Münchner CSU-Chefin Monika Hohlmeier. Die CSU hat er als Mitglied bald wieder verlassen, als der Kampf gegen den Islam immer mehr sein Leben beherrschte.

Entscheidender Auslöser für seine eigene Radikalisierung sei, nach seiner eigenen Darstellung, der Tod seines Freundes gewesen, des Medienunternehmers Ralph Burkei, beim islamistischen Terroranschlag 2008 in Mumbai.

Über die Jahre entwickelte sich Stürzenberger zu einem der aktivsten Islamfeinde bundesweit, übernahm bald den Landes- und Bundesvorsitz der Kleinstpartei "Die Freiheit".

Zuletzt war es ruhig um ihn. Bis Pegida kam

Bei der Wahl zum Stadtrat in München scheiterte er 2014 allerdings knapp, und das trotz Hunderter Kundgebungen gegen die Moschee-Pläne von Imam Benjamin Idriz. Zehntausende Unterschriften hat Stürzenberger gesammelt, doch der Stadtrat hat einen Bürgerentscheid abgelehnt.

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Von Bernd Kastner

Jetzt kämpft er vor Gericht, wie er überhaupt viele Richter beschäftigt, mal als Kläger, mal als Beklagter, und mitunter nutzte er als Angeklagter den Gerichtssaal als Raum für Agitation, geschützt vor den Pfiffen der Gegner. Draußen dagegen war er zuletzt vergleichsweise ruhig geworden. Bis Pegida kam.

Nein, er gehöre nicht dem Bagida-Orgateam an, beteuert Stürzenberger stets. Die Bewegung lege Wert darauf, dass keine Parteivertreter das Sagen hätten; für ihn als Funktionär von "Die Freiheit" ist das ein Dilemma. Es ist Birgit Weißmann, die die Märsche für das angeblich bedrohte Abendland anmeldet, sie ist die offizielle Frontfrau von Bagida.

Allein, die Rentnerin, Ende 60 und seit Langem schon in Stürzenbergers Schatten aktiv, ist eine Rednerin, die das Reden noch üben muss: "Jetzt wollte ich noch sagen. . ." So beginnt sie gerne ihre Ansprachen, die dann so weitergehen: "Also, ich wollte noch sagen, dass es wichtig ist, dass das Volk die Stimme erhebt." Einen anderen Redner kündigt sie so an: "Jetzt als nächstens haben wir einen Fritz." Fritz sei "ein Bürger aus der Mitte, der uns was sagen möchte". Dann liest der Fritz seine Rede vor und dann sagt Weißmann: "So, das war einfach ein Bürger aus der Mitte."

Der "Helfer" sucht die große Bühne

Das sind Sätze, die nicht mal das Herz eines fanatischen Patrioten erwärmen. Aber es gibt ja Stürzenberger. "Ich helfe da im Hintergrund mit, das ist ja klar", hat er neulich eingeräumt. Dieser "Helfer" aber sucht die große Bühne, am Montagabend erst am Sendlinger Tor, dann am Stachus, er wählt die großen Worte: Dass neulich die Protestanten die Turmbeleuchtung der Matthäuskirche abgestellt haben, als Bagida aufmarschierte, kommentiert Stürzenberger so: "Schimpf und Schande über diese Volksverräter!"

Stürzenberger ruft die Pegida-Parolen ab: "Wir sind das Volk!" Die Menge: "Wir sind das Volk." Er: "Lügenpresse!" Die Menge: "Lügenpresse, Lügenpresse, Lügenpresse, Lügenpresse." Die "Lügenpresse" ist in Gestalt unzähliger Reporter und Kamerateams anwesend, um dem "Volk" zuzuhören. Stürzenberger macht nicht den Eindruck, als wäre ihm das Scheinwerferlicht unangenehm.

Das ist einer der Widersprüche des Michael Stürzenberger. Der andere, wesentlich bedeutendere, ist sein Umgang mit Rechtsextremen. Auch beim zweiten Bagida-Treff sind Dutzende Neonazis dabei, das Who is Who der ganz rechten Szene. Und Stürzenberger? Er mag die Fragen nach den Nazis gar nicht. Als diverse rechtsextreme Gruppen zur ersten Bagida-Demo mobilisierten, erklärte er, davon nichts zu wissen.

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Als die Polizei dann 200 Rechtsextreme zählte, beteuerte er, keine gesehen zu haben. Diesen Montag sprach er von "sieben, acht" Nazis, deren Bedeutung von der "Lügenpresse" aufgebauscht worden sei. Stürzenbergers Wahrheit geht so: "Wir sind ausländerfreundlich." Als er dies sagt, stehen wieder Dutzende polizeibekannte Nazis vor ihm in der Menge.

"Allen extremen Kräften erteilen wir eine Absage", sagt Stürzenberger ins Mikrofon, egal ob links oder rechts oder religiös. "Die haben bei uns nichts verloren und sind auch nicht willkommen." Was eindeutig klingt, wirkt sich bislang nicht auf die Bagida-Praxis aus: Die Nazis bleiben stehen, die Nazis marschieren mit zum Stachus, die Nazis brüllen Stürzenberger nach. Nazis fühlen sich wohl in Stürzenbergers "Volk".

Der Verfassungsschutz stuft ihn als Extremisten ein

"Hinter Bagida steht kein einziger Nazi", betont Stürzenberger tags darauf. "Die laufen mit, das ist aber auch alles. Ich kenne diese sogenannten Nazis gar nicht." Weiß er wirklich nicht, wer ihm hinterherläuft? Dass etwa ein Mitglied des bayerischen NPD-Vorstands das große Transparent des Islamhasser-Blogs "Politically Incorrect" trug, jenes Blogs, für den Stürzenberger so fleißig schreibt? Entspricht die Ahnungslosigkeit der Wahrheit, sie wäre ein Armutszeugnis für den Politiker Stürzenberger. Ist die Ahnungslosigkeit nur gespielt, es wäre ein Spiel mit dem Feuer, an dem sich "das Volk" schnell verbrennen kann.

Wenn Stürzenberger sagt, er wolle keine Extremisten bei Bagida, erklärt er sich, gemäß offizieller Lesart, selbst zur unerwünschten Person. Der bayerische Verfassungsschutz stuft ihn als Extremisten ein und hat gar eine eigene Kategorie für ihn und den engsten Kreis seiner Mitläufer aufgemacht: islamfeindliche Extremisten. Dagegen kämpft Stürzenberger vor Gericht, und betont zugleich immer wieder, dass er, ganz offiziell, ja kein Rechtsextremist sei.

Ein Rechtsextremer aber ist es, der im Stadtrat die Fahne der Islamhasser hochhält. Karl Richter von der Bürgerinitiative Ausländerstopp, der sich 2008 mit dem Hitlergruß im Stadtrat einführte, redet im Rathaus über den Islam, wie es Stürzenberger nicht abfälliger könnte. Stürzenberger dankt mit Lob: "Der letzte aufrechte Mohikaner im Saal" sei Richter. Grenzt man sich so nach ganz rechts ab?

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Mit einem Kleinbus zur "Hogesa"-Kundgebung

Und als neulich "Hogesa", die sehr rechten und gewaltbereiten "Hooligans gegen Salafisten", für eine Kundgebung in Hannover mobilisierten, reiste Stürzenberger in einem Kleinbus voller Gleichgesinnter an und sprach von der Bühne aus zu diesem Teil des Bürgertums - kurz nach den Hogesa-Gewaltausbrüchen in Köln.

Stürzenberger fährt Hogesa hinterher, ihm wiederum laufen Neonazis nach - und zugleich ist in seinen Reden der Nationalsozialismus Maßstab für das Böse. Er stellt den Islam auf eine Stufe mit dem Nationalsozialismus, beide hätte die "gleichen ideologischen Gesetzmäßigkeiten", Islam sei "Faschismus in religiösem Gewand". Daraus leitet er das Recht ab, den Islam zu bekämpfen. "Wollt ihr Faschismus in Deutschland?" ruft er am Stachus. "Nein!", ist die Antwort. "Islam bedeutet Unterwerfung. Wollt ihr unterworfen werden?" - "Nein!" Die neuen Nationalsozialisten brüllen mit.

Stürzenberger verkauft sich gerne als Widerstandskämpfer. Deshalb, sagt er, habe er die "Weiße Rose" wiederbegründet. Ist das provokant? Ist das peinlich? Dem Agitator ist das egal.

Stürzenberger am Stachus, berauscht von sich selbst: "Wir sind das Volk!" Die Bagida-Masse: "Wir sind das Volk!" Das Volk soll wiederkommen, Montag für Montag, "bis wir 30 000 sind", bis die Presse die Wahrheit schreibe. "Danke, München!"

© SZ vom 21.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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