Hassparolen:Die Hetzer sollten sich in Grund und Boden schämen

Hungerstreik, Ebersberg

Unbekannte haben am Landratsamt ein großes Plakat in Solidarität mit den streikenden Asylbewerbern aufgehängt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei manchen Parolen könnte man fuchsteufelswild werden. Es gibt aber auch viele Ebersberger, die das Problem der Hungerstreiker erkennen. Sie rufen am Samstag um 11 Uhr zur Solidaritätskundgebung vor dem Landratsamt auf.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Es ist 18 Monate her, dass eine Neonazi-Gruppe am Ebersberger Bahnhof den Dönerimbiss eines Afghanen zertrümmert hat und zwei Menschen verletzte. Hier, mitten in Oberbayern, im Herzen der Kreisstadt. Am Tag danach trafen sich 80 Menschen am Bahnhof und demonstrierten gegen Rassismus und für die demokratische Freiheit. Die Zeitungen waren bayernweit voll damit. Es war der schlimmste rassistisch motivierte Angriff in der Region seit vielen Jahren.

Schlimm ist, dass manche Menschen allem Anschein nach rein gar nichts aus dieser Zeit mitgenommen haben, nicht erkannt haben, wie brutal sich Fremdenfeindlichkeit entfalten kann. Seit eine Gruppe von Asylbewerbern am Montag aus Protest gegen ihr Arbeitsverbot vor das Ebersberger Landratsamt gezogen ist, häufen sich im Internet und im E-Mail-Postfach von Landrat Robert Niedergesäß Hass-Kommentare und wütende Nachrichten, Worte, die so nicht zitierfähig sind. Worte, für die man seine Kinder tadeln würde - und fragen würde, woher sie solche Parolen haben.

Manche verwenden Worte, für die man seine Kinder tadeln würde

Es ist legitim und logisch, dass man die Aktion der Männer vor dem Landratsamt hinterfragt, sich Gedanken darüber macht, ob es sinnvoll ist, so lange Nahrung und Wasser zu verweigern, bis der Sanka einen ins Krankenhaus einliefert. Und ob ein Landratsamt bei dieser bundespolitischen Angelegenheit nicht der falsche Adressat ist. Das Problem ist, dass sich viele derer, die im Internet auf die Männer draufhauen, ihre Plakate herabreißen oder einen Stein nach ihnen werfen, die entscheidende Frage nicht stellen. Und die lautet, wie in so vielen Lebenslagen: warum?

Es hat Gründe, weswegen Afghanen und Pakistani hierhergekommen sind, ob diese für eine Asyl-Anerkennung ausreichen, entscheidet ein Bundesamt. Und es hat Gründe, warum die Männer etwas an ihrer Situation ändern wollen und von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen - eben weil das Bamf bisweilen mehrere Jahre für die Bearbeitung der Anträge braucht. Auch das hat Gründe, man muss das nicht pauschal verurteilen.

Genau das machen aber all jene, die im Internet gegen den Streik hetzen, öffentlich, mit Klarnamen oder anonym: Statt den Versuch zu wagen, die Männer in den Decken zu verstehen, fällen sie für alle Beteiligten ein Generalurteil - nach ihrem eigenen Ermessen und Horizont. Schön ist, dass dieser bei vielen Einheimischen deutlich über den eigenen Misthaufen hinausgeht.

Man könnte fuchsteufelswild werden und Sinn und Verstand verlieren

Es gibt Leute, die mit Argumenten im Netz diskutieren. Es gibt Leute wie den 18-jährigen Schüler Leo Lux, der für Samstagvormittag zu einer Solidaritätsbekundung aufruft. Und es gibt Leute, die sich einfach so vor das Landratsamt zu den Protestierenden auf die Treppenstufen setzen. Ihnen zuhören und die Polizei anrufen, wenn Randalierer die Plakate herunterreißen.

Ja, Szenen wie diese sind unheimlich, eine Schande, überall auf der Welt und besonders dort, wo demokratische Werte gelten. Man könnte bei all den Hassern fuchsteufelswild werden und Sinn und Verstand ausblenden. Man könnte ihnen aber auch den Satz des Demokraten Max Mannheimer zurufen: Dass sie nicht schuld an dem sind, was früher war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.

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