Bayerischer Landtag:Seehofer und Orbán feiern eine "in Europa einzigartige Waffenbrüderschaft"

  • Umarmungen, lobende Worte: Bei seinem Besuch im bayerischen Landtag spart Viktor Orbán nicht mit freundschaftlichen Gesten.
  • Bayerns Opposition ist entsetzt: Dass einem "Demokratiezerstörer" der rote Teppich ausgerollt werde, sei ein Skandal.
  • CSU-Chef Seehofer deutet den Besuch als Zeichen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung: Bayern sei ein "weltoffenes Land", betont er.

Von Lisa Schnell

Horst Seehofer und Viktor Orbán umarmen sich, einmal rechts, einmal links. Bayerns Ministerpräsident hebt den Daumen, alles super. Ungarns Regierungschef fällt noch dem ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in die Arme. Beim Festakt im bayerischen Landtag zum 60. Jahrestag des ungarischen Volksaufstands 1956 feiern Seehofer und Orbán eine "in Europa einzigartige Waffenbrüderschaft", wie Orbán sagt. Dass ihre Treffen immer "liebevoll öffentlich begleitet" werden, stört Seehofer nicht.

Die bayerische Opposition wirft Orbán Demokratiezerstörung vor

Bevor Orbán ans Rednerpult tritt, gibt es noch Geigenspiel und Gesang, doch die eigentliche Hintergrundmusik fand tagsüber im Landtag statt. Dort versammelte sich die Opposition zum Empörungschor - Orbán den roten Teppich auszurollen, sei "ein Skandal", hieß es. Er stehe für "Demokratiezerstörung nach allen Regeln der Kunst", und Seehofer lege ihm nun "das demokratische Mäntelchen" um. Damit falle er all jenen Menschen in den Rücken, die in Ungarn für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gehen.

So schimpften SPD und Grüne - und dachten wohl an die Tausenden Demonstranten, die gerade in Ungarn für die Pressefreiheit protestieren. An die letzte Oppositionszeitung, die nun schließen musste. Und an Orbáns Äußerungen, dass Migration "Gift" sei. "Kleinkariert" findet das Stoiber, "mangelnder Respekt" vor demokratisch gewählten Regierungen sei das, hieß es aus der CSU. Eingeladen hatte nicht die bayerische Landesregierung, sondern Ungarns Konsulat.

Orbán sieht Ungarn als "Land der Freiheitskämpfer"

Als Demokrat und Freiheitskämpfer gab sich Orbán denn auch: Ungarn sei ein Staat, "der schon immer ein Land der Freiheitskämpfer war, wo Unterdrückung nicht geduldet wird", sagte er. Er meinte die Ungarn, die sich 1956 gegen die Sowjet-Diktatur auflehnten und niedergeschlagen wurden, die 1989 den ersten Stein aus der Mauer schlugen. Der entstehende Luftzug habe "auch die gesamte kommunistische Weltordnung rausgefegt". Und auch er selbst sei ein eiserner Verfechter der Freiheit. Die Grenzöffnung 1989 und die Grenzschließung 2016 seien doch nur zwei Seiten einer Medaille: "1989 handelten wir für die Freiheit Europas, und jetzt schützen wir unsere Freiheit" vor einer "drohenden Völkerwanderung", sagte Orbán. Auf dieses "Problem" habe die EU keine gemeinsamen Antworten, sie sei "abgedriftet in den Bereich außerhalb des Rechts".

Das könnte das Stichwort für Horst Seehofer sein - auch er sprach schon einmal von der "Herrschaft des Unrechts" und meinte damit die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Doch jetzt sei Merkel bei Treffen mit ihm oft "besonders gut aufgelegt", so Seehofer. Die Streitereien mit der Schwesterpartei CDU sollen abklingen. Orbáns Besuch braucht Seehofer nicht als Provokationskatalysator für seine Kritik an der Kanzlerin. "Es gibt für den Dialog keinen Ersatz in der Politik", so erklärt er den Besuch Orbáns. Die bayerische Staatsregierung stehe nicht für Ausgrenzung und Diskriminierung. Bayern sei ein weltoffenes Land, das seine Stellung auch den Menschen verdanke, die "zu uns gekommen sind", sagte Seehofer.

Seehofer und Orbán teilen viele Ansichten in der Europapolitik

Er appellierte an Europa, für "gemeinsame Lösungen" zu kämpfen. Dazu gehöre aber auch, dass "Recht und Ordnung garantiert sind". Das Dublin-System, von dem Kritiker sagen, es lasse Griechenland und Italien mit den Flüchtlingen allein, müsse wieder eingehalten werden. Humanität und Freiheit seien nur zu erhalten, "wenn wir die Zuwanderung begrenzen", so Seehofer. Deshalb müsse man Europas Außengrenzen sichern. Das wird Orbán wohl gerne gehört haben, die bayerische Opposition weniger. Seehofer kündigte an, dass ein Besuch in Ungarn noch ausstehe, genauer: in Györ, der Partnerstadt seiner Heimat Ingolstadt.

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