Erneuerbare Energien in Bayern:Bestenfalls Mittelfeld

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Das Ende der Atomkraft rückt immer näher. In Bayern wird der Umbau hin zu erneuerbaren Energien aber eher zögerlich gefördert - dennoch bieten sich der bayerischen Wirtschaft Chancen.

Michael Tibudd

Wenn man es gut meint mit der Zukunft des Landes Bayern als Industriestandort, sollte man vielleicht besser nicht auf diese interne Statistik der Firma Vestas schauen. Der Windkraftanlagen-Bauer mit Sitz im schleswig-holsteinischen Husum, ein führendes Unternehmen der Branche, hat darin akribisch aufgeschlüsselt, woher aus Deutschland er die Zulieferteile für seine Windräder bezieht.

Die Photovoltaik bietet auch in Bayern Chancen: Der Mittelstand kann von Solarparks wie hier in Malching bei Fürstenfeldbruck profitieren. (Foto: Johannes Simon)

Bundesland für Bundesland listet die Statistik auf, samt dem Geld, das Vestas an seine Zulieferer dort überweist. Das sind mal zwölf Millionen Euro für Sachsen, mal 35 Millionen Euro für Baden-Württemberg und satte 149 Millionen Euro für die Spitzenreiter in Nordrhein-Westfalen. Bayern? Könnte man aus der Liste glatt streichen. Unternehmen aus dem Freistaat haben im Jahr 2009 keinen einzigen Cent mit Vestas verdient.

Ganz Deutschland redet von der Energiewende, die bayerische Staatsregierung neuerdings sogar besonders laut - nur Teile der hiesigen Wirtschaft profitieren offenbar eher wenig davon. Produkte, die zum Umbau der Energieversorgung gebraucht werden, besorgt man sich aus Sicht einiger Großunternehmen demnach besser woanders. Nun sind die Einkaufspraktiken der Firma Vestas freilich nur ein kleiner Ausschnitt der Erneuerbare-Energien-Branche. Es gibt in dem Land, in dem der immer grüner werdende Weltkonzern Siemens seinen Sitz hat, sehr wohl Unternehmen, die mit der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Quellen Geld verdienen (siehe unten).

Allerdings bestätigt ein Ländervergleich der von der Bundesregierung finanzierten Agentur für Erneuerbare Energien in Berlin die Tendenz: Bei den Bemühungen, die den technologischen und wirtschaftlichen Wandel hin zu erneuerbaren Energien herbeiführen sollen, rangiert Bayern auf Rang 14 von 16 Bundesländern.

Forschungsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, Studiengänge an den Universitäten, Qualität der Ansiedelungsstrategie - alles weit unter Durchschnitt. Immerhin gibt der Freistaat das wenige Fördergeld offenbar recht effizient aus: Bei den Erfolgen dieser Anstrengungen - berücksichtigt werden Aspekte wie die Zahl der Unternehmen, Beschäftigten oder Patentanmeldungen - landet Bayern auf Rang acht, solides Mittelmaß.

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Im Freistaat kündigt sich ein Politikwechsel an - erneuerbare Energien sollen schneller vorangetrieben werden. Und aus Wasser, Holz, Wind und Geothermie könnte noch viel Energie gewonnen werden. Doch es gibt Einwände.

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Das freilich war noch nie das Ziel bayrischer Landespolitik, und so will sich Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) denn auch gar nicht mit solch negativen Zahlen aufhalten. "Entscheidend ist, wie wir vorankommen", sagt Zeil, nicht ohne den Hinweis, dass "die Wertschöpfung im Freistaat schon sehr weit verzweigt" sei. Wie sie sich noch weiter verzweigen und vor allem wachsen soll, das soll auch das Bayerische Energiekonzept beschreiben, das die Staatsregierung vergangene Woche vorgelegt hat - wobei das freilich vor allem skizziert, wie der Umbau der Energieversorgung im Freistaat zu geschehen habe. Wie dabei in Bayern auch Geld verdient werden soll, ist eher zweitrangig.

In der Bundespolitik will man erreichen, dass die künftige Version des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Betreiber von Anlagen, wie sie für Bayern in Frage kommen, besser fördert als zuletzt - Freiflächenanlagen in der Photovoltaik sollen wieder Fördergeld erhalten und die neuerdings gefragten Windräder auf dem Land nicht schlechter gestellt werden als die auf See. Das sind besondere Anliegen von Agrarminister Helmut Brunner (CSU), der verhindern will, dass der kleinteilig strukturierten bayerischen Landwirtschaft Einnahmequellen verloren gehen.

Dass die Unternehmen im Freistaat beim Geschäft mit der Windkraft nicht vorn dranliegen, scheint die Regierung hinzunehmen. Größeres Potential sieht sie hingegen bei der Geothermie. "Das in Bayern entwickelte Know-how stößt in anderen Ländern auf großes Interesse", heißt es im Konzept, und man will es deswegen weiter fördern. Die Vorstellung, wie darüber hinaus bayerische Unternehmen zu Marktführern der neuen Technologien werden können, bleiben hingegen vage.

Der dauerhafte Fortbestand des erst Anfang Mai eröffneten Energiecampus Nürnberg gehört dazu, in dem verschiedene Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Ansonsten setzt man auf den nächsten und übernächsten Ausbauplan: "Ein schlüssiges Konzept kann nur unter Einbindung von Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft erarbeitet werden." Ein Schritt in diese Richtung soll der für Ende Juni geplante Bayerische Energiegipfel sein, den Ministerpräsident Horst Seehofer jüngst ankündigte und für den die Staatskanzlei gerade Einladungen an Unternehmen, Forscher und Verbände vorbereitet, die mit dem Thema befasst sind.

Zu den Adressaten wird auch Bertram Brossardts Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zählen. "Wir erwarten, dass noch deutlich mehr Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt wird", sagt der Chef des Unternehmensverbandes, der am liebsten länger an der Nutzung der Atomkraft festhalten wollte. Brossardt hat für die Unternehmen in Bayern vor allem zwei Sorgen: Mögliche Stromausfälle wegen schwankender Produktionsleistung - und hohe Preise. "Die größtmögliche Förderung haben wir, wenn die Versorgungssicherheit bestehen bleibt", sagt der Wirtschafts-Lobbyist Brossardt. "Und die Industriestrompreise dürfen nicht weiter steigen."

© SZ vom 30.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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