Pegida in München:In schlechter Gesellschaft

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Gleich zwei islamfeindliche Demonstrationen gibt es am Montag in München: Bekannte Extremisten wie Michael Stürzenberger ziehen die Fäden - und prominente Neonazis trommeln für die Islamgegner. Doch wie groß ist die Bewegung der "Patriotischen Europäer" wirklich?

Von Bernd Kastner

Sie sagt: "Mut tut gut." Sie sagt, dass viele Menschen sich nicht trauten, auf die Straße zu gehen gegen "die Islamisierung", weil sie Angst hätten, ihren Job zu verlieren. Sie aber habe Mut, und nun wolle sie sich das Recht auf freie Meinungsäußerung zurückholen. Ihren Nachnamen wolle sie nur abgekürzt in der Zeitung lesen. Angst vor Farbbeutelanschlägen? Nein, nein, sagt sie, aber davor, dass ihr Unwahres in den Mund gelegt werde, das wolle sie nicht mit ihrem ganzen Namen verbunden wissen.

Birgit W., in den Sechzigern, Rentnerin, sagt Sätze wie diese: "Wir sind das demokratische Volk. Die Politiker sind unsere Angestellten. Das Volk ist der Boss." Und: "Eigentlich ist das Volk im Stich gelassen worden" - von seinen Angestellten.

W. wird sich am Montag an die Spitze der Pegida-Bewegung in München stellen. Sie hat den Marsch von Bagida angemeldet, und versteht "Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes" als einzig autorisierten Ableger der Pegida-Bewegung. Dresden hat Bagida seinen Segen gegeben, anders als den anderen von Muegida.

Demos gegen Pegida
:München soll leuchten

Tausende Münchner wollen am Montag erneut gegen Islamhass protestieren. Es soll ein Protest gegen den geplanten Bagida-Marsch sein und ein Willkommensruf für Flüchtlinge. Das Bündnis dahinter ist so breit aufgestellt wie schon lange nicht mehr.

Von Martin Bernstein und Bernd Kastner

Die Szene ist gespalten

Gleich zwei islamfeindliche Demonstrationen gibt es am Montag. Das zeigt aber nicht, wie groß die Bewegung der "Patriotischen Europäer" ist in München, sondern wie gespalten die Szene ist. Die Leute hinter Muegida und Bagida sind sich alles andere als grün, Bagida hält Muegida für "Trittbrettfahrer". Hinter Muegida steht mit Thomas Weiß der ehemalige bayerische Generalsekretär der islamfeindlichen Partei "Die Freiheit", der sich mit Parteichef Michael Stürzenberger überworfen hat. Weiß aber war in Sachen Pegida der Fixeste in München: Zwei Veranstaltungen hat er schon organisiert, zur ersten, kurz vor Weihnachten, kamen etwa 30 Islamgegner, zur zweiten dann etwa 120, darunter auch Fritz Schmude, Stadtrat der AfD. Massenmobilisierung sieht anders aus.

Das Attentat von Paris dürfte die Stimmung am Sendlinger Tor am Montagabend aufheizen, auch angesichts der Gegendemonstranten in unmittelbarer Nachbarschaft. Bagida will eine Schweigeminute für die Opfer abhalten. Gut möglich, dass deutlich mehr selbsternannte "Patrioten" als die angemeldeten 300 kommen. "Jetzt erst recht": So ruft der islamfeindliche Internetblog "Politically Incorrect" zur Teilnahme auf.

Gespaltenes Lager

Während in Dresden seit Wochen Tausende "Patriotische Europäer" das Abendland zu verteidigen suchen, ist in München die Szene der Islamfeinde gespalten: in Muegida und Bagida.

Thomas Weiß

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(Foto: Florian Peljak)

Der Ex-Generalsekretär der "Freiheit" hat einst mit Michael Stürzenberger gegen den Islam gekämpft. Nun bekriegen sie sich gegenseitig. Auf der Muegida-Facebookseite steht über Stürzenberger: "Wo er hintritt bleibt nur verbrannte Erde zurück. Diese Erfahrung wird auch Pegida mit ihm machen. Schade eigentlich." Foto:imago

Michael Stürzenberger

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(Foto: Catherina Hess)

Der vom Verfassungsschutz als Extremist eingestufte hält Muegida für "Trittbrettfahrer", das von ihm unterstützte Bagida für den legitimen Pegida-Ableger in München. Offiziell ist der Bundesvorsitzende der "Freiheit" nicht im Bagida-Organisationsteam, räumt aber ein: "Ich helfe da im Hintergrund mit, das ist ja klar." Foto: Hess

Zudem wollen bekannte Rechtsextremisten auf den Pegida-Zug aufspringen, sie könnten für weiteren Zündstoff in der rechten Szene sorgen. Es mobilisiert das Who is who der Neonaziszene: die Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) um Stadtrat Karl Richter, der selbst kommen will, die Neonazi-Partei "Die Rechte" um ihren Kreischef Philipp Hasselbach (auch er will selbst mitmarschieren), der NPD-Landesverband Bayern, und die extrem rechte "Identitäre Bewegung".

"Stürzenberger sagt die Wahrheit"

Frau W., die Bagida-"Veranstaltungsleiterin", sagt, sie wisse nichts von den Aufrufen der äußerst Rechten für ihre Demo: "Ich habe nichts mitbekommen." Und selbstverständlich distanziere sie sich von Neonazis. W. ist nach eigenen Angaben eine weit gereiste Frau. Sie hat einige Jahre in den USA gelebt, war unter anderem in Ruanda ("Ich habe noch nie ein so sauberes Land gesehen. Hut ab!") und sagt: "Ich habe selber ausländische Freunde." Seit langem ist sie in der Anti-Islam-Bewegung aktiv. Zusammen mit Stürzenberger hat sie Unterschriften gegen die in München geplante Moschee gesammelt. Der Innenminister hält Stürzenberger für einen extremistischen Islamfeind, was Frau W. aber ganz anders sieht: "Stürzenberger sagt die Wahrheit."

Man darf sich Stürzenberger als Mentor von Bagida vorstellen, der im Hintergrund so manchen Faden zieht. Er betont einerseits, als gewöhnlicher Bürger mitzulaufen und nicht dem zwölfköpfigen Organisationsteam anzugehören, weil man keine Parteileute haben wolle. Zugleich aber hält er Kontakt zur Pegida-Zentrale in Dresden, war bei mindestens einem Bagida-Vorbereitungstreffen dabei, hat Frau W. Tipps für die Organisation gegeben und sagt selbst irgendwann: "Ich helfe da im Hintergrund mit, das ist ja klar."

Mügida-Spaziergang
:"Ihnen ist kalt, sie haben Angst und geben jetzt auf"

Ein überschaubares Häuflein versammelt sich in München zur Anti-Islam-Demo. Ihnen stehen Hunderte Gegendemonstranten gegenüber. Trillerpfeifen, "Haut ab"-Rufe und "Nazis raus"-Chöre der Münchner übertönen den Mügida-Organisator samt seinem Lautsprecher.

Von Andreas Glas

Marcus Buschmüller von der Antifaschistischen Infostelle Aida hält die Beteuerungen Bagidas, eine "Veranstaltung von Bürgern für Bürger" zu sein, für "klare Verschleierungstaktik": Pegida und Co seien in der rechtspopulistischen Szene verwurzelt; es gehe darum, Stimmung gegen Zuwanderer und Muslime zu machen.

Birgit W. hat in diesen Tagen viel zu tun. Das in Paris Geschehene findet sie schrecklich. Dann will sie andeuten, dass der Schrecken auch was Positives haben, dass jetzt mehr Leute merken könnten, wie gefährlich dieser Islam sei. Sie traut sich den Gedanken aber nicht zu Ende auszusprechen. Stürzenberger, der Mann im Hintergrund, gibt die Linie vor: "Der Islam ist für den Terror-Anschlag in Paris verantwortlich." Differenzierung geht anders.

Empörung über die Regierenden

Fragt man Birgit W. nach ihrer eigenen Meinung, wie mit Muslimen, mit Flüchtlingen umzugehen sei, weiß sie nicht so recht, was sie meinen soll: "Das ist schwierig, ich bin nicht die Regierung", sagt sie, oder: "Meine Meinung ist schwierig. Ich möchte mich da enthalten." Sie scheut sich vor Festlegung, einerseits, weiß andererseits aber genau Bescheid: "Allah ist der Befehlshaber." Gerade habe sie gelesen, dass es 56 Millionen Flüchtlinge auf der Welt gebe. "Wollen wir die alle aufnehmen?" Sie empört sich über die Regierenden: "Jeder darf kommen, jeder", um sich sogleich zu korrigieren: "Streichen Sie das jeder und schreiben: viele." Es soll ihr keiner Hetze unterstellen können.

Am Schluss berichtet Frau W. von deutschen Freunden, die ausgewandert seien. "Bitte bleibt hier!", habe sie ihnen gesagt, vergeblich. Sie mache es traurig, wenn fähige Laute das Land verlassen. "Unsere Bodenschätze sind das, was wir hier drin haben", sagt sie und fasst sich dabei an den Kopf.

© SZ vom 10.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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