Stettfeld:Warum ein Dorf in Unterfranken erbittert um Holzrechte streitet

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Der Wald von Stettfeld gilt als gesegnetes Stück Franken. Solange die Bäume stehen, sind sie Eigentum der Gemeinde. Nachdem sie gefällt wurden, gehen die Rechte an eine Gruppe von 80 Stettfeldern über. Das sorgt für Unmut. (Foto: Rümer)
  • In Stettfeld tobt ein Kampf um Holzrechte, die alteingesessene Bewohner seit rund 500 Jahren haben.
  • Es geht um 450 Hektar edelsten Mischwald, der etwa 80 Rechtlern gehört - ein lukratives Erbe aus alten Zeiten.
  • Nun hat die Gemeinde den Rechtlern untersagt, Bäume im Wald zu fällen.

Von Olaf Przybilla, Stettfeld

Zwist in der Gemeinde? Da winken geübte Bürgermeister normalerweise ab: Bei uns doch nicht, wir arbeiten alle gemeinsam fürs Wohl des Dorfes. Wer aber beim Bürgermeister von Stettfeld anfragt, bekommt eine ganz andere Auskunft: "Ketzerisch und hetzerisch" sei das Klima im Ort, sagt Alfons Hartlieb, da gebe es kein Vertun. Auch bei der Frage, ob sich das womöglich demnächst mal wieder ändern könnte, will sich der CSU-Mann keinen Illusionen hingeben. Nein, sagt Hartlieb, er stelle sich keineswegs auf einen lediglich kurzzeitigen Zoff ein. Aber keine Sorge, er werde einen langen Atem haben.

Stettfeld liegt in Unterfranken, da sagen die Leute üblicherweise "ä bissle", wenn sie "ein wenig" meinen. Bürgermeister Hartlieb aber sagt "a bissala", was man grundsätzlich für Oberfränkisch halten würde. Stimmt schon, sagt er. Aber der Ort liege eben direkt an der Grenze zwischen den beiden Teilen Frankens. Und das führt direkt zu den Wurzeln des Konflikts: In der Zeit von Julius Echter, dem Würzburger Fürstbischof und Gegenreformator, wurden an dieser Grenze sehr freigiebig Holzrechte an Einheimische verteilt, wohl um sie gewogen zu machen und zu stärken für etwaigen Zoff an der Grenze.

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Bis heute hält sich der Glaube im Ort, dass diese Privilegien eine Folge der Rivalität zwischen den Bamberger und Würzburger Bischöfen gewesen sein müssen, aber wie auch immer es war: Die Dorfordnung von 1575 wies bestimmten Dörflern umfassende Rechte am Gemeindeholz zu, und als es über die Jahrhunderte hinweg immer wieder zu Irritationen kam, wem nun eigentlich was zusteht im Wald, wurde am 23. Juni 1901 ein Vergleich ausgehandelt.

Dessen erste neun Paragrafen dürfen eher als Delikatesse für Orts-Chronisten gelten, der Paragraf zehn aber, Absatz C, hat's in sich: Im Übrigen, heißt es da, "kommt alles anfallende Holz, also insbesondere alles Nutz-, Brenn- und Stammholz, den Rechtlern zu".

Der Vergleich wurde ein paar Jahre später staatlicherseits bestätigt, was Hartlieb, seit elf Jahren Bürgermeister, noch immer ein Rätsel ist. Seither nämlich müsse man sich den Ort als Zweiklassengesellschaft vorstellen: hier die alteingesessenen Rechtler, sozusagen das Dorf-im-Dorf, eine Kaste von einst 104, heute noch 80 Rechte-Inhabern. Dort die Zugezogenen, die längst in der Mehrheit sind, aber mit dem Ofenrohr in den Gemeindewald schauen. Ein gesegnetes Stück Land: 450 Hektar edelster Mischwald.

Was so ein Flecken Franken einbringt, wissen nur die Rechtler. Einer, der es wissen muss, sagt es so: "Rechnen Sie mit einem sechsstelligen Betrag pro Jahr." Der Gemeinde gehört zwar der Wald, wenn ein Baum aber gefällt ist, gehen die Rechte an die Julius-Echter-Auserwählten über: an die Rechtler. Deren Liste wiederum wird von der Gemeinde verwaltet. Eines habe er sich vorgenommen, sagt Hartlieb: "Das alles muss sich ändern." Und natürlich hätten ihn viele gewarnt: Ein altes Recht, die edelsten Familien im Ort, das wird aber richtig Ärger geben. Stimmt.

Werner Rümer ist einer der Rechtler, er wirkt nicht so, als würde er zur Großsprecherei neigen. Im Moment aber, sagt er, könne man es gar nicht anders formulieren: "Das Dorf brennt." Ohne jeden Anlass habe sich der Bürgermeister, hauptberuflich ein Straßenbau-Unternehmer, entschlossen, ein über beinahe 500 Jahre tradiertes Recht zu torpedieren. Warum? Keiner wisse es, immerhin fielen den Rechtlern nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten am gefällten Baum zu.

Und über Jahrhunderte habe man bewiesen, dass man verantwortungsvoll umgehe mit Holz und Privilegien: Kein neues Vereinsheim, kein Dorfprojekt von Bedeutung, ohne dass sich die vereinigten Rechtler besonders einbringen würden. An der Ertragslage für die Gemeinde, da ist sich Rümer sicher, würde das Aufkündigen der Privilegien nichts ändern. Es gehe offenbar um anderes: "Überall hat der Bürgermeister das Sagen: im Dorf und in seinem Betrieb. Nur nicht im Gemeindewald. Und das stinkt ihm."

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Als die Gemeinde die Rechtler kürzlich per Bescheid wissen ließ, dass im Wald vorerst kein Holz mehr geschlagen werden dürfe, zog Rümer vor Gericht. Wer die üblicherweise abgezirkelt abwägenden Schriftsätze von Verwaltungsgerichten kennt, wird angesichts des Richterspruchs aus Würzburg fast schon von einem Urteil mit dem Holzhammer sprechen müssen: "Reines Wunschdenken" sei das Handeln der Gemeinde, es fehle "jegliche Begründung", der Bescheid sei "bereits formell rechtswidrig".

An einer Stelle wirkt es fast so, als wolle sich das Gericht lustig machen über den Versuch, in überliefertes "radiziertes Nutzungsrecht" einzugreifen. Womöglich, schreiben die Richter, sei der Bescheid schon allein deshalb rechtswidrig, weil ihn der Bürgermeister übergeben habe. Der ist selbst Rechtler. Also nicht unbeteiligt.

Die Rolle als tragische Heldin wider Willen kommt da der Dritten Bürgermeisterin von Stettfeld zu. Nicole Meyer ist per staatlichem Bescheid zur "Staatsbeauftragten" in der Causa Gemeindewald bestimmt worden. Und das deshalb, weil der Erste Bürgermeister selbst Rechtler ist, der Zweite Bürgermeister allerlei Rechtler-Verwandtschaft aufzuweisen hat und auch im Gemeinderat lauter Rechtler sitzen. "Keine rechtmäßigen Zustände", heißt es im Bescheid, deshalb müsse die SPD-Frau nun eigenverantwortlich handeln - im Sinne aller aus dem gespaltenen Dorf. Wenn sie gewusst hätte, was da als "Staatsbeauftragte" an Ärger auf sie zukommt, "ich hätte das wohl abgelehnt", seufzt Meyer.

Bei ihrem letzten Versuch zu vermitteln, sei die Staatsbeauftragte aus dem Dorf "übel angefeindet" worden, schimpft Bürgermeister Hartlieb: "An ihrer Stellte hätte ich den Raum verlassen." Aber da muss Nicole Meyer jetzt durch. Bis Ende der Woche muss sie - nach eingängiger Beratung mit sich selbst - entscheiden, ob die Gemeinde gegen das Gerichtsurteil in Berufung geht. Danach werde man weitersehen, sagt sie.

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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