Folgen der Karlsruher Entscheidung:Wie es mit dem Betreuungsgeld weitergeht

Betreuungsgeld

Für das Bundesverfassungsgericht steht das Betreuungsgeld in seiner bisherigen Form im Widerspruch zum Grundgesetz. Doch wie geht es jetzt weiter?

(Foto: dpa)

Das Gesetz zum Betreuungsgeld ist nichtig. Wie lange bezahlt es der Bund jetzt noch? Welche Länder wollen einspringen? Was Eltern wissen müssen.

Von Ulrike Heidenreich

Wer neben dem Wickeltisch einen Antrag auf Betreuungsgeld liegen hat und plante, diesen demnächst in Ruhe auszufüllen, kann das gleich bleiben lassen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts können Eltern von sofort an keine neuen Anträge mehr stellen. So viel ist sicher. Wie lange aber Eltern mit Kleinkindern mit der monatlichen Überweisung von 150 Euro auf ihr Konto rechnen können, ist noch unklar. Die wichtigsten Antworten zum Karlsruher Urteil:

Werden die Betreuungsgeld-Zahlungen jetzt sofort gestoppt?

Nein. Die SPD-Politikerin Manuela Schwesig freut sich zwar, dass die Richter das Gesetz zum Betreuungsgeld gekippt haben. Die Bundesfamilienministerin will die Eltern aber auch nicht im Stich lassen. Schwesig kündigte am Dienstag an, nach Lösungen zu suchen, "damit Familien, die das Betreuungsgeld bereits beziehen, es bis zum Ende bekommen". Bis zum Ende - das hieße: bis das Kind seinen dritten Geburtstag feiert. Am 13. August will die Ministerin den Regierungsfraktionen ihren Vorschlag dazu unterbreiten. Ende Juli wird die nächste Auszahlung der 150-Euro-Prämie fällig, sie muss bis dahin nicht unterbrochen werden.

Die Karlsruher Richter überlassen es Bund und Verwaltung, über die weitere Geltung bereits bewilligter Leistungen zu entscheiden. Die Richter hatten eine Übergangsregelung erwogen, diese dann aber nicht für notwendig erachtet. Denn der sogenannte Vertrauensschutz in den Bestand der Leistungsbescheide sei bereits per Gesetz garantiert.

Bekommen auch die Eltern Geld, deren Antrag noch nicht bewilligt ist?

Nein. Nur bereits bewilligte Leistungen werden vorerst noch ausgezahlt. Lediglich Eltern von Kleinkindern, denen Betreuungsgeld gewährt wurde, können das Geld auch weiterhin erwarten.

Welche Länder springen nun ein, um das Betreuungsgeld selbst auszuzahlen?

In der Telefonschleife vom "Zentrum Bayern Familie und Soziales", das für die Auszahlung an derzeit 100 000 Empfänger im Freistaat zuständig ist, war am Dienstag die Welt noch in Ordnung. Hier gab es ungerührt weiter Tipps zur Antragstellung. Lediglich die Internetseite war mit dem Hinweis aktualisiert: "Das Bundesverfassungsgericht hat am 21. Juli 2015 das Betreuungsgeld für nichtig erklärt." Ministerpräsident Horst Seehofer hat schleunigst seine Sozialministerin Emilia Müller (CSU) beauftragt, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um den "Markenkern bayerischer Familienpolitik" in Eigenregie weiterzuzahlen. Im September soll der Beschluss vorliegen.

Klare Absagen kommen aus anderen Bundesländern: Die rot-grünen Regierungen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen planen keine landeseigenen Prämie. NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) will das Geld in Kitas investieren. Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) bezeichnet das Urteil als Genugtuung, die Prämie verschlinge Unsummen, die für den Kita-Ausbau verwendet werden sollten. Auch Brandenburg, Thüringen, Berlin und Schleswig-Holstein planen dies. Bayern wird also einen Alleingang unternehmen.

Im rot-grün regierten Hamburg sprach Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) von einer "guten Botschaft für die Entwicklung der Kinderbetreuung". Die dortige CDU fordert dagegen ein Hamburger Betreuungsgeld. In der großen Koalition im Saarland ist man sich uneins, ebenfalls im schwarz-grün regierten Hessen: CDU-Sozialminister Stefan Grüttner bedauert das Urteil und verlangt vom Bund, das Geld an die Länder zu geben.

Bekommen die Länder vom Bund die Summe, die für das Betreuungsgeld im Haushalt eingeplant ist?

Das wird geprüft. Laut Schwesig darf das Geld nicht im Haushalt des Bundesfinanzministeriums "versickern". Ob die frei werdenden Mittel dem Kita-Ausbau zugute kommen können, wird ebenfalls bis 13. August geklärt. Im laufenden Haushalt sind für das Betreuungsgeld 900 Million Euro veranschlagt. Nicht genutztes Geld würden in den Bundeshaushalt zurückfließen.

Gibt es nun einen Ansturm auf Kitas?

Nicht mehr als sonst auch. In einer Umfrage des Deutschen Jugendinstituts hatten 90 Prozent der Eltern angegeben, das Betreuungsgeld habe überhaupt keinen Einfluss auf ihre Entscheidung zur Kinderbetreuung.

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