Disney kauft Marvel:Ich krieg die Krise

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Chef-Choleriker Hulk und Superhelden für junge Männer: Disney will mit dem Kauf des Comicverlags Marvel neue Zielgruppen erschließen.

Moritz Koch

Die neuen Partner passten perfekt zueinander, schwärmte Disney-Chef Bob Iger am Montagabend, eben weil sie so verschieden seien. Gerade hatte er verkündet, dass sein Unterhaltungskonzern den Comicbuch-Verlag Marvel für vier Milliarden Dollar übernehmen wolle. Gewiss kein Schnäppchen und dennoch, wie Iger versicherte, ein gutes Geschäft: "Wir sehen das als Gelegenheit, mehr Jungen und ältere Kinder zu begeistern." Disneys Produktionen sprachen zuletzt vor allem junge Mädchen an, die Fernsehserie Hannah Montana etwa und der Kinofilm über die Teeny-Band Jones Brothers.

Hulk, der grüne Wutklotz, ist einer der bekanntesten Superhelden des Comicverlags Marvel. (Foto: Foto: ap)

Das Marvel-Universum verfügt über 5000 Charaktere, in Deutschland sind vor allem der grüne Choleriker Hulk und der Fassadenkletterer Spiderman bekannt. Die Zielgruppe der Superhelden ist klar definiert: Jungs und junge Männer. Marvel hat sich in den vergangenen Jahren allerdings zunehmend von seinen verlegerischen Ursprüngen entfernt und sich äußerst erfolgreich ins Filmgeschäft vorgewagt.

Erstmals brachte Marvel 2008 mit "Ironman" einen selbstproduzierten Film auf den Markt - ein Kassenschlager, der mehr als 600 Millionen Dollar einspielte. Bis dahin hatte Marvel die Rechte an seinen Figuren an Hollywood-Studios verpachtet und dafür Lizenzeinnahmen kassiert. Spiderman etwa schwang sich in Sony-Produktionen über die Kinoleinwände. Drei Filme gab es bereits, weitere sollen folgen. Die Mutanten X-Men, ebenfalls Hollywood-Veteranen, stehen bei Warner Bros unter Vertrag.

Für Disney ist das ein Problem. Der Konzern muss sich an die laufenden Marvel-Verträge halten und wird über Jahre hinweg keine eigenen Filme über die beliebtesten Marvel-Figuren drehen können. Die Übernahme ist damit auch eine Wette darauf, dass Superhelden ihre Faszinationskraft nicht verlieren. Hollywood hat in den vergangenen Jahren mit Titeln wie "Batman", "Hancock", "Watchmen" und "Hellboy" eine regelrechte Superhelden-Flut produziert. Nicht immer hatten die Filme allerdings Erfolg. Auch Marvel-Charaktere erlitten Rückschläge. Der letzte Hulk-Film war eine Enttäuschung, ebenso die Verfilmung von "The Punisher".

Vertragsklauseln stehen auch dem Auftritt der Marvel-Figuren im weltweit größten Freizeitpark im Weg. Besucher von Disney World in Orlando, Florida, werden weiterhin mit Micky Maus und Goofy vorlieb nehmen müssen. Marvel hat ein Abkommen mit dem Freizeitpark der Universal Studios geschlossen, der sich ebenfalls in Orlando befindet.

Immerhin: In den Disneys Parks in Kalifornien, Hongkong und Paris können sich Hulk und Co schon ab sofort tummeln, hier gibt es keine Lizenzprobleme. Ohnehin sind Kino und Vergnügungsparks für ein Unterhaltungskonglomerat wie Disney nicht alles. Lizenzeinnahmen von Spielzeug-Herstellern, etwa für Spiderman-Figuren, lohnen sich ebenfalls. Auch Fernsehprogramme versprechen Gewinne. So kann Disney auf seinem Kabelkanal, Disney XD, mehr Marvel-Cartoons senden, ohne dafür Gebühren berappen zu müssen.

Disney stemmt sich mit der Übernahme gegen den Sog der Krise. Das Unternehmen leidet stark unter der Rezession und dem Wandel der Sehgewohnheiten. Den Freizeitparks fehlen Besucher, und das einst enorm lukrative Geschäft mit DVDs ist rückläufig, weil Filme zunehmend aus dem Internet heruntergeladen werden. Dass Disney in der Lage ist, einen kleineren Konkurrenten einzugliedern, ohne dessen Eigenständigkeit und Kreativität zu zerstören, hat der Konzern mit der Übernahme des Animationsstudios Pixar vor drei Jahren bewiesen, das mit Filmen wie "Findet Nemo" und "Wall-E" Erfolge feierte. Wohl auch deshalb schloss sich Marvel-Chef Ike Perlmutter dem Schwärmen seines Disney-Kollegen Iger an: Die Marvel-Figuren hätten ein "perfektes Zuhause" gefunden, sagte er.

© SZ vom 02.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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