Wirtshäuser in Bayern:Speisen im Denkmal

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Holzvertäfelung, die das Fresko am Isartor abbildet: eine Hommage an das Rittertum im Gasthaus Tattenbach in München. (Foto: Volk Verlag)

In Oberbayern gibt es 1000 Gaststätten in schützenswerten Gebäuden. Die Hälfte davon steht leer. Ein neues Buch präsentiert nun 51 Wirtschaften, in denen die Geschichte noch lebendig ist.

Von Hans Kratzer, München

Ohne seine Wirtshäuser wäre das Land Bayern seiner Seele und seiner Gemütlichkeit weitgehend beraubt. Insofern ist es beruhigend, dass immer noch mehr als 4000 Gasthäuser als schützenswerte Gebäude in der bayerischen Denkmalliste verzeichnet sind, davon stehen knapp 1000 in Oberbayern.

Dennoch besteht Anlass zur Sorge: Gut die Hälfte dieser Wirtshäuser ist stillgelegt, und vom Rest wurden viele derart brutal modernisiert, dass vom historischen Kern der Häuser oft nur noch die Fassade steht.

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Umso schützenswerter sind jene Gasthäuser, die sich noch durch die Originalität ihrer Gaststuben auszeichnen. Welch außergewöhnliche Akzente sie als Zeugnisse einer in Jahrhunderten gewachsenen Wirtshauskultur setzen, zeigt der neue Band der Buchreihe "Genuss mit Geschichte", den der Volk Verlag soeben in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege herausgegeben hat. Diesmal liegt der Fokus auf Oberbayern.

Am Beispiel von 51 Objekten beschreiben Historiker und Denkmalexperten, was die Einzigartigkeit von denkmalgeschützten Gasträumen ausmacht. Etwa, dass hier nachträglich nicht Fliesen- oder PVC-Böden verlegt wurden. In allzu vielen Gasthäusern wurden die alten Dielenholz- und Parkettboden herausgerissen - "und das, obwohl gerade das Holz jene Wärme verströmt, die Grundvoraussetzung für das Wohlbefinden der Gäste ist".

Das sagt der Historiker Karl Gattinger, der im Begleittext für diesen Band die historische Entwicklung der oberbayerischen Wirtshauskultur beschreibt. Zu jedem Wirtshaus gibt es Erläuterungen über ihre Besonderheiten.

Halb- oder raumhohen Wandvertäfelungen mit umlaufender Sitzbank sind bei vielen so unverzichtbar wie all die handwerklichen Ausstattungsdetails von der Lampe bis zur Wanduhr. Entscheidend ist freilich - auch bei der Auswahl der Objekte für das Buch - dass es sich um die für das jeweilige Gasthaus angefertigte Originalausstattung handelt.

Blick in die 1905 im Heimatstil errichtete Traditionsgaststätte Fischküche in Rosenheim. (Foto: Volk Verlag)

Wie Gattinger ausführt, unterschieden sich die frühesten Gasthäuser kaum vom herkömmlichen Wohn- oder Bauernhaus. Die Tafernen auf dem Land folgten dem Typus des Einfirsthofs, in dem Gaststube, Küche, Wirtsstube und Stall unter einem Dach waren. Die älteste Bausubstanz unter den im Buch vorgestellten Gasthäusern weisen, im 16. Jahrhundert errichtet, der ehemalige Gasthof Adler (heute zum Luitpold) in Leeder (Kreis Landsberg/Lech) und der Alte Wirt in Obermenzing auf.

Die Gasthäuser in der Stadt waren in der Regel im Erdgeschoss eines Bürgerhauses untergebracht und nur durch die Aufschrift auf der Fassade kenntlich gemacht. Der Daniel in Ingolstadt und der Pfaubräu in Trostberg lassen noch die Urform eines mittelalterlichen Gasthofs erahnen.

Gasthäuser, die innerhalb des Ortsbildes einem Repräsentationsanspruch verpflichtet waren, erhielten eine entsprechende Akzentuierung durch Ecktürme und Fassadenerker. Ein schönes Beispiel liefert der im 17. Jahrhundert durch das Benediktinerkloster Seeon errichtete Gasthof Alter Wirt im gleichnamigen Dorf.

Die Barockzeit bedeutete für die Gasthäuser einen baukünstlerischen Höhepunkt. Zahlreiche Tafernen und Gasthöfe erhielten jenes prächtige Gewand, das bis heute als Inbegriff des Gasthauses in Oberbayern verstanden wird. Beliebt waren aufgemalte oder aufstuckierte Fassadenornamente.

Freisitz des Klosterstüberls Baumburg in Altenmarkt. (Foto: Volk Verlag)

Ein bemerkenswertes Beispiel ist der 1755 mit Darstellungen der Heiligen Sebastian und Florian sowie der Heiligen Drei Könige bemalte Brandlwirt in Hemhof, die szenenreich inszenierte Fassade des Gasthofs Alpenrose in Mittenwald und der im Jahr 1801 im biedermeierlichen Klassizismus bemalte Husar in Garmisch.

Eine im 19. Jahrhundert aufkommende Sonderform des Gasthauses ist die Ausflugsgaststätte, eine Weiterentwicklung der Bierkeller. Das idyllisch am Isarkanal gelegene Gasthaus zur Mühle in Straßlach ist mit großem Gastgarten unter altem Baumbestand ein Paradetypus dieser beliebten Ausflugsgaststätten.

Zum Aushängeschild der Münchner Gastronomie entwickelte sich der Bierpalast. Als Erfinder dieses Bautyps gilt Gabriel von Seidl, der die bierselige Stimmung der Prinzregentenzeit in Architektur umsetzte. Von den damals in München entstandenen Bierpalästen hat nur einer den Krieg unbeschadet überstanden: der Augustiner-Bräu an der Neuhauser Straße, der, seit seiner Eröffnung im Jahr 1898 nahezu unverändert jene Atmosphäre spüren lässt, die laut Gattinger für das damalige Selbstverständnis der Stadt so bezeichnend war und bis heute so gerne gepflegt wird: der Versuch, Gemüt und Großstadt zu verbinden.

Genuss mit Geschichte. Einkehr in Denkmälern - Gasthäuser in Oberbayern, Volk Verlag, 19,90 Euro.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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