Pegida-Ableger in München:Bagida als Szenetreff für Neonazis

Lesezeit: 3 min

  • Bei der ersten Demonstration des Münchner Pegida-Ablegers sind mehr als 100 Rechtsextreme mitmarschiert. Die Organisatoren von Bagida wollen nichts mitbekommen haben.
  • Unter den Rechten waren auch André E., angeklagt im NSU-Prozess, und der verurteilte Rechtsterrorist Karl-Heinz Statzberger, der am Abend kurzzeitig festgenommen wurde.
  • Für die kommenden zwei Montage sind erneut Bagida-Demonstrationen angemeldet. Auf die Frage, wie sie dann mit einer möglichen Präsenz von Rechten umgehen will, bleibt die Organisatorin vage.

Von Andreas Glas, Sebastian Krass und Susi Wimmer

Es ist Montagabend, kurz nach halb acht. In der Münchner Innenstadt klettert ein junger bärtiger Mann auf ein Trambahnhäuschen am Stachus. Er beginnt, mit einer türkischen Flagge zu wedeln. Direkt unter ihm: etwa 1500 Bagida-Anhänger, erklärte Islamfeinde. Ältere Männer mit Schiebermützen, jüngere Männer in Kapuzenpullis - und welche mit kahlrasierten Schädeln und Bomberjacken. "Komm runter, wenn du dich traust", brüllt einer der Glatzköpfe. Ein anderer ruft: "Spring doch, Ali!"

Dass nicht alle Türken Ali heißen, interessiert ihn und seine Kumpanen nicht. Erst recht nicht, dass die meisten Alis hierzulande Deutsche sind. Für diese Bagida-Anhänger ist der junge Mann auf dem Trambahnhäuschen der gleiche Ali, über den die NPD auf ihren Wahlplakaten mal gereimt hat: "Ist der Ali kriminell, in die Heimat aber schnell!"

Größter Aufmarsch von extrem Rechten seit 1997

Die erste Demonstration des Münchner Pegida-Ablegers Bagida war nicht nur ein Treffen von 1500 Islamfeinden. Sie war auch ein Szenetreffen der bayerischen Neonazis. Nach Einschätzung des Antifaschistischen Dokumentationsarchivs Aida, das die rechte Szene in München und Bayern seit Jahren aufmerksam verfolgt, marschierten etwa 100 Demonstranten mit, die dem verbotenen Freien Netz Süd zuzurechnen sind, dazu Mitglieder der NPD und andere Rechtsextremisten.

Marcus Buschmüller von Aida hat etwa André E. ausgemacht, einen der Angeklagten im NSU-Prozess, und Karl-Heinz Statzberger, einen verurteilten Rechtsterroristen. "Es war der größte Aufmarsch der extrem Rechten in München seit 1997", sagt Buschmüller. Damals hatten 5000 Extremisten gegen die Wehrmachtsausstellung demonstriert.

Rechtsterrorist wurde kurzzeitig festgenommen

Die Münchner Polizei hatte am Dienstag nur wenige Informationen über die Präsenz der Rechten. Vizepräsident Robert Kopp, der den Einsatz am Montagabend geleitet hatte, berichtete lediglich von der Festnahme eines "amtsbekannten Rechtsextremisten". Es handelt sich dabei nach SZ-Informationen um Statzberger. Er hielt sich nach Polizeiangaben gegen 20.45 Uhr mit etwa 15 Gesinnungsgenossen im Sperrengeschoss des Hauptbahnhofes auf.

Die Rechten rannten auf fünf Linke zu, Statzberger schubste einen von ihnen mit beiden Händen zu Boden und wollte nach ihm treten. Der andere rappelte sich aber rechtzeitig auf und lief davon. Statzberger wurde wenig später wieder freigelassen.

Marcus Buschmüller von Aida berichtet auch, vor der Demo hätten sich etwa 80 Neonazis am Hauptbahnhof getroffen und seien unter den Augen von Polizisten in einem geschlossenen Marsch zum Bagida-Treff gelaufen. Dabei hätten sie "Hier marschiert der nationale Widerstand" skandiert. Dazu konnte Polizeivize Kopp nichts berichten.

Bagida-Organisatorin sagt: "Jeder war friedlich"

Die Präsenz der Rechten hatte sich angekündigt: Karl Richter, Münchner Stadtrat von der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA), hatte ebenso für den Bagida-Marsch mobilisiert wie der NPD-Landesverband Bayern und Philipp Hasselbach von der Neonazi-Partei "Die Rechte". Die Bagida-Organisatorin Birgit Weißmann wollte vor der Demo davon nichts mitbekommen haben. An dieser Linie hält sie auch nach der Kundgebung fest: "Ich habe keine Gruppe von Nazis wahrgenommen."

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Es habe einige Männer mit Tätowierungen gegeben, "aber das heißt ja nicht gleich, dass es Nazis sind". Einige wenige Demoteilnehmer habe sie ermahnt, nicht mehr ihren ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen. "Aber insgesamt kann ich nur sagen: Jeder war friedlich. Keiner hat Flaschen geworfen. Für mich waren das alles Menschen."

Ihr Mitstreiter Michael Stürzenberger, Bundesvorsitzender der Splitterpartei "Die Freiheit", der schon unzählige Demonstrationen in München organisiert und damit immer wieder auch Zuspruch von ganz rechts bekommen hat, sagt, er habe am Montagabend "keinen einzigen mir bekannten Rechtsradikalen gesehen, aber dafür ganz viele normale Bürger". Wenn Nazis dabei gewesen seien, "dann finde ich das nicht gut. Aber man kann niemandem verbieten mitzugehen, und auch nur schwer checken, wer alles mitläuft". Was man tun könne, das sei, "genau zu prüfen, was für Plakate gezeigt werden, und das wurde gemacht".

Flugblatt mit allen drei Strophen des Deutschlandlieds

Fragt man bei der Bagida-Organisatorin Weißmann nach, wie sie der Präsenz von Rechtsextremen bei den kommenden beiden, bereits angemeldeten Demonstrationen begegnen will, dann bleibt sie vage. Sie wolle in ihrer Bewegung keine linke Szene, aber auch keine extrem rechte dabeihaben, sagt Weißmann. Wenn sich das aber künftig abzeichne, "dann werde ich agieren".

Allerdings hat auch Weißmann selbst ein eigenwilliges Verhältnis zur deutschen Geschichte. Während der Demonstration verteilte sie Flugblätter, auf deren Rückseite alle drei Strophen des Deutschlandlieds von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben abgedruckt waren. Die historische Problematik der ersten zwei Strophen, die nicht mehr Teil der deutschen Nationalhymne sind, sei ihr "nicht bewusst", sagt Weißmann. "Ich habe den Text auch nicht genau analysiert. Aber es muss doch möglich sein, seine Nationalhymne zu singen. Und bei einer künftigen Demonstration möchte ich dann vielleicht auch mal ein Lied wie 'Sag mir, wo die Blumen sind' singen."

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