Forstwirtschaft:Wo sind all die Bäume hin

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Abholzen und neue Bäume pflanzen ist eine gute Sache. Eine Studie zeigt aber, dass die europäische Forstwirtschaft dem Klima damit mehr geschadet als genutzt hat.

Von Christopher Schrader

Die bewirtschafteten Wälder in Europa haben in der Zeit seit 1750 eher zur Erwärmung des Planeten beigetragen, zeigt eine Studie. "Bisher hat man einfach angenommen, dass Wälder gut für das Klima sind, weil sie Kohlendioxid speichern", sagt Erstautorin Kim Naudts vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Den Einfluss der Bewirtschaftung aber habe niemand analysiert.

Nach Naudts' Zahlen sank die Waldfläche seit 1750 von ursprünglich 1,9 Millionen Quadratkilometern zunächst um zehn Prozent. Danach wurde aufgeforstet, so dass die Fläche bis zum Jahr 2010 auf 2,1 Millionen Quadratkilometer gestiegen ist. Dabei ersetzten Förster lange meist Laub- durch Nadelbäume; Fichten und Kiefern stehen heute auf 633 000 Quadratkilometern mehr als 1750 ( Science).

Das hatte Folgen. Nadelgewächse kühlen die Atmosphäre, weil sie Kohlendioxid aufnehmen und schnell wachsen. Aber sie absorbieren mehr Sonnenlicht als Laubbäume, wodurch sich der Wald erwärmt. Wichtiger ist, dass inzwischen gut 800 000 Quadratkilometer mehr bewirtschaftet werden als im 18. Jahrhundert. Die entnommene Menge Holz ist stark gestiegen, die Wälder enthalten heute darum 3,1 Milliarden Tonnen Kohlenstoff weniger als 1750. Das entspricht einem Drittel der jährlichen Emissionen von Kraftwerken, Fabriken, Autos und Haushalten.

Für die Forstwirtschaft ist die Studie ein Schlag, schließlich hat sie den Begriff "Nachhaltigkeit" vor 300 Jahren erfunden. "Die Aussage, Forstwirtschaft trage nicht zum Klimaschutz bei, ist eine politisch weitreichende Interpretation, die nicht korrekt ist", sagt Martina Mund von der Universität Göttingen. "Wenn man damals die oftmals kahlgeschlagenen Waldflächen nicht aufgeforstet hätte, auch wenn es nur Nadelbäume waren, und wenn man nicht aus den Erfahrungen heraus eine nachhaltigere Forstwirtschaft entwickelt hätte, dann ginge es uns mit dem Klimawandel heute viel schlechter."

Andere Maßnahmen sind wichtiger

Kim Naudts hingegen sagt, dass der Einfluss der Forstwirtschaft auf das Klima so oder so klein ist. "Auch wenn wir es schaffen, dass die Wälder in Europa einen positiven Beitrag leisten, hilft das nicht viel", sagt sie. Aber es gebe genug andere Ziele für Waldmanagement: Artenschutz, Trinkwasser, Bodenschutz und der Rohstoff Holz. Und in den Tropen kühlt Aufforstung fast immer, wie eine zweite Science-Studie zeigt.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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