Hasskommentare auf Facebook:Dialog mit den Rassisten

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Facebook will Rassismus nicht einfach löschen. Man müsse auch unangenehme Meinungen aushalten. (Foto: dpa)

Justizminister Heiko Maas will, dass Facebook härter gegen rechtsextreme Hetze vorgeht. Das Unternehmen kündigt zwar Maßnahmen an - propagiert aber das Motto: Gegenrede vor Zensur.

Von Simon Hurtz, München

Facebook versteht sich als soziales Netzwerk: "Unser Ziel ist es, die Welt zu vernetzen", heißt es in den sogenannten Gemeinschaftsstandards. Für Teile der deutschen Öffentlichkeit fehlt da ein Buchstabe: "Das asoziale Netzwerk" titelte die Berliner B.Z. kürzlich. "Liebes Facebook, sind Rassisten für dich Freunde?", fragten die Grünen. Und am Montagnachmittag traf sich Justizminister Heiko Maas mit Vertretern von Facebook.

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Der Justizminister fordert, dass das soziale Netzwerk strenger gegen rassistische Einträge vorgehen soll. Jetzt wollen beide Seiten miteinander reden.

Das Ergebnis dieser Gespräche: Das Justizministerium wird eine Arbeitsgruppe (Task-Force) einrichten, die auch aus Vertretern von Internetanbietern, sozialen Netzwerken und zivilgesellschaftlichen Organisationen bestehen soll. Diese Task-Force soll herausfinden, wie man mit den Hassbotschaften umgehen soll. Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen. "Das Ziel ist es, strafbare Aussagen schneller und umfassender zu identifizieren und aus dem Netz zu entfernen", sagte Maas am Montagabend in Berlin. Facebook habe sich dazu bereit erklärt, die Arbeit von existierenden Internet-Beschwerdestellen durch einen "signifikanten finanziellen Beitrag" zu unterstützen und auf deren Hinweise schneller als bisher zu reagieren. "Es geht nicht nur um Facebook sondern auch um andere soziale Netzwerke", sagte Maas. Darum könne nur die Regierung alle Beteiligten in die Verantwortung nehmen. Wie viel Personal und wie viel Geld für diese Task-Force zur Verfügung stehen wird, konnte Maas noch nicht sagen. Das Ziel sei aber, dass strafbare Beiträge im Internet in Zukunft auch häufiger Gegenstand von strafrechtlichen Ermittlungen seien.

Wer derzeit die Diskussionen unter Beiträgen über Flüchtlinge liest, stößt auf verstörende Fremdenfeindlichkeit und Menschenverachtung. Als Spiegel der Gesellschaft war Facebook noch nie frei von Rassismus, doch parallel mit den steigenden Flüchtlingszahlen hat die Hetze eine neue Dimension erreicht. Spätestens seit dem 21. Juli 2015 nimmt eine breite Öffentlichkeit Notiz davon.

An diesem Tag schrieb ein 17-jähriger Österreicher sieben Worte, die sein Leben verändern und eine heftige Debatte auslösen sollten: "Flammenwerfer währe da die bessere lösung gewesen". Er hinterließ diesen Satz unter dem Foto eines strahlenden syrischen Mädchens, das sich an einem heißen Sommertag unter der Wasserdusche der Freiwilligen Feuerwehr erfrischte. Ein anderer Nutzer sah den Kommentar, identifizierte den 17-Jährigen über dessen Facebook-Profil als Porsche-Lehrling und informierte den Arbeitgeber. Porsche reagierte sofort und kündigte dem Kfz-Azubi gleich am nächsten Morgen fristlos.

Kündigungen und Strafanzeigen

Ähnliche Fälle gab es seitdem zu Dutzenden. "Irgendwann wird es eh so kommen dass man hinz und kunz aufnehmen muss", kommentierte eine Mitarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt Thüringen und kündigte an: "Dank meiner medizinischen Ausbildung wird bei mir keiner überleben." Kurz darauf war sie ihren Job los. Das gleiche Schicksal ereilte einen Hermes-Angestellten, der das Foto des ertrunkenen Aylan Kurdi mit folgenden Worten teilte: "Wir trauern nicht sondern wir feiern es." Beide Hetzer kassierten nicht nur die Kündigung, sondern auch eine Strafanzeige. Gegen den 26-jährigen Berliner laufen Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Verdachts auf Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener.

Solche schlagzeilenträchtigen Kündigungen sind nur die Spitze des Eisbergs. Das Blog "Perlen aus Freital" sammelt täglich neue Hassbotschaften, und etliche Nutzer zeigen besonders hetzerische Kommentatoren an oder setzen den Arbeitgeber in Kenntnis. Eigentlich verspricht Facebook, dass "sämtliche Hassbotschaften", die Personen "aufgrund von Rasse, Ethnizität, nationaler Herkunft" angreifen, sofort entfernt würden - doch das sei ein leeres Versprechen, so der Vorwurf vieler Nutzer. Viel zu oft laute die Antwort: "Wir haben den von dir gemeldeten Beitrag geprüft und festgestellt, dass er nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt."

"Die Lösung kann nicht sein, dass man Menschen das Sprachrohr nimmt"

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Die deutsche Facebook-Sprecherin Tina Kulow sagt, das Thema sei "mir und meinen Kollegen sehr wichtig". Facebook wisse um seine gesellschaftliche Verantwortung. Hunderte Mitarbeiter in Irland, Indien und Amerika prüften mehrere Millionen Kommentare pro Woche. Das seien "genug Leute, um die Reports aus Deutschland relativ zeitnah zu bearbeiten". Aber man müsse auch unbequeme Meinungen aushalten. Hassrede, Aufruf zur Gewalt oder Gewaltverherrlichung würden jedoch umgehend gelöscht.

Als amerikanisches Unternehmen legt Facebook gewöhnungsbedürftige Maßstäbe an: Jede nackte Brust wird unverzüglich zensiert, Hetzparolen werden dagegen oft als freie Meinung gewertet. Zwar geben sich Unternehmensvertreter in Hintergrundgesprächen selbstkritisch und geben zu, Fehler gemacht zu haben, doch am grundlegenden Kurs wolle man festhalten.

"Die Lösung kann nicht sein, dass man Menschen das Sprachrohr nimmt", sagt eine Sprecherin. Statt Zensur zu fordern sollten die Nutzer Counter Speech betreiben. Also Dialog und Argumente statt Löschen - auch bei Menschen, die "alle diese Sozialschmarotzer ins Gas schicken" wollen. Nach Facebooks Logik sind solche Kommentare keine "glaubwürdige körperliche Bedrohung" gegen einzelne Personen.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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