ZDF: Mauerfall-Satire:Blühende Feindschaften

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Achtung, Guido Knopp, hier kommt Satire: Mit Dreistigkeit, Tempo und Präzision macht sich eine unverschämte und gute ZDF-Sendung über das Gedenkfernsehen zum Mauerfall her.

Michael Moorstedt

Vorweg: Keine Ahnung, wie eine so komische Satire ins sonst immer nur unfreiwillig komische ZDF-Programm gerutscht ist. Aber umso besser.

Ist die Wende in Wirklichkeit eine Verschwörung der SED-Kader? "Der schwarze Kanal kehrt zurück" erzählt die Geschichte der DDR "wie sie wirklich war". (Foto: Screenhot: zdf.de)

In ihrer Satire "Der schwarze Kanal kehrt zurück" machen sich Andreas Wiemers und Werner Doyé über das Gedenkfernsehen zum Mauerfall her. Doyé und Wiemers, sonst bei Frontal 21 zuständig für die Satirerubrik "toll!" und mehrfach Grimme-Preis-nominiert, verwenden Bilder von bekannten und zeitgeschichtlich korrekten Aufnahmen und kombinieren sie mit persönlichen Interviews (frei erfundener) Zeitzeugen. Aus dem Off tönt eine erhabene Stimme, und in den Zwischenschnitten mimen also Schauspieler Honeckers Chauffeur, Mielckes Schwester, einen NVA-General a.D. und natürlich Vertreter des Volkes aus Arbeiter und Bauern.

Das hätte furchtbar in die Hose gehen können, denn wie oft kranken sogar die Produktionen hochbegabter Komiker (Pastewka) und Komikerinnen (Engelke) daran, dass Witze zu lange ausgespielt werden oder Pointen mit zu langem Vorlauf um die Ecke kommen. Wiemers und Doyé aber haben bei dem immer nur 90-Sekunden-langen "toll!" britische Zutaten verfeinert: Dreistigkeit, Timing, Tempo, Präzision. Unerhört und teils wirklich sehr, sehr komisch erscheint nun diese Ironisierung der DDR hier, vor allem deshalb, weil sie sich der genau gleichen Mittel und Mechanismen bedient wie die unzähligen Dokumentationen, die gerade durchs Fernsehen seifen.

Der Untertitel "Die Geschichte der DDR - Wie sie wirklich war" würde auch für die Standard-DDR-Dokumentation taugen. Zu Beginn verweisen die beiden Filmemacher in schneidigem Ton auf die Leistungsmerkmale, mit denen sich die Redaktion Zeitgeschichte sonst so gerne schmückt: Jahrelange Recherche! Vergessene Archive! Geheime Dokumente! In Guido Knopp-Manier werden die falschen Zeitzeugen und Experten mit ihren simplifizierenden Theorien vor dunklem Hintergrund zwischengeschaltet.

"Achtung Satire!", nur kurz warnt der Film Guido Knopp und alle anderen vor dem eigenen Unernst. Es ist deshalb zu vermuten, dass der eine oder andere verwirrte Fernsehzuschauer beim ZDF anrufen wird, weil er das alles für voll nimmt. Es treten auf, nur zum Beispiel: bierernste NVA-Soldaten, die nicht für den Bruderkrieg, sondern fürs Ballett gedrillt wurden. Oder die einstige Kindergärtnerin, die über die staatlichen Krippen und den Töpfchenzwang in der klassenlosen Gesellschaft berichtet: "Es wollten eben alle zur gleichen Zeit kacken."

Wiemers und Doyé spinnen eine halbe (atemlose) Stunde lang eine alternative Geschichte in schnellem Takt. Die These ist dabei ernüchternd: Die ganze Wende war eine Verschwörung der SED-Kader. Die BRD sollte am 9. November 1989 mit Ostdeutschen "geflutet" und so zerstört werden. Die Physikerin und ehemalige FDJ-Sekretärin Angela Merkel, die mittlerweile die Geschicke des Landes lenkt - eine weitere Schachfigur im Spiel der aus Ruinen Auferstandenen. Die ultima ratio: den Westen mittelfristig durch den Solidaritätszuschlag und anhand blühender Ostlandschaften komplett - eben - zu ruinieren. Ist der infame Plan am Ende nicht sogar aufgegangen? Man wird ja nochmal fragen dürfen.

Geht so eine Satire schief, entsteht der Hört-hört!-Humor des deutschen Kabaretts. Dieses Filmchen hier aber ist wirklich hinreißend. Von Zeigefinger keine Spur. Eher von Mittelfinger. Ja, wie kommt so etwas ins ZDF?

Der schwarze Kanal kehrt zurück, ZDF, 23.25 Uhr.

© SZ vom 9.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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