Motorsport mit Elektroautos:Die Stromschnellen

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Abt Sportsline, vor allem als VW- und Audi-Tuner bekannt, tritt mit diesem Rennwagen in der Formel E an. (Foto: Abt Sportsline)

Ihre Motoren klingen wie Jetturbinen, beim Rennausgang reden die Zuschauer mit: Bald startet die Formel E mit viel Formel 1-Know-how und innovativen Ideen. Nur Bernie Ecclestone ist nicht begeistert.

Von Jan Wilms

Bernie Ecclestone würde gerne, während er in diesem Frühling um seine Macht kämpft, auf Nebenschauplätze verzichten. Die Idee zur Formel E sei wohl ein Witz, befand der Formel-1-Boss. Er glaube nicht an die Zukunft des Rennsports, sollten Verbrennungsmotoren in der Startaufstellung fehlen. Mit dieser traditionellen Haltung vertritt der 83-jährige Impresario indes keine Mehrheit in der Formel 1: In den Vorbereitungen zur ersten elektrischen Rennserie der FIA engagieren sich derzeit einige große Namen aus der Königsklasse. Weshalb die im September startende Formel E zu einer kleinen Sensation werden könnte.

Gerade weil es an der Rennstrecke weder knallt noch nach Sprit stinkt, wird das Kennzeichen E als Formel für die Zukunft gehandelt. Schon der Spark-Renault SRT_01 E, das 272 PS starke Einheitsauto der Formel E, strotzt vor Kompetenz aus den Formel-1-Laboren: Sein voll elektrischer Antriebsstrang stammt von McLaren (und steckt modifiziert auch in deren Supersportwagen P1), die Lithium-Ionen-Batterie wird von Williams gebaut, Michelin liefert die Reifen dazu. Die technische Gesamtleitung für das rund 800 Kilo schwere Geschoss übernimmt Renault - als Entwickler der Weltmeistermotoren von Red Bull Racing und als Hersteller von Serienelektroautos erscheinen die Franzosen für eine solche Aufgabe prädestiniert.

Teams vereinen Know-how, Titel, Exzentrik und Glamour

Prominent schillert es auch unter den zehn Teams der Saison 2014/15: Audi Sport geht mit dem deutschen Rennstall-Partner Abt an den Start, das französische Rennteam Dams hat einen Elektroableger mit dem viermaligen Formel-1-Weltmeister Alain Prost als Teamchef gegründet. Auch Virgin Racing unter dem Milliardär und Raumfahrt-Pionier Richard Branson, Drayson Racing mit einem britischen Ex-Innovationsminister und Venturi GP mit Hollywood-Star Leonardo DiCaprio als Teamchef vereinen beinahe drehbuchreif Know-how, Titel, Exzentrik und Glamour.

"Natürlich sehen wir uns nicht in Konkurrenz zur Formel 1", sagt Formel-E-Chef Alejandro Agag, ein spanischer Ex-Politiker und Unternehmer, der gemeinsam mit Geldgebern bereits über 75 Millionen Euro in die E-Formel investiert haben soll: "Die Formel E hat ihre eigenen Gesetze und wird ihr eigenes Publikum gewinnen." So finden Training, Qualifying und das einstündige Rennen auf gesperrten Innenstadt-Straßen statt. Alles an einem Tag, um mit anderen Sportevents um mediale Aufmerksamkeit und Sponsorengelder konkurrieren zu können. Die Saison startet am 13. September in Peking, dann geht es nach Malaysia, Südamerika und in die USA. Im Frühsommer 2015 führt der Rennkalender auf Stadtkurse in Monte Carlo, Berlin-Tempelhof und London.

Rennfahrer vs. Videospieler

Die anvisierte junge Zielgruppe soll dabei auf bahnbrechende Weise interagieren können: Videospieler dürfen das Rennen simultan online mitfahren. Und die echten Piloten können Bonuspunkte über Social-Media-Kanäle sammeln. Der Sieger dieser Abstimmung gewinnt einen zehnsekündigen Boost mit 60 Extra-PS - nicht nur im Videospiel, sondern auch im realen Formel-E-Lauf. In diesem sprintet der Spark-Renault in rund drei Sekunden auf 100 Sachen, wofür ein Formel-1-Bolide nur 0,5 Sekunden weniger benötigt. Aufgrund der eingeschränkten Reichweite begrenzt die FIA die Höchstgeschwindigkeit bei 225 km/h. Auch die Elektromotoren werden auf eine Grundleistung von 180 PS limitiert, die - ähnlich wie in der Formel 1 - für eine festgelegte Anzahl an Überholmanövern auf 272 PS erhöht wird.

"Weil die E-Mobilität immer wichtiger wird, wollen wir von Anfang an im elektrischen Motorsport unsere technische Kompetenz beweisen", sagt Hans-Jürgen Abt, Chef des Teams Audi Sport Abt. Seit 1999, als er im Langstreckenrennen auf dem Nürburgring einen Audi A4 mit Erdgasmotor einsetzte, versucht sich der weltweit größte VW- und Audi-Tuner und fünfmalige DTM-Sieger an alternativen Antrieben. Diese Erfahrung soll den Unterschied machen: "Wir brauchen das Einheitsauto fürs erste Jahr, um gemeinsam lernen zu können. Dennoch bleibt Spielraum bei Abstimmung, Aerodynamik, Energiehaushalt oder Reifenluftdruck."

Toyota und Nissan, beide mit Hybrid- und Elektroautos auf der Straße und im Rennsport aktiv, fehlen in der Formel E genauso wie Porsche und Ferrari als Konstrukteure der Hybrid-Supersportwagen 918 Spyder und La Ferrari. Sie nutzen lieber - bis auf die in der Formel 1 aktiven Italiener - die Plattform der LMP1-Klasse in Le Mans, um mit ihren Hybrid-Langstreckenrennern Pokale und Publicity einzufahren.

Wie eine Staffel startender Jets

Die wichtige Krachfrage wurde jüngst vom SRT_01 E bei seiner offiziellen Vorstellung in Las Vegas mit durchaus faszinierenden Klangfarben beantwortet: niedrigtourig wimmernd, unter zunehmender Last schrill fauchend bis zur einer hochtourigen Hysterie bilden die Strom-Boliden ein packendes Klangspektrum ab. Fällt die Drehzahl, folgt auch der Ton in einer sirenenartigen Kurve. Mit zwanzig multipliziert - so viele Autos zählt das Feld - ist ein akustisches Spektakel ähnlich einer Staffel startender Jets vorstellbar. Gleichzeitig sind die Gangwechsel deutlich hörbar. Und die quietschenden Reifen. Trotz des sauberen Antriebs qualmt und stinkt deren Gummi nicht weniger als im konventionellen Motorsport.

Aufgrund des energieintensiven Rennens werden die Autos nach 20 Minuten getauscht. Hier hätte man auch auf alltagsnähere Schnelllader oder Batteriewechselsysteme zurückgreifen können. Positive Effekte für die alltägliche Elektromobilität beschwören die Akteure dennoch: "Im Motorsport arbeiten wir höchst kreativ im Grenzbereich. Diese Ideen kommen auch der Serie zugute", sagt Hans-Jürgen Abt. Und Formel-E-Geschäftsführer Alejandro Agag kündigt an: "Unsere Arbeit wird mithelfen, die Batteriekapazität in zwei Jahren zu verdoppeln." Sind beide damit erfolgreich, kann die neue Serie alle Initiativen abfangen, welche die Formel 1 weiter elektrifizieren wollen. Und würde so auch noch für Benzinsportfreunde zum Glücksfall.

© SZ vom 15.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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