Konfession:Wie einfach ist es für Asylbewerber, Christ zu werden?

Pfarrer Gottfried Martens von der Evangelisch Lutherischen St Marien Gemeinde in Berlin Steglitz fe

Die Zahl der erwachsenen Asylbewerber, die zum Christentum konvertieren wollen, ist trotz der großen Flüchtlingswelle im Herbst 2015 überschaubar.

(Foto: imago/epd)
  • Der Angreifer von Arnschwang konvertierte vom Islam zum Christentum und wurde deshalb nicht abgeschoben.
  • Zu den offenen Fragen nach der Tat gehört auch: Wie ausführlich wurde untersucht, ob K.s Übertritt zum Christentum glaubhaft war?
  • Allgemein bezweifeln Kirchenvertreter, dass Asylbewerber die Taufe als Vorwand nutzen. Es sind sehr wenige - und der Übertritt dauert lange.

Von Lisa Schnell

Auf seinen Rücken hatte sich Mostafa K. im Gefängnis christliche Symbole tätowieren lassen. Er besuchte den Gefängnisgottesdienst, trat zum Christentum über. Deshalb wurde er nach seiner Haftentlassung nicht nach Afghanistan abgeschoben. Deshalb war er vergangenen Samstag noch in einer Asylunterkunft in Arnschwang (Landkreis Cham), wo er einen fünfjährigen Buben erstach.

Kirche und Justiz sollten sehr genau hinschauen, ob die Liebe zum Christentum bei konvertierten Asylbewerbern echt sei oder nur vorgetäuscht, um eine Abschiebung zu verhindern, forderte daraufhin Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Und so gehört zu all den Fragen um die brutale Tat von Arnschwang auch diese: Wie ausführlich wurde untersucht, ob K.s Übertritt zum Christentum glaubhaft war? Und: Wie einfach ist es für Asylbewerber, Christ zu werden?

Dass er wegen seiner Straftat abgeschoben werden sollte, erfuhr K. im Juli 2011 in der JVA Landsberg am Lech, wo er von 2009 an wegen schwerer Brandstiftung fast sechs Jahre einsaß. Ein halbes Jahr später, im Januar 2012, stellte er zum ersten Mal einen Asylantrag, zuvor hielt er sich legal in Bayern auf. Seine Begründung: Als Christ, der sich vom Islam abgewendet habe, drohe ihm in Afghanistan der Tod. Drei Monate später wurde K. in der Anstaltskirche katholisch getauft und gefirmt. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte nicht nur seinen Asylantrag ab, es sah auch keinen Grund, warum K. nicht abgeschoben werden sollte.

Nur "pro forma" und "aus asyltaktischen Gründen" sei er übergetreten. Den christlichen Glauben habe er nicht verinnerlicht. Es sei anzunehmen, dass K. in Afghanistan kein Interesse mehr an ihm haben werde. So lautet die Bewertung, wie sie aus Schriftstücken des Bamf und der JVA hervorgeht, die Richter des Verwaltungsgerichts München in ihrem Urteil aufführen. Diese waren anderer Auffassung: Im Juli 2014 verhängten sie einen Abschiebestopp, weil K. in Afghanistan aufgrund seines neuen Glaubens der Tod drohe. Dass K. aus Überzeugung Christ geworden sei, erschien ihnen plausibel.

Sie überzeugte vor allem K.s Aussage vor Gericht, bei der er einen innerlich ausgeglichenen Eindruck hinterlassen habe. Jeden Sonntag besuche er den Gottesdienst, die Bibel habe er mehrmals gelesen, sagte K. Er konnte eine Passage aus dem neuen Testament vortragen, kannte vier von fünf Büchern Mose und schien allgemein mit der Abfolge im Gottesdienst vertraut zu sein, heißt es in dem Urteil. Schon als Kind habe er in der Bibel gelesen und wäre gerne Christ geworden, gab K. an. Noch in Afghanistan habe er sich ein Kreuz auf den rechten Arm tätowieren lassen. Seit er Christ geworden sei, fühle er keine innere Unruhe mehr.

Dass gegen K. während seiner Haft disziplinarische Maßnahmen verhängt wurden, stelle die Ernsthaftigkeit seines Glaubenswechsels nicht in Frage. An dem zweifelte laut Urteil zunächst auch K.s Gefängnisseelsorger. Dann aber bestätigten ihm zwei christliche Gefangene, denen er vertraute, dass K. ein gläubiger Christ sei. Es folgten intensive Gespräche mit dem Seelsorger. Insgesamt habe es eineinhalb Jahre gedauert, bis K. getauft worden sei.

Wie sichergestellt wird, dass niemand sich die Taufe "erschleicht"

"Christ wird man nicht im Galopp", sagt Prälat Bertram Meier, Leiter des Seelsorgeamts im Bistum Augsburg. Monatelang dauere der Prozess, um sich auf eine Taufe vorzubereiten. Genug Zeit für den Seelsorger, um einen Eindruck zu bekommen, wie ernst es dem Einzelnen mit dem neuen Glauben sei. Außerdem komme keine Taufe ohne die Erlaubnis des Bischöflichen Ordinariats zustande. Dadurch sei sichergestellt, dass sich niemand die Taufe "erschleicht". Im Bistum, dessen Ordinariat auch K.s Taufe genehmigt hat, sei deshalb kein einziger Fall bekannt, bei dem die Taufe als Vorwand genutzt worden sei, um einer Abschiebung zu entgehen. Die Übertritte von Muslimen hielten sich zudem in Grenzen. Im ganzen Bistum seien es weniger als zehn Personen im Jahr gewesen.

Natürlich gebe es einige, die sich vom Übertritt zum Christentum erhofften, nicht abgeschoben zu werden, sagt Gabriele Grunden aus München. In ihren Kursen zur Taufvorbereitung macht sie deshalb gleich zu Anfang eine klare Ansage: Das Christentum schützt euch nicht davor, abgeschoben zu werden, sagt sie dort den Anwärtern. Beim nächsten Treffen blieben dann einige einfach weg. Manche drängten sie, es müsse schneller gehen als in einem Jahr und kündigten an, sich woanders taufen zu lassen.

Die meisten aber kämen wieder und meinten es ernst, sagt Grunden. Es seien vor allem junge Leute, die es nicht gut fänden, wenn ihnen vorgeschrieben wird, wie sie beten sollen und die eine friedliche Religion suchten. Auch in ihrer Heimat gehörten sie meist zu denen, die den Ramadan nicht so ernst nahmen. Gerade hat Grunden sieben jungen Männern gesagt, sie müssten noch ein halbes Jahr die Bibel und den Gottesdienst studieren, bevor sie bereit für die Taufe seien. Insgesamt hätte ihre Vorbereitung dann zwei Jahre gedauert. Dass jemand das auf sich nimmt, um einer Abschiebung zu entgehen, kann sich Grunden kaum vorstellen.

Mostafa K., der Täter von Arnschwang, ist auch nach seiner Haft noch in die Kirche gegangen. Etwa drei Monate habe er den Abendgottesdienst in Arnschwang regelmäßig besucht, auch zu Weihnachten sei er gekommen, sagt der zuständige Pfarrer Joseph Kata. Er sollte K. die Kommunion spenden, doch der konnte keinen gültigen Taufschein vorweisen. Immer wieder kam er und bat ihn um Geld. Einmal habe er von Allah gesprochen. Er müsse jetzt Gott sagen, habe er ihm gesagt, erzählt Pfarrer Kata. Doch K. habe nicht besonders gut Deutsch gesprochen. Ob er nun wirklich Christ gewesen sei oder nicht, das könne er nicht beurteilen, sagt Kata. Dass er nicht christlich handelte, als er den fünfjährigen Buben erstach, das aber kann er mit Sicherheit sagen.

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