Bayerischer Landtag:Natascha Kohnen macht mit einem Facebook-Video Karriere

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Und schon wird die bayerische SPD-Generalsekretärin als mögliche Spitzenkandidatin für die nächste Landtagswahl gehandelt.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

Jetzt ist Markus Rinderspacher in seinem Element: "Ein Stück weit heuchlerisch" sei Horst Seehofer, der Kanzlerin Angela Merkel für den EU-Gipfel auf einmal alles Gute wünsche, obwohl er seit Monaten nichts anderes tue, als ihre Politik zu hintertreiben. "Einen Bärendienst" habe der CSU-Chef dem Land erwiesen, als er "die Zerstörer der EU" - die Premiers Orbán und Cameron - in aller Freundschaft empfangen habe.

Und Bayern-Ei? "Ein Totalversagen" der Staatsregierung. Der SPD-Fraktionschef redet sich in Fahrt, er hat zur Pressekonferenz in den Landtag geladen. Das ist neu. Rinderspacher will auf die Plenarwoche einstimmen, will mit der SPD Akzente setzen. Und natürlich ist es auch seine ganz persönliche Bühne.

Auch ein anderes Mitglied der Bayern-SPD ist gerade dabei, sich eine ganz persönliche Bühne zu schaffen: Generalsekretärin Natascha Kohnen, Landtagsabgeordnete und seit Dezember auch Mitglied des SPD-Bundesvorstands.

Der 48-Jährigen ist diese Woche etwas gelungen, was noch keinem Mitglied des bayerischen Landtags je gelungen ist: Das Video einer Rede von ihr aus der Plenarsitzung vom 2. Februar wurde im Internet rund 750 000 Mal angesehen und auf Kohnens Facebook-Seite rund 8000 Mal geteilt.

Rinderspacher mit neuer Pressekonferenz, Kohnen auf Jagd nach Clicks im Internet? Man kann diese Details für unbedeutend halten. Man kann sie aber auch für wichtig erachten, wenn es für Politiker darum geht, sich selbst in Position zu bringen.

Das Warmlaufen für die Spitzenplätze hat längst begonnen

Die Halbzeit der Legislatur ist erreicht, die Parteien beginnen sich für die nächsten Wahlen zu sortieren. Auch in der SPD wird aufmerksam beobachtet, wer sich zu Themen äußert, auf welche Weise das geschieht. Wer in die Öffentlichkeit drängt.

Das Warmlaufen für die Spitzenplätze hat längst begonnen in den Parteien. In der CSU ist das eine Art Dauerzustand. Keine Woche vergeht, ohne dass über die Nachfolge von Horst Seehofer spekuliert würde. Bei den Grünen orientiert sich Fraktionschefin Margarete Bause schon jetzt nach Berlin, sie will in den Bundestag wechseln.

Auch bei der SPD werden Namen gehandelt - und der von Natascha Kohnen fällt immer öfter, egal in welchem Zusammenhang. Einmal wird ihr nachgesagt, sie wolle wie Bause für den Bundestag kandidieren.

Andere wollen bemerkt haben, dass sich Kohnen eine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl zutrauen könne. Kohnen lacht abschätzig, wenn sie auf die Gerüchte angesprochen wird. Das mit dem Bundestag etwa, das sei "totaler Quatsch".

In den Umfragen wird die SPD in Bayern derzeit bei deprimierenden 16 Prozent notiert. Nicht jeder empfindet es als erstrebenswert, diese stolze Partei in den Landtagswahlkampf zu führen.

Der Nürnberger Oberbürgermeister etwa, der populärste SPD-Politiker im Freistaat, wiegelt stets ab, wenn er darauf angesprochen wird. Er fühle sich in Nürnberg sehr wohl, sagt er in überzeugender Aufrichtigkeit. Im Umkehrschluss könnte man sagen: Im Landtag in München ist es nicht ganz so schön.

Bleibt Maly bei seinem Nein, wird die SPD einen anderen Spitzenkandidaten finden müssen. Landeschef Florian Pronold? Fraktionschef Rinderspacher? Oder doch die Generalsekretärin? Die Spitzenkandidatur sei "für jeden Sozialdemokraten eine Ehre, auf wen auch immer es zukommt", sagt Rinderspacher.

Aber warum nicht eine Sozialdemokratin? Will sich die SPD im Bewerberfeld abgrenzen, könnte sie mit einer Frau womöglich besser punkten als mit einem Mann. Gegen Kohnen spricht: Ihre Bekanntheit liegt noch unter der von Rinderspacher und Pronold.

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Parteifreunde nehmen ihren Ehrgeiz und ihre Angriffsfreude durchaus wohlwollend zur Kenntnis, sagen aber auch: Es mangele noch am politischen Profil. Kohnen ist eine Quereinsteigerin, erst seit 2008 sitzt sie im Landtag, ein Jahr später wurde die Münchnerin bereits zur Generalsekretärin berufen.

Dass ihre Rede eine derart große Aufmerksamkeit im Internet bekommt, erstaunt auf den ersten Blick ein bisschen, auch sie selbst. Womöglich ist es die Authentizität, die die Zuschauer berührt. Kohnen ist damals spontan aufgestanden, weil sie sich über die CSU geärgert hatte, und hat frei gesprochen.

Der Erfolg des Videos war kein Zufall, sondern geplante Öffentlichkeitsarbeit

"Es war eine grundehrliche Rede", sagt Kohnen am Mittwoch - und wirkt noch immer verblüfft über diesen Coup. Dass es zu so einem Hype gekommen ist, liegt am Pressesprecher der Bayern-SPD, der die Qualität des Auftritts erkannte, das Video auf Kohnens Facebook-Seite stellte und Aufforderungen verschickte, die Seite mit "gefällt mir" zu markieren. Es war also kein Zufall, sondern letztlich geplante Öffentlichkeitsarbeit, was dem Video zum Erfolg verholfen hat.

Bei der letzten Landtagswahl gab die SPD 25 Monate vorher bekannt, dass Christian Ude den Spitzenkandidaten geben soll. Aus dem Fehler hat die Partei gelernt. Diesmal will sie ihre Festlegung erst zum Jahreswechsel 2017/18 treffen, nach der Bundestagswahl also.

Dann weiß man auch, wie Landeschef Pronold abgeschnitten haben wird, ob er überhaupt infrage käme. Entscheiden werde wie immer die Partei, sagt Rinderspacher. Bis dahin versichern sich Pronold, Rinderspacher und Kohnen ihrer Wertschätzung. Noch nie hätten die Spitzen von Landtagsfraktion, Landesgruppe in Berlin und Partei so gut zusammengearbeitet wie derzeit, sagt Pronold.

"Es gibt kein Gegeneinander", sagt Rinderspacher. Doch als sich die Landtagsfraktion am Mittwoch für eine Volksbefragung gegen das Freihandelsabkommen CETA und damit gegen die offizielle Parteilinie ausspricht, ist nicht jeder glücklich. Rinderspacher ist dafür, Kohnen dagegen.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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