Parteitag der Bayern-SPD:Haltet den Dieb!

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Zwei Spitzenkandidaten, zwei Welten: Kanzlerkandidat, Peer Steinbrück und der SPD-Kandidat für das Ministerpräsidentenamt in Bayern, Christian Ude (Foto: dpa)

Der bayerischen SPD fällt kein Mittel gegen den wendigen CSU-Chef Horst Seehofer ein. In München attackieren Peer Steinbrück und Christian Ude deshalb den Ministerpräsidenten, der ihnen die Themen klaut. Dem SPD-Kanzlerkandidaten gelingt es, mit einer furiosen Rede den Genossen Hoffnung zu machen. Der bayerische Spitzenkandidat dagegen scheint immer noch nicht richtig im Wahlkampf angekommen zu sein.

Von Sebastian Gierke

Nur ein paar hundert Meter wären es bis in die dunkle, klimatisierte Halle unter der Erde, in der die CSU am Freitag ihren Parteitag abgehalten hat. Einmal durch den sommerlichen Olympiapark in München. Doch tatsächlich liegen Welten zwischen dieser Halle und dem "Schloss", einem Kabarett- und Kleinkunstzelt, in dem die Bayern-SPD an diesem Samstag ihren kleinen Parteitag veranstaltet.

Die Veranstaltung der CSU war emotionslos, einschläfernd, kühl, glatt. Horst Seehofers Rede hatte keinen Höhepunkt. Der Ministerpräsident wollte das genauso. Denn die Umfragen sind gut. Ein Thema, das der CSU gefährlich werden könnte: nicht in Sicht. Warum also kämpfen? Warum schwitzen? Das wäre doch wenig souverän, würde möglicherweise gar ernsthafte Besorgnis signalisieren.

Anders die bayerische SPD. Die steckt im Umfrageloch. Tendenz fallend. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lästert schon, dass die Sozialdemokraten aufpassen müssten, nicht noch von den Grünen überholt zu werden. Das sei wahrscheinlicher, als dass Ude der nächste bayerische Ministerpräsident wird. In dieser Situation muss die SPD kämpfen. Muss überraschen. Muss schwitzen. Zumindest letzteres war an diesem sommerlichen Tag kein Problem im heißen Zelt.

Die Ausgangsposition, mit der die Sozialdemokraten in die letzten Wochen des Wahlkampfes gehen, ist also schwierig. Die Punkte im "Regierungsprogramm", das auf den Tischen ausliegt und das einstimmig angenommen wird, ähneln zudem sehr dem Wahlprogramm der CSU. Es geht um wirtschaftliches Wachstum, bessere Kinderbetreuung, Bildungschancen für alle.

Einen Vorwurf kann man den Sozialdemokraten deshalb kaum machen. Abgeschrieben haben eher die anderen. Einfacher wird es deshalb aber nicht, den Gegner thematisch zu stellen. Versuchen werden sie es trotzdem bis zur Landtagswahl am 15. September. Immer wieder. An diesem Samstag spielen SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und der bayerische Spitzenkandidat Christian Ude: Haltet den Dieb!

"Das darf uns aber nicht nervös machen"

"Ich kenne die Umfragewerte", so beginnt Steinbrück seine Rede. "Das darf uns aber nicht nervös machen." Die Umfragen seien schlicht "nur eine Wasserstandsmeldung". Am Ende würden die Menschen die SPD wählen. Weil sie das bessere Angebot, die besseren Antworten habe.

Steinbrück weiß: Die Genossen hier müssen aufgebaut werden. Sie sind für die kämpferischen Worte des Kanzlerkandidaten dankbar, sie lechzen danach wie der Verdurstende nach einem Tropfen Wasser. Jede Durchhalteparole wird zu einem Hoffnungszeichen umgedeutet. Alle hier wissen: Eine Woche vor der Bundestagswahl werden sie in Bayern den Trend vorgeben. Steinbrück kämpft also gegen die Union, aber auch gegen ein schlechtes Signal aus Bayern. Die eigenen Leute zu mobilisieren, das wird Steinbrücks wichtigste Herausforderung. Hier macht er vor gut 300 Zuhörern zumindest einen Anfang.

Der Kanzlerkandidat wandelt bei seiner Rede auf einem schmalen Grat. Denn Deutschland geht es im europäischen Vergleich gut. Die Menschen wissen das. Deshalb darf der Kandidat nicht alles schlecht reden. Genau das wirft Seehofer der SPD seit einigen Wochen vor. Steinbrück muss deshalb ins Detail gehen. "Was geht eigentlich auf dem Arbeitsmarkt schief?", fragt er. Steinbrück spricht über Menschen, die arbeiten und trotzdem so wenig verdienen, dass sie aufstocken müssen. Punkt für Punkt zählt er auf: soziale Ungleichheit, Pflegenotstand, Zockerei der Banken, Ausmaß der Steuerhinterziehung. "Die Menschen sagen: Wir wollen Balance, wir wollen Gerechtigkeit, wir wollen Maß und Mitte. Und die SPD ist die Partei, die darauf die Antworten geben kann."

Steinbrück, der unterkühlte Kandidat? Nicht an diesem Tag in München. Und das liegt nicht nur an den Temperaturen, die im Zelt bei fast 40 Grad liegen. Steinbrück hält eine gute, kämpferische Rede. Er macht den Genossen Hoffnung. Es war schon in den letzten Wochen zu merken: Steinbrück ist im Wahlkampf angekommen.

Dass seine eigenen Popularitätswerte weit hinter jenen der dem Polit-Alltag entrückten Kanzlerin Merkel liegen - sie erwähnte am Freitag den Namen ihres Herauforderers bei ihrer 90-Minuten-Pressekonferenz kein einziges Mal - scheint Steinbrück nicht zu stören. Seinen Optimismus überträgt er auf die Zuhörer. Der Kandidat weiß: Viele Wähler entscheiden sich erst kurz vor dem Wahlsonntag. Auch in Bayern. 40 Prozent sind es, die angeben, sich noch nicht entschieden zu haben, wem sie ihre Stimme geben wollen. Daran knüpft die SPD ihre Hoffnungen. Es ist im Moment ihre einzige. Ein Stimmungsumschwung kurz vor dem Urnengang muss her. Einleiten müsste die Partei den aber bald. Peer Steinbrück tut sein bestes.

Dann kommt Christian Ude. Geschlagene zehn Minuten widmet er gleich zu Beginn seiner Rede der Berichterstattung über die aktuellen Umfragen. Das wirkt: wehleidig. Immer wieder erklärt der bayerische Spitzenkandidat, dass noch gar nichts gelaufen sei. Es sei eine "groteske Fehlentscheidung", davon jetzt bereits zu sprechen. Diesen Optimismus leitet Ude aus dem Jahr 2008 ab. Damals hätten die Umfragen der CSU vier Prozent mehr versprochen, als sie am Ende bekommen habe. "Bei der Fehlerquote steht der Wechsel bereits vor der Tür. Es wird spannend und deswegen wird die Konkurrenz auch so nervös." Von Nervosität war allerdings beim Parteitag der CSU nichts zu spüren. Gar nichts.

Ausführlich widmet sich Ude auch dem immer noch sehr hypothetischen Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern. Er verweist auf die Erfolge, die man in der Opposition zusammen errungen habe. Studiengebühren zuallererst. Aber auch der gestoppte Donauausbau, der Atomausstieg. "Wir haben gemeinsame Programmpunkte und können die glaubwürdig vertreten", ruft Ude. Das Thema treibt ihn um. Denn ohne eine glaubwürdige Machtoption ist der Wahlkampf zum Scheitern verurteilt. Immer wieder sagt Ude deshalb das Gleiche, mit etwas anderen Worten: Konzeptionell habe das Dreierbündnis mehr drauf, als die vor sich hin torkelnde bayerische Staatsregierung.

Ude hängt sich rein

Udes weißes Hemd klebt an seinem Körper. Er hängt sich rein, doch die Stimmung ist lange nicht mehr so gut wie bei Steinbrück. Das ist keine Kleinigkeit an diesem Tag - und offenbart ein gewaltiges Problem. Es zeigt, wie schwer sich Christian Ude immer noch tut, die richtigen Worte zu finden. Er wiederholt die Argumente, mit denen er es seit Wochen und Monaten durch Bayern reist, mit denen er aber nicht wirklich durchdringt.

Während Steinbrück mit überwölbenden Themen und Wortwitz überzeugt, verliert sich Ude im fast bürokratisch anmutenden Kleinklein. Steinbrück wirkt locker, so, als attackiere er seinen Gegner aus der Position der Stärke heraus. Auch wenn er die gar nicht inne hat: Aber im Wahlkampf könnte so viel Überzeugungskraft Stimmen bringen.

Ude dagegen scheint die schwierige Situation seiner Bayern-SPD heftig zuzusetzen. Der erfolgsverwöhnte Münchner Oberbürgermeister ist es nicht gewohnt, mit Rückschlägen umzugehen - und findet nicht die richtige Antwort auf Seehofers Weichspül-Taktik. Er greift die CSU frontal an, doch die schüttelt sich nicht einmal, lässt ihn einfach abprallen. Ein Mittel dagegen hat Ude noch nicht gefunden.

Linktipp: Die Liveblog-Nachlese zum SPD-Parteitag lesen Sie hier.

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