Musik-Streaming:Beyoncé soll Musikfans von Spotify weglocken

Beyoncé

Beyoncé ist Teilhaberin des Streamingdienstes Tidal.

(Foto: dpa)

"Lemonade", das neue Album von Beyoncé, gibt es vorerst nur bei Tidal. Diese Exklusivität wird das Musik-Streaming verändern.

Analyse von Sara Weber

Lange haben Beyoncé-Fans auf ihr neues Album gewartet, im Netz wurden gar Verschwörungstheorien rund um den Erscheinungstermin gesponnen. Seit Samstagnacht ist es da, es heißt "Lemonade", wurde mit einem einstündigen Film beim Bezahlsender HBO vorgestellt und ist noch größer als alles, was die Fans erwartet hatten. Doch wer es hören (oder sehen) will, kann nicht zu irgendeinem Streaming- oder Musikdienst gehen. Wer Beyoncé will, muss zu Tidal.

Die Strategie des Streamingdienstes könnte den gesamten Markt verändern. Denn Beyoncé ist nicht die einzige Künstlerin, die ihre Musik - vor dem Album auch schon die Single "Formation", mit der sie beim Super Bowl auftrat - nur Tidal-Abonnenten zur Verfügung stellt. Der gesamte Musikkatalog von Prince ist nur auf Tidal, nirgendwo sonst. Kanye Wests Album "The Life of Pablo" war sechs Wochen lang exklusiv dort zu hören (er tönte ursprünglich, er würde es niemals woanders veröffentlichen und wird dafür gerade verklagt), Rihannas Album "ANTI" eine Woche lang. Ob Beyoncé ihr Album auch irgendwo anders veröffentlichen wird oder ob es tatsächlich für immer Tidal-exklusiv bleibt, ist noch unklar. Zuzutrauen wäre es ihr (Gerüchte, dass das Album in der Nacht zu Montag auch auf iTunes zu kaufen sei - ohne die Möglichkeit, es zu streamen -, hatten sich Vormittag nicht bestätigt).

Kurz nach Start: kritisiert und totgesagt

Tidal gehört dem Rapper Jay Z und 19 weiteren Künstlern, darunter auch Beyoncé, Kanye West und Rihanna. Entstanden ist Tidal aus dem Streamingdienst WiMP, der etwa 500 000 Nutzer hatte, als Jay Z ihn 2015 für etwa 56 Millionen US-Dollar kaufte.

Zunächst sah es so aus, als ob der Dienst ein kompletter Reinfall werden würde: Indie-Musiker kritisierten, dass unter den Tidal-Mitinhabern nur Künstler seien, die ohnehin genug Geld machten. Ben Gibbard, Sänger von "Death Cab for Cutie" prognostizierte in einem Interview, Tidal werde "kläglich scheitern". Die Download-Zahlen der App waren katastrophal. Jay Z selbst vergaß (oder verdrängte?) zwischenzeitlich, dass ihm der Dienst gehört. Nur wenige Wochen nach dem Start wurde Tidal von Kritikern totgesagt.

Dank Exklusivität: Trendwende und neue Abonnenten

Das ändert sich nun. Nachdem Rihanna ihr Album auf Tidal veröffentlicht hatte, meldeten sich innerhalb weniger Stunden eine Million Nutzer für ein Probe-Abo an. Seit dem Start vor einem Jahr hat Tidal etwa 2,5 Millionen neue Abonnenten gewonnen.

Tidal verfährt nach dem Prinzip, das schon Netflix zum Erfolg gebracht hat: Wer die eigenproduzierten Serien House of Cards oder Daredevil sehen will, muss ein Netflix-Abo abschließen. Die Konkurrenz hat ähnliche Modelle: Transparent und Mozart in the Jungle? Gibt es nur bei Amazon Prime. Vinyl und Game of Thrones? Gibt es nur bei HBO - oder in Deutschland bei Sky.

Sicherlich: Wer bei einem Künstler nur mal reinhören will, der schließt nicht gleich ein Streamingdienst-Abo ab. "The Life of Pablo" wurde rekordverdächtig häufig illegal heruntergeladen: mehr als eine halbe Million mal innerhalb des ersten Tages nach Erscheinen.

Der Zwerg mischt die gesamte Branche auf

Tidal ist bisher mit drei Millionen zahlenden Abonnenten der Zwerg im Markt: Spotify hat mehr als 30 Millionen Nutzer, Apple Music elf Millionen. Doch Beyoncé könnte den Dienst endgültig zum Mainstream-Musikanbieter machen. Ihr letztes Studioalbum von 2013 war das sich am schnellsten verkaufende Album in der Geschichte des iTunes-Stores. Und ihre Fans sind durchaus bereit, Geld für sie auszugeben. Zum Beispiel für Tour-Tickets, die es auf Tidal schon vor dem Start des regulären Vorverkaufs gab.

Wenn es der Dienst geschickt anstellt, könnte er noch mehr Künstler für exklusive Deals an Bord holen. Anbieten würde sich etwa Adele, die ihr neuestes Album nicht beim Marktführer Spotify eigestellt hat. Adeles "25" gibt es nirgendwo als Stream. Das hat vor allem finanzielle Gründe: Die Streamingeinnahmen sind zu gering. Doch Tidal wirbt damit, im Vergleich zu Spotify einen bis zu viermal größeren Anteil pro Stream an die Künstler auszuschütten.

Funktioniert Musik-Streaming bald wie Netflix?

Auch Apple Music hat gemerkt, dass sich Exklusivität auszahlen kann: Taylor Swift kritisierte medienwirksam die kostenfreie Probephase des Dienstes, in der auch die Künstler nicht bezahlt werden sollten. Kurz danach war ihr Erfolgsalbum "1989" bei keinem Streamingdienst außer Apple Music, heute macht Swift sogar Werbung für den Dienst. Und Drake ("Hotline Bling") wird sein neues Album "View from the 6", das am 29. April erscheint, für eine Woche exklusiv auf Apple Music streamen lassen und es erst dann zum Kauf anbieten.

Spätestens, wenn die Zahl der Künstler, die exklusive Inhalte anbieten, steigt - und damit die Zahl der Abonnenten - muss sich auch Spotify mit der Idee der Exklusivität beschäftigen. Es wird darum gehen, wer die meisten Stars in seinem Portfolio versammeln kann. Einen umfassenden Katalog an Musik für zehn Euro pro Monat bei einem einzelnen Anbieter dürfte es dann nicht mehr geben.

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