Landtagswahl:Drei Grüne für Bayern

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Thomas Gehring, Katharina Schulze, Ludwig Hartmann: Aus dem Trio muss ein Duo werden. (Foto: picture alliance / Kjer/Hoppe/dp)

Katharina Schulze, Thomas Gehring und Ludwig Hartmann wollen Grünen-Spitzenkandidaten werden. Sie präsentieren sich so harmonisch, dass die Mitglieder verwirrt sind - und die Frage aufkommt: Wie wäre es mit einem Spitzentrio?

Von Lisa Schnell, Augsburg

Die entscheidende Frage stellt Sebastian Geßler. Der 28-Jährige mit den schwarzen Locken hat aufmerksam zugehört, was Katharina Schulze, Ludwig Hartmann und Thomas Gehring zu sagen haben. Alle drei wollen die Grünen in die Landtagswahl führen. Alle drei stellen sich einer Urwahl, in der Mitglieder wie Geßler entscheiden sollen. Aber wie? Das weiß er auch nach einer Stunde Diskussion noch nicht und hebt seine Hand, um eine Frage zu stellen: "Ich wüsste nicht, wen ich nicht wählen sollte. Könnte man nicht ein Spitzentrio machen?"

Lachen, zustimmendes Klatschen. Das würde wohl vielen helfen im Saal. Ein Trio aber wird es nicht geben, 2018 gehen die Grünen mit einer Doppelspitze in die Wahl, ein Mann, eine Frau. Die Frau ist mit der Chefin der Landtagsfraktion, Katharina Schulze, gesetzt. Sie ist einzige Bewerberin für die Kandidatur, für sie geht es um ein gutes Ergebnis.

Bei den Männern gibt es eine Auswahl. Gehring, 59, ist der Erfahrene vom Land, aus dem Allgäu, Hartmann, 39, der Junge aus der Großstadt München. Beide sind seit 2008 im Landtag, Gehring ist Bildungspolitiker, Hartmann Fraktionschef und Energiefachmann. Was die zwei sonst so unterscheidet, sollten die sieben Urwahl-Foren in allen Bezirken Bayerns zeigen.

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Zum letzten Mal traten die drei am Samstag in Augsburg auf. Etwa 70 Gäste drängten in das kleine Café in der alten Industriehalle, so viele, dass die Moderatorin zum Kuscheln aufforderte. Die grüne Basis verspeiste vegetarisches Chili und spendete für ein Flüchtlingsprojekt. Aber vor allem löcherte sie die Kandidaten mit Fragen. Die Antworten klangen wie aus einem Munde.

Thema Tierwohl: "Wie wir mit Tieren umgehen, sagt viel darüber aus, wie wir unser Leben gestalten", sagt Gehring. Schulze: "Da müssen wir ran." Etwa mit einer Umstellung der Förderpolitik in der Landwirtschaft, ergänzt Hartmann.

Oder die Flüchtlingspolitik: Wie kriegt man die CSU dazu, Flüchtlingen ihre Arbeitserlaubnis nicht zu verweigern? Mitregieren und aus dem Innenministerium andere Anweisungen an die Ausländerbehörden geben, sagt Schulze. Gehring sieht hier "ein Beispiel dafür, wie wichtig Regieren wäre". Und Hartmann vervollständigt: Bis es soweit ist, nicht locker lassen, "dicke, dicke Bretter bohren".

So geht das weiter bei Bildung, Umweltschutz, Digitalisierung. Die Chancen, in einem Heuhaufen eine Stecknadel zu finden, sind enorm im Gegensatz zu der Aufgabe, inhaltliche Unterschiede zu identifizieren. Nach sechs Auftritten haben die drei ein System entwickelt, wer als erster antwortet. Wie der eine dem anderen höflich den Vortritt lässt, gleicht einem gut einstudierten Tanz. Eine Harmonie, die den staunen lässt, der etwa die Urwahl der SPD mitverfolgt hat, die den Unschlüssigen im Publikum aber wenig hilft.

"Könnt ihr mal drüber reden: Was unterscheidet euch voneinander?", sagt dann also Mitglied Geßler aus der ersten Reihe und steigt damit zum Held des Abends auf. Schulzes Entscheidungshilfe erinnert etwas an die Fernsehsendung Herzblatt. "Bist du eher der megaklassische Öko?" - dann Hartmann. "Oder jemand, der Bildung wichtig findet?" - dann Gehring. "Oder interessierst du dich eher für Freiheit und gesellschaftliche Themen?" - dann sie, Schulze.

Gehring wirbt für sich mit seiner Erfahrung, seiner Herkunft und seinem Stil. "I bin a Wurzel" steht auf dem Button an seinem Sakko. Seit 1982 ist er bei den Grünen, er hat gegen Wackersdorf protestiert und sich auslachen lassen, weil er Müll trennt. In seinem Dorf wird er von Kirchengeläut geweckt, muss sich als Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr und beim Tourismusverein die scherzhafte Frage gefallen lassen, was bei ihm eigentlich schiefgelaufen ist, dass er bei den Grünen gelandet ist.

Viele nicken aber, wenn er sein konservativeres Profil als Vorteil anpreist. "Wir müssen uns auch den Menschen widmen, die in der CSU gerade ihre Heimat verlieren. Und ich bin jemand, der mit diesen Leuten ins Gespräch kommt", sagt Gehring. Einen Teamplayer mit "Haltung und Substanz", nennt ihn ein Unterstützer. Sein Temperament falle dagegen eher allgäuerisch aus und damit weniger feurig.

Dynamischer ist da sicher Hartmann, der für sich mit seinem Tatendrang wirbt. "Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, weil ich überzeugt bin, dann bleib ich dran", sagt er. Als Beispiel führt er das bisher sehr erfolgreiche Volksbegehren der Grünen gegen Flächenfraß an. Außerdem könne auch er mit Erfahrung aufwarten. Schließlich ist Hartmann seit 2002 Kommunalpolitiker.

Hartmann ist bei der Basis als Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag sicher bekannter. Das könnte am Ende entscheidend sein, sagt ein Mitglied. Auch wenn Gehring viele bei den Urwahl-Foren überzeugt, erreicht er dadurch nur einen Bruchteil der etwa 9300 Grünen-Mitglieder. Auf der anderen Seite stimmen wohl vor allem die aktiven Mitglieder ab, eine Wahlbeteiligung von 50 Prozent gilt als gut. Völlig chancenlos, so sehen das die meisten auf dem Forum in Augsburg, ist Gehring nicht. Sebastian Geßler wusste am Samstag bis zum Schluss nicht, wen er wählen wird. Bis zum 2. Februar hat er noch Zeit, sich zu entscheiden.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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