Politischer Aschermittwoch der CSU:Seehofer versprüht einen Hauch von Leidenschaft

Lesezeit: 3 min

In ihrer durchgestylten Halle bemüht sich die CSU um einen mitreißenden Wahlkampfauftakt. Die Bilanz ist aber eher durchwachsen.

Von Wolfgang Wittl, Passau

Das Fleisch gewordene Stimmungsbarometer der CSU steht an diesem Aschermittwoch nicht auf der Bühne, es schreit nicht ins Mikrofon und winkt nicht in die Menge, sondern es trägt ein Schild wie eine Monstranz vor sich her. Seit vielen Jahren kommt Andreas Spreng nach Passau, er hat Franz Josef Strauß erlebt, inzwischen gilt seine Liebe dem einstigen CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg.

Offenbar hat der Mann aus Nassenfels bei Eichstätt aber generell etwas übrig für politisch bedrohte Existenzen, denn diesmal wirbt er ausdrücklich auch für die Bundeskanzlerin: "Angela und KT - die Spitze an der Spree", steht auf seinem Schild.

Politischer Aschermittwoch
:"Gebt mir eure Hausschlüssel"

CSU-Chef Seehofer wirbt beim politischen Aschermittwoch um das Vertrauen der Wähler. Neben innenpolitischen Themen spielt bei den Parteien auch Donald Trump eine Rolle.

Der Aschermittwoch-Routinier Spreng hat ein gutes Gespür. Kein Thema ist in der CSU sensibler als die Frage, wie motiviert die Partei mit der Kanzlerkandidatin Angela Merkel in den Bundestagswahlkampf zieht. Vier Redner sprechen vor Horst Seehofer, kein einziger nimmt Merkels Namen in den Mund.

Das bleibt dem Chef vorbehalten, doch auch Seehofer erwähnt die Kanzlerin nur kurz: das erste Mal, dass Deutschland nach zwölf Jahren Merkel wirtschaftlich so gut dastehe wie nie. Dann noch kurz vor Schluss seiner Rede, als es darum geht, wer das Land angesichts der weltweit großen Herausforderungen zu führen vermag. "Ich kenne niemanden außer Angela Merkel", ruft Seehofer. Obwohl sich in den Applaus auch Buh- und Pfui-Rufe mischen, zeigt sich die Regie später zufrieden mit der Reaktion. Tenor: Es hätte schlimmer kommen können.

Merkel, die CSU und die Geschlossenheit - das dürfte also dauern. Klar erkennbar ist am Jubel hingegen, was die CSU-Basis noch weniger wünscht: weder einen Kanzler Martin Schulz, noch eine Koalition mit den Grünen. Letztere attackiert der CSU-Vorsitzende sogar für Aschermittwoch-Verhältnisse ungewöhnlich hart.

Die Grünen seien "das wahre Sicherheitsrisiko in diesem Land", schimpft Seehofer. Die Kritik der Grünen-Chefin Simone Peter am Silvester-Einsatz der Polizei in Köln bezeichnet er als "Gipfel der Schäbigkeit". Und über den SPD-Kanzlerkandidaten sagt er: Wenn der - wie beim Arbeitslosengeld - öfter mit falschen Zahlen arbeite, heiße er bald "nicht mehr Martin Schulz, sondern Martin, der Schummler".

Knapp eine Stunde spricht Seehofer, fast doppelt so lange wie beim letzten Auftritt vor zwei Jahren. Obwohl seine Stimme früh brüchig ist und sich stellenweise gar überschlägt, legt er eine Leidenschaft an den Tag, wie er sie beim Aschermittwoch selten gezeigt hat. Auch eine versteckte Kampfansage an Merkel sendet er, trotz des Bemühens um Harmonie in der Union. Er gebe die Garantie, sagt Seehofer, dass er alles durchsetzen werde, was er versprochen habe - auch die Obergrenze. Über allem stehe die Botschaft: "Bayern zuerst."

Die Angriffe auf Schulz überlässt Seehofer weitgehend seinen Ko-Rednern. In der Partei wurde bereits über eine Castingshow gespöttelt, so viele durften diesmal auf die Bühne. Seine Chance am wenigsten nutzt ausgerechnet derjenige, der neben Markus Söder als aussichtsreichster Kandidat für den CSU-Vorsitz gehandelt wird, sollte Seehofer nicht weitermachen.

Politischer Aschermittwoch
:Reimende Freie Wähler und humorvolle Rechtspopulisten

Nur nur SPD und CSU nutzen den Politischen Aschermittwoch, um übereinander herzuziehen. Auch die kleinen Parteien lästern mit.

Joachim Herrmann, der Innenminister, ähnelt als Redner einer Schachtel Pralinen im Film "Forrest Gump" - man weiß nie, was man kriegt: entweder ein detailliertes Proseminar zur inneren Sicherheit oder ein stürmisches Wort-Gewitter, das auch ohne Mikrofone noch in der letzten Reihe zu verstehen ist. In Passau ist es eine Mischung aus allem: (zu) viel Inhalt, zu schnell und zu laut vorgetragen. Herrmann überzeuge eben durch Kompetenz, sagen seine Unterstützer, Polemik könne jeder.

Parteivize Manfred Weber weiß offenbar besser, was das Publikum am Aschermittwoch hören will. Er lästert über Schulz und die SPD, die "mehr Hoffnungsträger als Parteimitglieder" habe. Er erinnert an die Wahlen 2013 und die ebenfalls gut gestarteten SPD-Kandidaten Ude und Steinbrück, die sich heute im politischen Ruhestand befänden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt skizziert ein rot-rot-grünes Schattenkabinett mit der SPD als "Steigbügelhalter der Kommunisten": Sahra Wagenknecht als Finanzministerin, Toni Hofreiter als Verkehrsminister - Claudia Roth als Verteidigungsministerin, giftet Dobrindt, wäre "wenigstens ein klares Mittel der Abschreckung".

Die Aschermittwoch-Bilanz von Andreas Spreng fällt durchwachsen aus: Einige hielten Merkel für gut verzichtbar, andere auf gar keinen Fall. Und dann ist da noch ein weiteres Schild, es beschäftigt sich mit der Zukunft der CSU: "Nach H. Seehofer M. Söder!!!" Er könne nur sagen, wie stolz er auf die vielen Politiker sei, die in der CSU "eines Tages Verantwortung übernehmen können. Ich betone: eines Tages", sagt Seehofer, ehe er jeden seiner Mitredner auf offener Bühne umarmt. Söder erwähnt er kein einziges Mal.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Politischer Aschermittwoch der SPD
:"Schulle" euphorisiert das Bierzelt

Beim politischen Aschermittwoch in Niederbayern gelingt es dem SPD-Kanzlerkandidaten auf verblüffende Weise, die Zuhörer mitzureißen. Was ist nur mit der SPD und ihren Anhängern passiert?

Von Oliver Das Gupta

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: