Oberfranken:Busunglück bei Münchberg: "Verkettung tragischer Umstände"

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  • Der Fahrer des verunglückten Reisebusses ist nach Ansicht der Ermittler mit mindestens 60 Kilometern pro Stunde auf einen Lastwagenhänger aufgefahren.
  • Den stockenden Verkehr auf der dreispurigen Autobahn soll er übersehen haben.
  • Polizei und Staatsanwaltschaft ließen offen, ob die Aufrüstung des Busses mit einem Notbremsassistent den Unfall hätte verhindern können.

Von Claudia Henzler, Hof/Nürnberg

Nach Ansicht der Ermittler war eine Unaufmerksamkeit des Fahrers die Ursache für den schweren Unfall eines Reisebusses vor vier Wochen in Oberfranken. Er sei mit mindestens 60 Kilometern pro Stunde auf einen Lastwagenhänger aufgefahren. Eine "Verkettung mehrerer tragischer Umstände" habe dazu geführt, dass der Bus so schnell in Flammen aufging und die Kollision derart folgenschwer verlief. 18 Menschen, darunter der Busfahrer, waren bei dem Unfall auf der A 9 ums Leben gekommen, die 30 weiteren Insassen zum Teil schwer verletzt worden. Zwei befinden sich noch im Krankenhaus.

Am Mittwoch präsentierten Polizei und Staatsanwaltschaft die bisherigen Ermittlungsergebnisse. Demnach hatte der Fahrer offenbar übersehen, dass der Verkehr auf der dreispurigen Autobahn zwischen den Anschlussstellen Münchberg-Süd und Gefrees ins Stocken geraten war. Dass der gesamte Bus in kürzester Zeit lichterloh brannte, lag offenbar an der Bauart des Busses und der Art des Zusammenstoßes. Die vordere linke Ecke des Busses wurde beim Aufprall um fast zwei Meter eingedrückt, dort waren ein Tank und die Bordelektronik untergebracht. Der 300-Liter-Tank platzte, Kraftstoff zerstäubte und wurde durch elektrische Kurzschlüsse und "extrem heiße Lichtbögen" entzündet.

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:"Das ist der Wahnsinn. Das ist einfach katastrophal."

Der Bürgermeister spricht vom "schlimmsten Unfall, den wir je auf unserem Gemeindegebiet hatten". Auf der A 9 zwischen Münchberg und Gefrees ist ein Reisebus komplett ausgebrannt.

Verstärkt wurden die Flammen durch die ebenfalls zerborstenen Druckluftbehälter. Weil der Bus vorne aufriss, konnten sich Rauch und Feuer schlagartig ausbreiten. Dass er noch einige Meter über brennenden Kraftstoff rollte, hat den Effekt vermutlich verstärkt. Die Reisenden hatten kaum eine Chance. Wer es nicht sehr schnell durch eines der Fenster oder die hintere Tür geschafft hatte, verlor nach kurzer Zeit das Bewusstsein.

Ob die Tragödie verhindert worden wäre, wenn der Reisebus schon mit einem Notbremsassistenten nachgerüstet worden wäre, ließen Polizei und Staatsanwaltschaft offen. Die Übergangsfrist dafür gilt bis Ende 2018. Laut Staatsanwalt Jochen Götz wird derzeit keine Anklage vorbereitet. "Wir führen keine Ermittlungen gegen das Busunternehmen oder andere Personen", sagt er.

Nach dem tragischen Busunglück am 03.07.2017 auf der A9 auf Höhe Stammbach, bei dem 18 Menschen ums Leben kamen, liegen der Verkehrspolizei Hof und der Staatsanwaltschaft Hof jetzt erste Ermittlungsergebnisse vor. (Foto: Polizei Oberfranken)

Warum der 55-jährige Fahrer unaufmerksam war, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Er habe weder Drogen noch Alkohol konsumiert und sei nicht durch Businsassen abgelenkt worden, sagten die Ermittler. Die meisten Reisenden hätten geschlafen. Außerdem habe der 55-Jährige die Ruhezeiten eingehalten und das Wochenende vor der Fahrt an den Gardasee frei gehabt. Um 4.50 Uhr hatte er sich in Dresden ans Steuer gesetzt. Wach war er allerdings schon länger.

Um 0.30 Uhr hatte er auf dem Beifahrersitz das Gelände des Busunternehmens im Landkreis Görlitz verlassen, um die Passagiere einzusammeln. Der Staatsanwalt widersprach Gerüchten, dass der Fahrer nach dem Unfall den Fahrgästen im Alter von 41 bis 81 Jahren noch geholfen hatte, aus dem Bus zu kommen. Er sei mit schweren Verletzungen hinter dem Steuer eingeklemmt worden und "war nicht mehr handlungsfähig".

Darstellung des Unfalls auf der A9 auf Höhe Stammbach, bei dem 18 Menschen ums Leben kamen. (Foto: Polizei)

Den Lastwagenfahrer trifft nach bisherigen Erkenntnissen keine Schuld. Sein Fahrzeug war laut Polizei ohne Mängel, der Fahrer habe die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten. Dem Fahrtenschreiber sei zu entnehmen, dass er seine Geschwindigkeit kurz vor dem Zusammenstoß schrittweise von 80 auf 28 Kilometer pro Stunde verringerte, "und zwar in einem normalen Bremsvorgang, wie man ihn am Ende eines Staus erwartet", wie der Staatsanwalt sagte. Der Busfahrer habe noch versucht, auf den Standstreifen auszuweichen. Letztlich kollidierten die Fahrzeuge dann nur auf einer Breite von 60 Zentimetern.

Der Unglücksbus, Baujahr 2013, soll gewartet und technisch in Ordnung gewesen sein. Die Bauart mit Tanks rechts und links vor der Vorderachse sei "nicht unüblich" und vom Kraftfahrtbundesamt zugelassen, hieß es auf der Pressekonferenz. Man habe nach Unfällen mit ähnlichen Konstellationen gesucht und keine gefunden, sagte Götz. Dass der Unfall Konsequenzen auf die Zulassung haben wird, ist dennoch möglich. Das Bundesamt hat die Ermittlungsergebnisse schon angefordert.

Bei den Ermittlungen waren laut Polizei und Staatsanwaltschaft neben den Gutachten der Sachverständigen die Aussagen der Überlebenden und vor allem des zweiten Busfahrers aufschlussreich.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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