Ermittlungspanne:Insulin-Mordverdacht: Polizei Essen suspendiert drei Beamte

Lesezeit: 2 min

  • Die Behörden haben Ermittlungsfehler im Fall des Hilfspflegers Grzegorz Stanislaw Wolsztajn eingeräumt - und Konsequenzen daraus gezogen.
  • Der 36-Jährige steht unter Mordvedacht, weil er einen Rentner aus Ottobrunn mit Insulin vergiftet haben soll.
  • Insgesamt untersucht die Münchner Polizei zehn Todesfälle, die mit ihm zusammenhängen könnten.

Von Thomas Schmidt, München

Bei den Ermittlungen gegen den wegen Mordverdachts inhaftierten polnischen Hilfspfleger hat die Polizei Essen Fehler eingeräumt. Diese Fehler waren offenbar derart gravierend, dass drei Beamte suspendiert wurden, zwei weitere habe man innerhalb der Essener Polizei versetzt. "Die Ermittlungen waren nicht ausreichend", gab ein Sprecher am Montag zu.

"Vor dem Hintergrund der schrecklichen Taten beschäftigt mich die Frage, ob weitere Verbrechen hätten verhindert werden können, wenn die Ermittlungsarbeit konsequenter durchgeführt worden wäre", sagte Polizeipräsident Frank Richter. "Ich kann diese Frage nicht beantworten." Dem Hilfspfleger Grzegorz Stanislaw Wolsztajn wird der Mord an einem Rentner aus Ottobrunn zur Last gelegt, insgesamt untersucht die Münchner Polizei zehn Todesfälle, die mit dem 36-Jährigen zusammenhängen könnten. Der Beschuldigte sitzt derzeit in Stadelheim in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen.

Ermittlungen
:Insulin-Mord: Immer mehr Verdachtsfälle

Die Staatsanwaltschaft München prüft inzwischen schon zehn Todesfälle, für die Hilfspfleger Grzegorz Stanislaw Wolsztajn verantwortlich sein könnte.

Von Thomas Schmidt

Gut ein halbes Jahr, bevor Wolsztajn mutmaßlich den Pflegebedürftigen aus Ottobrunn mit Insulin getötet und ausgeraubt hat, war er zwei Tage lang für eine Familie in Mülheim an der Ruhr tätig. Im Mai 2017 wurde seine Pflegeperson, ein demenzkranker 91-Jähriger, mit einer lebensgefährlichen Unterzuckerung in eine Klinik gebracht. Zwei Monate später starb er.

Noch während der alte Mann ums Überleben kämpfte, erstattete seine Tochter Anzeige gegen Wolsztajn. Gegenüber der Polizei äußerte sie den Verdacht, der Hilfspfleger habe ihrem Vater Insulin verabreicht, obwohl er kein Diabetiker war. Ein Haftbefehl aber wurde nicht erlassen, dafür reiche der Verdacht nicht aus, entschied die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg.

Wolsztajn verschwand, reiste offenbar nach Polen - und kehrte bald darauf wieder zurück nach Deutschland. Die Essener Polizei kannte zwar seine Personalien, hat Wolsztajn aber nie zum Tod des 91-Jährigen vernommen. Entgegen eines Auftrags der Staatsanwaltschaft holten die Ermittler keinerlei Erkundigungen über den Tatverdächtigen in anderen Bundesländern ein. Es wurde auch nicht versucht, ihn in Polen ausfindig zu machen, bestätigt ein Sprecher der Polizei. Schließlich stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein mit der Begründung, man wisse schlichtweg nicht, wo sich Wolsztajn aufhalte.

Zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens war Wolsztajn längst wieder in anderen deutschen Städten als Hilfspfleger beschäftigt. Die Münchner Mordkommission hat inzwischen 49 konkrete Hinweise aus der ganzen Republik erhalten, wo der 36-Jährige gearbeitet haben soll - vom Breisgau bis Berlin, von Kassel bis in die Nähe von Bremen. Meist war er nur wenige Tage bei einer Pflegeperson tätig, weil er bald darauf entweder entlassen wurde oder plötzlich verschwand. Angehörige haben den Hilfspfleger bei der Polizei als aggressiv beschrieben, sein Verhalten als unangemessen geschildert.

Seit der Festnahme im Februar führt nun die Münchner Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den 36-Jährigen, alle Fäden laufen bei der hiesigen Mordkommission zusammen. Die Ermittler hatten schnell den Verdacht, dass es sich bei Wolsztajn um einen Serientäter handeln könnte, auf dessen Konto womöglich viele Morde gehen.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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