Verfassungsgerichtsentscheidung:Was Eltern vom Betreuungsgeld halten

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Von Kritikern wird das Betreuungsgeld als "Herdprämie" verunglimpft. Bei der Zielgruppe ist es nicht so unbeliebt.

(Foto: imago/JOKER)

Als "Herdprämie" wird das Betreuungsgeld von seinen Gegnern geschmäht. Aber was sagen die Eltern, die es bekommen?

Von Oliver Klasen

Das Betreuungsgeld verstößt gegen das Grundgesetz, hat das Bundesverfassungsgericht an diesem Dienstag entschieden. Von Anfang an waren die anfangs 100 Euro, später 150 Euro pro Monat für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kita oder staatlich geförderte Betreuung geben, sehr umstritten. Vorneweg Politiker von CDU/CSU sahen die Leistung als Ausdruck einer "Wahlfreiheit" zwischen den verschiedenen Formen der Betreuung. Von seinen Gegnern wurde das Betreuungsgeld dagegen als "Herdprämie" geschmäht (hier ein Überblick über die Debatte in Zitaten).

Doch was sagen Eltern, die das Betreuungsgeld bislang noch beziehen?

Bernhard Mahel, 41, Anästhesie-Pfleger aus Hessen, zwei Kinder

"Ich weine dem Betreuungsgeld nicht hinterher, denn im Grunde genommen halte ich es für ein Feigenblatt, um zu kaschieren, dass der Staat den Ausbau der Kinderbetreuung nicht richtig hinbekommt. Politisch sind die 150 Euro pro Kind und Monat ja auch billiger, als im gleichen Umfang Kita-Plätze zu schaffen.

Unabhängig davon haben wir persönlich vom Betreuungsgeld profitiert. Für unseren älteren Sohn, der fünf Jahre alt ist, gab es das zwar noch nicht, für den jüngeren Sohn aber schon, er ist gerade zwei und geht erst kommendes Jahr in den Kindergarten.

Meine Frau arbeitet als freie Übersetzerin und kann viel von zu Hause aus arbeiten. Und ich habe eine Dreiviertelstelle, die in 24-Stunden-Schichten organisiert ist, und habe deshalb oft die Möglichkeit, sie zu entlasten. Meine Frau und ich wollten von Anfang an, dass die Kinder zuhause bleiben, bis sie drei Jahre alt sind. Das hätten wir aber auch ohne Betreuungsgeld so gemacht."

Dr. Jenny Diekmann-Rieger, 35, Tierärztin nahe München, zwei Kinder

"Unsere jüngere Tochter wird im September drei Jahre alt, wir haben jetzt fast zwei Jahre Betreungsgeld für sie bekommen. Für uns passte das gut, die 150 Euro können wir gebrauchen. Ich bin selbständige Tierärztin, mein Mann ist Wirtschaftsinformatiker. Bei unserer ersten Tochter bin ich sehr schnell arbeiten gegangen und mein Mann hat eine längere Erziehungszeit genommen. Jetzt ist es eben umgekehrt. Ich arbeite weniger und mein Mann ist voll berufstätig.

Ich finde es gut, dass Eltern die Wahlfreiheit haben, wie sie ihr Kind betreuen lassen. Es ist gerecht, dass diejenigen, die ihr Kind zuhause betreuen, eine Förderung bekommen. Schließlich kosten Kitas den Staat ja auch Geld. Außerdem kann der Staat das Betreuungsgeld problemlos aufbringen. Die schwarze Null im Haushalt von Schäuble steht und die eine Milliarde Euro, die für das Betreuungsgeld vorgesehen ist, wird nicht einmal voll ausgeschöpft, weil es weniger Antragssteller gibt als gedacht.

Was mich an der Debatte stört, ist diese Schwarz-Weiß-Malerei. Es gibt eben nicht nur die karrierefixierte Rabenmutter oder das Heimchen am Herd, sondern auch vieles dazwischen."

"Es war nie in unserem Sinn, dass ich berufstätig bin"

Sabrina Vasel, 27, eine Tochter, erwartet ein zweites Kind

"Wir beziehen Betreuungsgeld und sind froh über jeden Euro mehr. Mein Mann geht Vollzeit arbeiten, 40 Stunden die Woche, und ich bin bei unserer Kleinen. Wir haben schon vorher beschlossen, dass ich daheim bleiben werde - mit oder ohne Betreuungsgeld. Ich finde es schön, eine kleine Leistung zu bekommen, viele andere werden ja auch bezuschusst.

Wir sind sehr konservativ eingestellt, weshalb es auch nie in unserem Sinn war, dass ich berufstätig bin, solange Kinder im Haus sind. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich nie wieder arbeiten werde, aber es wird nicht mehr als auf 450-Euro-Basis sein. Mir ist es wichtig, jederzeit für die Kinder da zu sein."

Ottmar Deinhart, 32, Informatiker in München, ein Kind

"Für unsere aktuelle Situation war das Betreuungsgeld die perfekte Unterstützung. Unsere Tochter ist 13 Monate alt, das Betreuungsgeld bekommen wir seit einem Monat. Meine Frau hat zuerst einen Abschluss in BWL gemacht, dann noch ein zweites Studium in Politikwissenschaften drangehängt und steckt gerade mitten in ihrer Diplomarbeit. Sie könnte nebenbei gar nicht arbeiten gehen und selbst wenn, ist ja auch die Kita-Suche in München ein sehr schwieriges Unterfangen.

Das Argument der Kritiker, das Betreuungsgeld sei eine Herdprämie, die Frauen vom Arbeiten abhält, lasse ich nur ungern gelten. Zwar sieht es bei uns auf den ersten Blick nach dem klassischen Modell aus, ich gehe arbeiten und sie ist zuhause. Aber das ist einfach der derzeitigen Situation geschuldet. Meine Frau steht noch am Anfang des Berufslebens und ich habe als Informatiker eben bessere Verdienstmöglichkeiten. Das kann man in München nicht ausblenden, gerade wegen der hohen Mieten.

Abgesehen davon wollen wir beide unsere Tochter nicht früher in fremde Hände geben als unbedingt nötig. Es ist einfach schön, zu sehen, wie sie sich entwickelt. Das ist zum Beispiel auch der Grund dafür, warum ich nicht mehr so viele Überstunden mache wie früher. Und inzwischen gibt es ja auch immer mehr flexible Lösungen wie Home Office, die es ermöglichen, dass man Familie und Beruf besser vereinbaren kann."

"Auf die 150 Euro sind wir nicht zwingend angewiesen"

Christine Eberle, 35, Historikerin aus der Nähe von Augsburg, ein Kind

"Mein Mann hat eine sehr sichere Stelle als Studienrat, auf die 150 Euro sind wir also nicht zwingend angewiesen, aber wir nehmen sie trotzdem gerne mit. Unser Sohn ist jetzt zwei Jahre und ein paar Monate alt. Es war von Anfang an der Plan, dass wir ihn etwas länger zuhause lassen. Als er so ungefähr anderthalb Jahre alt war, hat er mit anderen Kindern in dem Alter nicht spielen wollen. Erst jetzt fängt er allmählich an, sich ein bisschen für Gleichaltrige zu interessieren - kommendes Frühjahr kommt er in den Kindergarten und ich denke, das ist genau der richtige Zeitpunkt.

Was mich ärgert, ist, dass oft pauschal behauptet wird, die Betreuung in professionellen Kitas sei immer und unter allen Umständen das Beste für die Kinder. Zwar gibt es zweifellos Eltern, die mit der Erziehung überfordert sind, aber das sind Ausnahmen. Da wissen Mütter und Väter intuitiv Bescheid.

Unsere Situation ist ganz günstig: Mein Mann kann nachmittags oft bei der Familie sein. Ich arbeite hauptsächlich als Lektorin und habe sehr verständnisvolle Auftraggeber, die es mir ermöglichen, dass ich ohne Termindruck und mit viel Freiheit arbeiten kann.

Ich finde mich inzwischen sehr in der Mutterrolle wieder und will, auch wenn mein Sohn in den Kindergarten kommt, nur mit einer halben oder maximal Zweidrittel-Stelle wieder einsteigen. Eine Komplettbetreuung bis spät abends kann ich mir nicht vorstellen. Die Kinder werden früh genug selbständig und wollen dann nichts mehr mit uns Erwachsenen zu tun haben."

Nicole Schulte, 39, Betriebswirtin aus der Eifel, ein zehn Monate alter Sohn

"Ich habe das Betreuungsgeld beantragt, die Bewilligung liegt vor und eigentlich müsste ich es ab September erhalten. Selbst wenn die Entscheidung jetzt gekippt worden ist, hoffe ich auf eine Übergangsregelung von mindestens einem Jahr. Ein Jahr deshalb, weil mein Sohn gerade zehn Monate alt ist und ich ihn frühestens mit zwei Jahren in die Kita geben will. Derzeit kommt das für mich noch nicht in Frage, denn mein Sohn ist eher der sensible Typ, den zu viele andere Kinder noch überfordern.

Eine Tagesmutter war für uns auch keine Option, denn die sechs Tagesmütter, die es bei uns in der Umgebung gibt, bevorzugen alle Kinder, die fünf Tage in der Woche betreut werden müssen, nur dann bekommen sie den vollen Satz vom Jugendamt. Ich benötige aber nur eine gelegentliche Betreuung, da mein Arbeitgeber mir die Möglichkeit gibt, meine Arbeitszeit flexibel einzurichten, um das Kind möglichst wenig fremdbetreuen lassen zu müssen. Ich habe mir deshalb eine Betreuung in der Nachbarschaft gesucht - und die kann ich mit dem Betreuungsgeld gut bezahlen.

Am liebsten wäre ich sogar noch länger bei meinem Kind geblieben und hätte gar keine externe Betreuung in Anspruch genommen. Aber leider hat der Arbeitgeber meines Mannes einen Insolvenzantrag gestellt und musste den Betrieb Ende März schließen. Gute Position, gutes Gehalt, von heute auf morgen war das plötzlich weg und das nach 27 Jahren. Zwar hat er relativ schnell einen neuen Job gefunden, allerdings mit fast 1000 Euro netto weniger im Monat. Die fehlen jetzt und deshalb muss ich früher wieder beruflich aufstocken als ich eigentlich wollte."

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