Queen-Besuch vor 50 Jahren:Weiß-blauer Trotz

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Beim Besuch der Queen in München vor 50 Jahren präsentiert Ministerpräsident Goppel sein Bayern. Zum Entsetzen der Aufpasser aus Bonn.

Von Hans Kratzer, München

Wenn Queen Elizabeth II., 89, und ihr Gemahl Prinz Philip, 94, nach Deutschland kommen, haben die Bayern das Nachsehen. Denn ein Abstecher nach Bayern ist freilich nicht vorgesehen, im Gegensatz zur legendären Deutschlandreise der Queen vor 50 Jahren, als sie 14 Stunden in München weilte und in den Straßen der Landeshauptstadt wahre Volksfeststimmung herrschte.

"Die Herzen des bayerischen Volkes schlagen Eurer Majestät entgegen!", rief Ministerpräsident Alfons Goppel damals der ganz in Weiß gekleideten Königin zu, die am 21. Mai 1965 bei eher kühlem Frühlingswetter mit einem Sonderzug am Hauptbahnhof eingetroffen war. Hunderttausende säumten die Straßen und bereiteten der freundlich lächelnden und jugendlich wirkenden Queen bei ihrer Fahrt im offenen Wagen frenetische Ovationen. Schon vor dem Bahnhof "brach ein kaum temperierter Sturm der Begeisterung los", berichtete damals die SZ.

Zwischen Goppel und Lübke flogen die Fetzen

Die Queen tourte in jenem Mai 1965 elf Tage lang durch zahlreiche deutsche Städte und begeisterte mit ihrer Ausstrahlung viele Millionen Menschen. "E-li-za-beth, E-li-za-beth", schallte es ihr überall entgegen. 20 Jahre nach dem Kriegsende galt der Besuch nicht zuletzt als Zeichen der Versöhnung mit Großbritannien.

Im politischen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland bedeutete dieser Besuch indessen mehr als nur ein herausragendes gesellschaftliches Ereignis. Letztlich entwickelte sich daraus sogar ein vom Freistaat Bayern provozierter Belastungstest für das föderale System der Bundesrepublik.

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Zwischen dem Bundespräsidenten Heinrich Lübke und dem bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel flogen alsbald die Fetzen, weil die Bayern sich letztlich allen von oben erlassenen Anordnungen zum Besuch der Queen in München widersetzten. Sie gestalteten den Besuch weitgehend nach ihrem eigenen Willen. Wie schon drei Jahre vorher beim Besuch des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle reizte die Staatsregierung abermals alle Möglichkeiten aus, um vor der Weltöffentlichkeit ihr ausgeprägtes weiß-blaues Staatsbewusstsein zu zelebrieren und mithilfe von Zeremoniell und Symbolik souveräne Staatlichkeit zu beweisen.

Die Bayernhymne als Provokation für die Bundesregierung

Schon nach der Einfahrt des Sonderzuges in den Münchner Hauptbahnhof wurde das Protokoll umgeworfen. Zwar intonierte der Musikzug der Bayerischen Bereitschaftspolizei die britische und die deutsche Nationalhymne. Danach aber erklang die bayerische Landeshymne. Dies bedeutete für die Bundesregierung eine Provokation. Die Bayern wollten mit diesem Schritt die sich verstärkende Neigung des Bundes, die Kompetenzen der Länder zu beschneiden, wirksam unterlaufen.

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Bootsfahrt auf der Spree, Plausch mit der Kanzlerin, dazwischen winken, winken, winken und am Abend ein Staatsbankett mit politischer Botschaft: Das Programm für den Berlin-Besuch von Queen Elizabeth ist straff. Impressionen vom ersten Tag.

Trotz der Aufpasser des Auswärtigen Amtes boten sie bei dem 14-stündigen Aufenthalt der Queen in München alles auf, was der Fundus bayerischer Traditionen und Staatssymbolik hergab, von der Blasmusik über die Trachtler bis zu den Porzellanlöwen. Goppels Vorgänger waren da noch viel bescheidener aufgetreten. Sie konnten sich das üppige Repräsentieren schon finanziell gar nicht leisten. Der Landesvater Goppel aber ließ sich nicht lumpen und lenkte auf diese Weise den Glanz und die mediale Wirkung seiner Staatsgäste geschickt auch auf seine Person.

Das Abspielen der Bayernhymne hatte den Unmut schon vor dem Queen-Besuch derart erregt, dass Bonn verfassungsrechtlich prüfen ließ, ob Bayern berechtigt sei, bei Empfängen die bayerische Hymne zu spielen. Laut Gutachten hätte Bayern alles unterlassen müssen, was den Eindruck erwecken könnte, der Staatsbesuch gelte auch dem Freistaat Bayern als solchem.

Als Lübke Goppel aufforderte, auf die Landeshymne zu verzichten, hielt ihm dieser entgegen, diese habe in Bayern bereits Tradition gehabt, als es die Bundesrepublik noch gar nicht gegeben habe. Wegen dieses Trotzes riskierte Goppel ein Verfahren wegen separatistischer Machenschaften. Doch er stand die Krise durch. Letztlich stärkte der Queen-Besuch nicht nur den Freistaat, sondern auch die Popularität des Ministerpräsidenten Goppel.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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