EU-Urheberrecht:Upload-Filter sind eine Schnapsidee

Die Reform des Urheberrechts will das Richtige, aber tut das Falsche. Womöglich müssen Richter bald erneut die Grundrechte der Bürger vor Politikern schützen.

Kommentar von Simon Hurtz

Wenn Europapolitiker das Netz regulieren wollen, geht das oft schrecklich schief. Einige Richtlinien, wie die Vorratsdatenspeicherung, werden später von Gerichten einkassiert, weil sie gegen Grundrechte verstoßen. Andere bringen schon im Vorfeld so viele Menschen auf die Barrikaden, dass sie im letzten Moment doch noch gestoppt werden, etwa das Anti-Piraterie-Abkommen Acta. Und dann gibt es noch eine dritte Kategorie: gut gemeint, aber schlecht gemacht. Dazu zählt die Reform des Urheberrechts, die der Rechtsausschuss des Europaparlaments heute gebilligt hat.

Dabei stimmt: Einheitliche Standards für ganz Europa sind sinnvoll. Eine faire Vergütung für Urheber ist wichtig. Aber die neue Richtlinie ist dafür das falsche Mittel. Sie schießt weit über das Ziel hinaus und gefährdet das freie Netz.

Problematisch sind zwei Passagen: Artikel 11 will erreichen, dass Suchmaschinen wie Google Verlage an ihren Einnahmen beteiligen, wenn sie deren Artikel verlinken und dafür auf Überschriften und Textausschnitte zugreifen. Ein ähnliches Gesetz gibt es seit 2013 in Deutschland. Es ist grandios gescheitert, die Prozesskosten übersteigen die Einnahmen um ein Vielfaches.

In Spanien, wo die Verleger-Lobby ein ähnliches Gesetz erstritten hat, waren die Auswirkungen noch drastischer. Dort stellte Google seinen Dienst Google News einfach ein. Medien erhalten nicht nur kein Geld, sie verlieren auch noch Leser. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass eine Regelung, die auf nationaler Ebene floppt, auf europäischer Ebene funktioniert.

Kritiker warnen vor Artikel 13 - zu Recht

Noch größeren Schaden könnte der Artikel 13 anrichten. Demnach sollen Online-Plattformen wie Youtube haften, wenn Nutzer Inhalte hochladen, die das Urheberrecht verletzen - und zwar nicht erst, wenn sie die Rechteinhaber darauf hinweisen, sondern bereits im Moment des Uploads. Im Klartext heißt das: Private Unternehmen müssen alle Inhalte vorab filtern, sonst riskieren sie Strafen. Europäische Politiker übertragen amerikanischen Konzernen die Entscheidung, welche Inhalte online gehen dürfen.

Die Front gegen diesen Artikel ist breit: Mehr als 70 Internet-Pioniere um Tim Berners-Lee und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales warnen in einem offenen Brief vor "automatisierter Überwachung und Kontrolle", ein breites Bündnis aus Bürgerrechtlern und Branchenverbänden stimmt ein, und Fachpolitiker wie Julia Reda (Piraten) sprechen von "Zensurmaschinen".

Der EuGH muss die Grundrechte der Bürger schützen

Für Plattformen wie Youtube ist es aber schlicht unmöglich, Hunderte Millionen Videos manuell zu sichten. Dementsprechend müssten die Unternehmen Software einsetzen, die automatisch prüft und löscht. Existierende Filtersysteme wie Youtubes Content-ID, das Urheberrechtsverletzungen bei Musikaufnahmen erkennen soll, machen immer wieder Fehler und zensieren legale Inhalte. Um den Anforderungen von Artikel 13 gerecht zu werden, wäre noch viel weitreichendere Filterung nötig - und Fehlentscheidungen damit programmiert.

Auch der EuGH hat bereits zweimal entschieden, dass Vorabfilterung gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verstößt und einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Falls das Parlament der Vorlage des Rechtsausschusses zustimmt, könnte es sein, dass die Richter bald erneut die Grundrechte der Bürger vor Politikern schützen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: