IWF: Nachfolge von Strauss-Kahn:Christine Lagarde setzt sich durch

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Das erste Mal in seiner Geschichte tritt eine Frau an die Spitze des Internationalen Währungsfonds. Der Verwaltungsrat des IWF hat sich jetzt offiziell für die Französin Christine Lagarde als Nachfolgerin von Dominique Strauss-Kahn entschieden. Ihre Wahl bestätigt ein ungeschriebenes Gesetz.

Nikolaus Piper, New York

Die Französin Christine Lagarde wird neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das IWF-Direktorium gab am Dienstagabend bekannt, dass Lagarde für den Posten ausgewählt worden sei und ihre fünfjährige Amtszeit am 5. Juli antreten wird.

Ist am Ziel: Christine Lagarde ist die Nachfolgerin des ehemaligen IWF-Präsidenten Dominique Strauss-Kahn. (Foto: AFP)

Zuvor hatte sich bereits die amerikanische Regierung für die 55-Jährige als neue IWF-Chefin ausgesprochen. Die USA haben in den Gremien des IWF einen Stimmanteil von 17 Prozent, die Europäer kommen in der Summe auf knapp 35 Prozent. Zuvor hatte sich die Volksrepublik China als eine weitere entscheidende Kraft hinter Lagarde gestellt.

"Frau Lagardes außerordentliches Talent und ihre breite Erfahrung werden sie zu einer unschätzbare Führungskraft für diese unverzichtbare Institution in einem kritischen Augenblick der Weltwirtschaft machen", erklärte US- Finanzminister Timothy Geithner. "Wir sind ermutigt durch die breite Unterstützung, die Lagarde unter den Mitgliedern des IWF erfahren hat, auch unter einigen Schwellenländern."

Gegenkandidat Lagardes war der Chef der mexikanischen Notenbank, Agustin Carstens. Geithner bescheinigte ihm ebenfalls eine starke und glaubwürdige Kandidatur. Carstens hatte seine Bewerbung vor allem mit seinen Erfahrungen als Ökonom begründet (Lagarde ist Juristin). Er konnte jedoch nur etwa zwölf Prozent der Stimmen sichern, darunter die von Mexiko, Australien, Kanada und einigen kleineren lateinamerikanischen Ländern.

Der einflussreiche Posten an der Spitze des IWF war im Mai frei geworden, nachdem der bisherige Amtsinhaber Dominique Strauss-Kahn wegen eines Strafverfahrens zurücktreten musste. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft dem französischen Politiker vor, in einem New Yorker Hotel ein Zimmermädchen sexuell genötigt zu haben.

Strauss-Kahns Verteidiger sprechen von einvernehmlichem Sex. Sie setzen ihre Hoffnungen nach neuen Informationen offenbar auf mögliche Kamerabilder aus dem Restaurant, in dem der Franzose nach der angeblichen Tat mit seiner Tochter speiste. Strauss-Kahn habe ruhig mit seiner Tochter Camille geplaudert und gelacht und keinerlei Anzeichen von Eile oder Erregung gezeigt, was nicht zu einer Vergewaltigung passe - so die Argumentation der Verteidiger.

IWF: Nachfolger von Strauss-Kahn
:Das Kandidaten-Karussell

Dominique Strauss-Kahn ist als IWF-Chef zurückgetreten - jetzt wird offen über einen Nachfolger spekuliert. Zum ersten Mal könnte ein Vertreter der Schwellenländer zum Zug kommen - oder eine Frau. In Bildern.

Strauss-Kahns Nachfolgerin Lagarde ist die erste Frau, die eine der großen internationalen Finanzorganisationen leitet. Mit der Wahl der Französin wird noch einmal das seit sechs Dekaden in Washington geltende ungeschriebene Gesetz bestätigt: Die Spitze des IWF muss immer von einem Europäer besetzt werden (von 2000 bis 2004 der Deutsche Horst Köhler), die Nummer zwei im Fonds dagegen hat ein Amerikaner zu sein.

Bis zum Rücktritt Strauss-Kahns war dies der Ökonom John Lipsky, der derzeit als amtierender Chef des Fonds agiert. Neuer zweiter Mann soll am 1. August der Ökonom und Berater von Präsident Barack Obama, David Lipton, werden. Auch der Präsident der Weltbank ist nach dieser Regel immer ein Amerikaner - derzeit hat das Amt der frühere US- Handelsbeauftragte Robert Zoellick inne.

Viele Entwicklungs- und Schwellenländer protestieren seit langem dagegen, dass sich Europa und die Vereinigten Staaten auf diese Weise die Macht teilen. Lagarde wird nach Übernahme ihres Amtes auf diese Stimmung Rücksicht nehmen müssen. Dass sich die Verhältnisse geändert haben, zeigte schon der Vorlauf des Wahlverfahrens in diesem Jahr.

Lagarde und Carstens führten einen regelrechten Wahlkampf gegeneinander in den Mitgliedsstaaten, was es in der Geschichte des IWF so noch nie gegeben hat. Dabei mussten die Kandidaten auch Wahlversprechen machen. Bei einem Besuch in Peking zum Beispiel sprach sich Lagarde für eine stärkere Rolle Chinas im IWF aus. Es sei "angemessen", wenn Zhu Min, ein ehemaligen führender Beamter der Bank von China eine herausgehobene Rolle beim Fonds bekommt, sagte die Politikerin.

Die Reformen zur Stärkung der Rolle der Schwellenländer in den internationalen Organisationen haben schon vor Jahren begonnen. Bei der Weltbank zum Beispiel hat die Volksrepublik China Deutschland in seiner Rolle als drittstärkste Volkswirtschaft abgelöst. Dieser Prozess wird sich jetzt beschleunigt fortsetzen.

Erste Priorität für Lagarde wird die Lösung der europäischen Schuldenkrise sein müssen. Der IWF ist tief in die Versuche zur Rettung des griechischen Staates vor dem Bankrott involviert. Bis jetzt gibt es noch keine langfristige Lösung für die Probleme Griechenlands.

Das größte Risiko für Lagarde kommt allerdings nicht aus Athen oder aus Washington, sondern aus ihrer Heimat Paris. Dort wird ihr vorgeworfen, als Ministerin mit dem umstrittenen Unternehmer Bernhard Tapie einen teuren Rechtsvergleich zu Lasten der Staatskasse getroffen zu haben. Das zuständige Gericht entscheidet am 8. Juli, ob es zu einem förmlichen Ermittlungsverfahren gegen Lagarde kommt.

© SZ vom 29.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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