Islamfeinde in München:Wie Bagida den Nazis auf die Sprünge hilft

  • Unter den 1500 Islamfeinden, die erstmals unter dem Namen Bagida in München demonstriert haben, waren mindestens 200 Neonazis.
  • Der bayerische Verfassungsschutz befürchtet, dass die rechte Szene durch Bagida eine neue Einigkeit gewinnt.
  • Die Bagida-Organisatoren reden die Präsenz der Rechten klein.

Von Andreas Glas, Sebastian Krass und Susi Wimmer

Die Demonstration des Münchner Pegida-Ablegers am Montagabend hat Polizei und Verfassungsschutz in Alarmbereitschaft versetzt: Denn unter den 1500 Islamfeinden, die unter dem Namen Bagida auftraten, waren nach Angaben der Ermittlungsbehörden mindestens 200 Neonazis.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) spricht gar davon, dass ein Drittel der Demonstrationsteilnehmer einen offenen Bezug zur Neonaziszene habe. Diese Angabe basiert allerdings noch auf einer groben Schätzung der Fachstelle gegen Rechtsextremismus im Rathaus.

Größter Nazi-Aufmarsch in München seit 1997

Unter den Demonstranten waren auch André E., einer der Angeklagten im NSU-Prozess, und Karl-Heinz Statzberger, ein verurteilter Rechtsterrorist. Es war der größte Aufmarsch von Rechtsextremen in München seit 1997, als 5000 Neonazis gegen die Wehrmachtsausstellung demonstrierten. Die Veranstalter der Bagida-Demonstration wollen von der enormen Präsenz Rechtsextremer nichts wissen. "Ich habe keine Gruppe von Nazis wahrgenommen", sagte die Organisatorin Birgit Weißmann.

Die Bagida-Bewegung könnte dazu führen, dass die rechte Szene in München und Bayern neu an Kraft gewinnt, fürchtet man beim bayerischen Verfassungsschutz. "Die Rechten alleine hätten es nie geschafft, so ein großes Personenpotential auf die Straße zu bringen", heißt es dort. Zuletzt sei die rechte Szene in München relativ "inaktiv" gewesen, sagt Klaus Feig vom Staatsschutz der Münchner Polizei.

Selbst ärgste Konkurrenten marschierten gemeinsam

Nach dem Verbot der Kameradschaft Freies Netz Süd im Frühjahr 2014, mit etlichen Durchsuchungen und Anzeigen gebe es nur noch Fragmente von Neonazi-Vereinigungen. Die hiesige Gruppe der Partei "Die Rechte" etwa zählt nicht einmal ein Dutzend Anhänger, hinzu kommen die Vereinigung "Der dritte Weg" und diverse Einzelaktivisten. "Eine richtige Kameradschaft aber gibt es derzeit in München nicht", sagt Feig.

Doch das könnte sich nun ändern, so ein Szenario der Ermittler. Am Montag marschierte Philipp Hasselbach von der "Rechten" ebenso bei Bagida mit wie sein Konkurrent Statzberger, der zusammen mit Pierre Fürbaß-Pauly beim "Dritten Weg" aktiv ist. Ebenso dabei waren die Bürgerinitiative Ausländerstopp des Stadtrats Richter sowie die NPD.

Gesinnungsgenossen aus dem ganzen Land reisten an

"Aus München", sagt Markus Schäfert vom Verfassungsschutz, "sind trotz der kurzen Anreise eher wenig Rechtsradikale zur Demo gekommen." Dafür gelang es offenbar, Gesinnungsgenossen aus ganz Bayern und sogar Neonazis aus Dortmund und Brandenburg zu mobilisieren. "Wir sind mit der genauen Auswertung noch beschäftigt", sagt Schäfert.

Mit den Bagida-Demos, so fürchtet auch Klaus Feig vom Staatsschutz, könnten nun die Rechtsradikalen zu einem "gemeinsamen Erlebnis" kommen, das ein "gewisser Kitt" sein könnte. Normalerweise kämen zu ihren Demos in München gerade einmal 20 Anhänger, die von Gegendemonstranten wie in einem Käfig umzingelt werden. "Jetzt bei der Demo am Montag konnten sie sich in der Masse wohlfühlen."

Gemeinsamkeit mit Bagida "schafft Nähe"

Tatsächlich machen Verfassungs- und Staatsschutz "Schnittmengen" zwischen der Bagida-Bewegung und den Neonazis aus. Islamfeinde wie Rechtsradikale verbinde die Angst vor vermeintlicher Überfremdung, der Hass auf die Presse sowie die Stigmatisierung. "Diese Gemeinsamkeit schafft Nähe", meint Schäfert. Jetzt seien die Rechten "anschlussfähig", für sie sei es "attraktiv, in deutlich größerer Formation aufzumarschieren".

Nächste Bagida-Demo soll am Odeonsplatz stattfinden

Für nächsten Montag hat Bagida die nächste Versammlung angemeldet, diesmal am Odeonsplatz. Die NPD ruft ihre Mitglieder offen auf teilzunehmen. Auch Philipp Hasselbach wirbt schon massiv für die Veranstaltung. "Wir werden das sehr sorgfältig beobachten", sagt Schäfert vom Verfassungsschutz. Es komme auch darauf an, wie sich die Verantwortlichen bei Bagida verhalten.

Die Bagida-Organisatorin Weißmann will vom Interesse der Nazis an ihrer Bewegung vorab nichts mitbekommen haben. An dieser Linie hält sie auch nach der Kundgebung fest. Einige wenige Demoteilnehmer habe sie ermahnt, nicht mehr ihren ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen.

"Jeder war friedlich", sagt die Organisatorin

"Aber insgesamt kann ich nur sagen: Jeder war friedlich. Keiner hat Flaschen geworfen. Für mich waren das alles Menschen." Fragt man Weißmann, wie es bei den nächsten Demonstrationen laufen soll, dann bleibt sie vage. Wenn sich eine Präsenz Rechtsextremer abzeichne, "dann werde ich agieren", sagt sie nur.

Ihr Mitstreiter Michael Stürzenberger, Bundesvorsitzender der Splitterpartei "Die Freiheit", der schon unzählige Demonstrationen in München organisiert hat und damit immer wieder auch Zuspruch von ganz rechts ausgelöst hat, sagt, er habe am Montagabend "keinen einzigen mir bekannten Rechtsradikalen gesehen, aber dafür ganz viele normale Bürger". Wenn Nazis dabei gewesen seien, "dann finde ich das nicht gut. Aber man kann niemandem verbieten mitzugehen und auch nur schwer checken, wer alles mitläuft". Was man tun könne, das sei, "genau zu prüfen, was für Plakate gezeigt werden, und das wurde gemacht".

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