Supersportwagen:Elektro-Schocker

La Ferrari, Ferrari, Sportwagen

Bis zu 963 PS: der Ferrari La Ferrari

(Foto: Ferrari)

Hybride als Herzschrittmacher der Superlative mit fast 1000 PS: Porsche 918 Spyder, McLaren P1 und Ferrari LaFerrari eröffnen reichen Kunden neue Dimensionen im Grenzbereich. Doch hat der Hybridantrieb für einen Supersportwagen überhaupt Sinn?

Von Georg Kacher

Bahn frei für drei neue Extremsportwagen, die mit Hybridtechnik Höchstleistungen erzielen. LaFerrari kombiniert den legendären V12-Sauger mit einem 163 PS starken Elektroherz, der McLaren P1 verblockt einen aufgeladenen V8 mit einer noch kräftigeren E-Maschine, Porsche betreibt im 918 Spyder neben dem Achtzylinder sogar an jeder Achse einen Elektromotor. Damit bekennen sich drei führende Premiumhersteller mit ihren Topmodellen zu einem Antriebskonzept, das sich mittelfristig auch auf breiter Front und in anderen Fahrzeugklassen durchsetzen dürfte.

Offiziell sagt keiner über den anderen ein böses Wort. Doch hinter vorgehaltener Hand wird gestichelt und getuschelt. Beliebter Schauplatz der Schattenbox-Duelle ist die Nordschleife, heiliger Sportwagen-Gral und für viele die ultimative Kraft-mal-Weg-Messlatte. Porsche hat erst vor kurzem den 918 Spyder in der grünen Hölle mit einer Rundenzeit von 6:57 Minuten auf die Pole-Position für das schnellste Serienauto gestellt. "Alles in D, auf Serienpneus und mit voll aktiven Regelsystemen", erinnert sich Walter Röhrl mit breitem Grinsen.

Ferrari pilgert in die Eifel

Der McLaren-Boss Ron Dennis hatte bereits auf dem Genfer Salon angekündigt, mit dem P1 die Sieben-Minuten-Schallmauer knacken zu wollen, und auch die Italiener pilgern mit ihrem besten Stück regelmäßig in die Eifel, doch hier wie dort geht es inzwischen wohl mehr ums Prestige als um absatzfördernde Rundenzeiten, denn LaFerrari (Preis knapp 1,2 Millionen Euro, Auflage 499 Stück) und P1 (Preis 1.070.000 Euro, limitiert auf 375 Einheiten) sind ausverkauft. Der 918 (Preis 768.026 Euro, 918 Stück) ist dagegen noch zu haben; bislang haben erst rund 550 Kunden die geforderte Anzahlung geleistet.

Ob die Hersteller mit ihren Überfliegern trotz der hohen Preise Geld verdienen, darf aufgrund der kleinen Stückzahlen und der enormen Investitionen bezweifelt werden. Möglichst viele offene oder verdeckte Synergieeffekte sollen die Kostenlawine einbremsen. LaFerrari teilt sich zum Beispiel den Radstand (2650 Millimeter) mit dem 458 und den V12-Grundmotor mit den Modellen F12 und FF. Wesentliche Elemente des 918 Spyder wie Triebwerk und Radaufhängung lassen sich auf den RS Spyder zurückführen - übrigens eine interessante Parallele zur Rennsport-DNA des Carrera GT. Der McLaren P1 ist Teil eines Modulbaukastens mit V8-Motor und Karbon-Monocoque, aus dem sich auch der MP4 und das für 2015 avisierte Einstiegsmodell bedienen. Während Aufbau, Chassis und Benzinmotor jeweils in Eigenregie entwickelt werden, verlässt man sich bei Batterien und E-Motoren auf führende Zulieferer.

Ferrari hält sich in Bezug auf die technischen Daten noch bedeckt. Das angegebene Trockengewicht von 1365 Kilo ist kein wirklich aussagekräftiger Wert, die Beschleunigung von null auf 100 km/h wird vage mit "unter drei Sekunden" beziffert, statt dem Verbrauch listet das Datenblatt eine CO2-Emission von 330 Gramm pro Kilometer. Zum Vergleich: der P1 emittiert 194 Gramm pro Kilometer, Porsche nennt sogar 72 Gramm pro Kilometer beziehungsweise 3,0 Liter pro 100 Kilometer. Wir haben mit dem 918 Spyder auf 1800 Kilometern allerdings im Schnitt 10,6 Liter verbraucht, das entspricht etwa 245 Gramm CO2 pro Kilometer.

Brücke von der Formel 1 zum Straßensportwagen

Hat der Hybridantrieb für einen Supersportwagen überhaupt Sinn? Ja und nein. Batterie, E-Maschine, Trennkupplung, Leistungselektronik und Zusatzkühlung sorgen für ein Gewichtshandicap. Deshalb haben sich die Porsche-Händler anfangs für einen leichteren und günstigeren 918 V8 ohne Hybridpaket stark gemacht. Mit der visionären Technik sollen der Porsche, LaFerrari und P1 aber nicht nur die Kasse klingeln lassen, sondern auch in die Marke einzahlen. Ferrari tut das, indem man eine Brücke schlägt von der Formel 1 zum Straßensportwagen. Drei Elemente spielen dabei eine tragende Rolle: die aktive Aerodynamik ohne ostentatives Flügelwerk, der Boosteffekt des Hy-Kers-Elektroantriebs und das zwei Welten verbindende, ebenso minimalistische wie luxuriöse Cockpit.

Die absoluten Fahrleistungen sind eigentlich nur auf der Rennstrecke und am Stammtisch ein Thema. Hier die Eckdaten von LaFerrari/P1/918 im Detail: 0-100 km/h in unter 3,0/2,8/2,6 Sekunden; Spitze bei rund 350 km/h. Im täglichen Umgang viel entscheidender ist der Zugang zu dieser ganz speziellen Hightech-Erlebniswelt, und der beginnt schon mit dem Öffnen der Fahrertür. Das Cockpit des roten Renners überrascht mit einem Mix aus fest installierten Sitzen und verstellbaren Pedalen, der McLaren heißt uns mit einer Schraubstockschale und einem Digitalbildschirm willkommen, der Spyder aus Weissach mischt verbindliche Styling-Elemente mit einem Hightech-Infotainment und der räumlichen Enge einer strengen Kammer.

Die erste Fahrt? Grenzerweiternd!

In diesen Fahrmaschinen stört kein profaner Schalthebel, kein lästiges Kupplungspedal, kein komplexer Dreh-/Drücksteller den Dialog zwischen Mensch und Auto. Geschaltet wird mit den Zeigefingern, für das Boosten ist der rechte Fuß zuständig, die Fahrdynamik schärft man mit kleinen Rädchen, Knubbeln und Tasten. Frei nach dem Motto "weniger ist mehr" wird auf Seitenairbags ebenso verzichtet wie auf Assistenzsysteme und auf das lieb gewonnene Head-up-Display. Fernando Alonso beschrieb im Ferrari-Magazin die erste Fahrt im neuen Überflieger als "grenzerweiternd".

Anders als im Monoposto, wo der Pilot per Knopfdruck die letzten Reserven mobilisiert, schaltet sich Hy-Kers selbsttätig und nahezu unmerklich zu. Geladen werden die Akkus vom mächtigen V12 vor allem in Kurven, wo nur ein Teil der Motorleistung zum Vortrieb benötigt wird. Der 800 PS starke Sauger macht gemeinsame Sache mit einem 163 PS starken E-Motor - das ergibt in Summe 963 PS und über 900 Newtonmeter. Der McLaren mobilisiert 916 PS und 900 Newtonmeter, der Porsche bringt es auf 887 PS und - in Abhängigkeit von der Fahrstufe - auf 917 bis 1280 Newtonmeter.

vom Öko-Spyder zum Kampflinien-Profi

918 und LaFerrari nutzen auch den Rekuperationseffekt der Bremse zum Aufladen der Batterie. Im P1 erledigt diese Aufgabe ausschließlich der 737 PS starke 3,8 Liter V8 - ersatzweise muss das gute Stück über Nacht an die Steckdose. Wer es darauf anlegt, kann bis zu elf Kilometer emissionsfrei durchs Land stromern. Der Porsche kommt unter idealen Bedingungen sogar 30 Kilometer weit, Ferrari hält sich in Sachen Reichweite noch bedeckt. Im Auto aus Maranello schnurren zwei E-Aggregate, eines zum Angasen und eines zur Versorgung der Nebenaggregate. Analog zu LaFerrari treibt auch der P1 im Doppelpack nur die Hinterräder an. Ganz anders der Porsche: E-Motor hinten, E-Motor vorne, dazu der böse grollende Hochdrehzahl-Sauger. Was das bringt? Auf niedrigen Reibwerten mehr Traktion und im Grenzbereich mehr Stabilität. Der 918 benimmt sich zwar im Prinzip wie ein Hecktriebler, doch kurz bevor der Grip abzureißen droht, korrigiert ein kurzer E-Impuls am Vorderwagen die Drehmomentverteilung. Gut möglich, dass genau diese Variabilität die entscheidenden Sekunden am Ring einfährt.

Im Race-Modus und mit gedrücktem Hot-Lap-Knopf mutiert der 918 vom Öko-Spyder zum Kampflinien-Profi. Ab sofort steht ab einem gewissen Gaspedal-Druckpunkt die volle Boost-Power zur Verfügung, arbeitet das Getriebe mit der aggressivsten Schaltstrategie, pfeilt der Flügel flach durch den Wind, verausgabt sich die Batterie bis zur völligen Entladung. Die ganze Bandbreite des Hybridantriebs erschließt sich in der Tat am ehesten im Porsche, der nach Vorgabe des Fahrers verschiedene Welten durcheilt und dabei Neuland erobert - rekuperieren, segeln, laden, boosten und staunen. Vor allem staunen. Denn die Koordination der Dreimotorigkeit über das Gaspedal, die Schaltpaddel und den Kennfeldregler ist schon ein Erlebnis der besonderen Art.

Neue Showeffekte im McLaren

Wer glaubt, der 918 sei zu laut, steif und kompromisslos, der sollte sich in den P1 einfädeln und das Race-Programm anwählen. McLaren setzt ganz bewusst ein paar neue Showeffekte. Zum Beispiel die blaue DRS-Taste zum Flachstellen des Flügels oder den roten Push-to-Pass-Knopf für eine Extraportion Elektro Energie. Den Wechsel von Sport zu Race inszeniert der P1 als 30-Sekunden-Kurzfilm mit neuer Instrumentengrafik, geänderter Front- und Heckspoilerposition, um 50 Millimeter abgesenktem Fahrwerk und nachgeschärftem Dynamikprogramm. Nach diversem Surren und Zischen verhärten die Federn um den Faktor 3,5, die Dämpfer arbeiten an der Grenze zum Muskelkrampf, die Lenkung reagiert zäh und zackig zugleich, der Heckflügel mutiert bei voller Verzögerung zur Luftbremse, und beim Hochschalten unter Volllast treten dir die geballte E-Power, die wuchtige V8-Drehmomentspitze und der kurzhubige Overboost vereint in die Magengrube.

Die Ferrari-Tugenden kennen wir nur vom Hörensagen. Auf Knopfdruck werden die Dämpfer entkoppelt und eine weichere Kennlinie angesteuert. Wie in den anderen Modellen darf man also auf eine Symbiose aus ordentlichem Komfort und guter Beherrschbarkeit hoffen. Details wie die Taste zur Fahrwerk-Höhenverstellung, die erweiterte Instrumentengrafik und die adaptive Luftführung über und unter die Karosserie lassen ebenfalls ein sehr spezielles Fahrerlebnis erwarten. An der Via Abetone denkt man bereits über eine zweite LaFerrari-Serie mit Spyder-Karosserie nach.

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