Fahrbericht Kia Optima:Teufel im Detail

Zu viele kleine Schwächen: Der Kia Optima ist noch nicht auf Augenhöhe mit Mittelklasse-Konkurrenten wie dem VW Passat oder dem Opel Insignia. Doch der Gesamteindruck stimmt - und zeigt, wie gut die Koreaner geworden sind.

Von Sascha Gorhau

Ferdinand Piëch wollte den VW Phaeton unbedingt. Dem VW-Patriarchen war vermutlich klar, dass die Luxus-Limousine kein Verkaufserfolg werden würde. Ihm war das egal. Er wollte keinen Kassenschlager, davon hat Volkswagen ohnehin genug. Er wollte ein Aushängeschild, ein Flaggschiff, einen Technologieträger. Eine ähnliche Rolle spielt der Optima im Modellprogramm von Kia. Die Koreaner verkaufen in Deutschland die meisten Einheiten vom kompakten Ceed, dem SUV Sportage oder dem Kleinwagen Rio.

Dass Kia nicht ernsthaft damit rechnet, dass sich der Optima auf Augenhöhe mit den Mittelklassekonkurrenten in Deutschland etabliert, belegt die Tatsache, dass der Wagen nur als Stufenhecklimousine erhältlich ist. Doch Deutschland ist das Land der Laster. Mehr als 70 Prozent der Fahrzeuge in der Mittelklasse mit Modellen wie dem VW Passat, dem Opel Insignia oder dem Ford Mondeo sind Kombinationskraftwagen.

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Konsequent auf den europäischen Geschmack ausrichtet: Das Exterieur des Kia Optima ist eine seiner Stärken.

(Foto: SOM)

Das ist schade, denn die Optik der Limousine ist so gelungen, dass der Optima vermutlich auch mit Rucksack ansprechend ausgesehen hätte. Seine Front trägt das Markengesicht von Kia, macht aus wenig viel. Ein simpler Wabengrill oder seitliche Lufteinlässe geben dem Wagen einen sportlichen Auftritt.

Auch die Seitenführung entspricht dem europäischen Geschmack: lange Schnauze, klare Linien, ein abfallendes Dach und eine aufsteigende Charakterlinie prägen die Limousine. Klar, Kia hilft ein wenig nach, stellt unserer Redaktion ein Fahrzeug mit der Top-Ausstattung namens Spirit zur Verfügung. Die trägt mit Sport-Kühlergrill, Schwellerschürzen und anderen Stoßfängern noch etwas dicker auf als die Basisversionen namens Attract oder Edition 7. Doch was wirklich wichtig ist, die klare Linienführung und der stimmige Gesamtauftritt, ist serienmäßig.

Umfangreiche Serienausstattung

Überhaupt ist die Serienausstattung des Optima erfreulich umfangreich. Ein Spurhalteassistent beispielsweise oder ein System, das den Reifendruck kontrolliert. Gerade im Stadtverkehr leistet das Abbiegelicht gute Dienste. Es leuchtet die Bereiche neben dem Fahrzeug gut aus und sorgt dafür, dass kreuzende Fußgänger oder Radfahrer deutlich früher erkannt werden können. Diesen Effekt unterstützen die serienmäßigen Xenonlampen, die die Fahrbahn hervorragend ausleuchten. Am Heck des Fahrzeugs sorgen die LED-Lampen für gute Sichtbarkeit für den folgenden Verkehr.

Der Innenraum macht einen soliden Eindruck. Das Cockpit ist auf den Fahrer ausgerichtet, gibt ein sportliches Gefühl. Den großzügigen Einsatz von Applikationen und Blenden aus Aluminium hat sich Kia bei Audi abgeschaut. Kein Wunder, schließlich war Kia-Präsident Peter Schreyer früher mal bei den Ingolstädtern fürs Design verantwortlich. Das mag zwar ein wenig plump sein, erfüllt seinen Zweck aber allemal und trägt zum positiven Eindruck des Interieurs bei. Doch das hohe Niveau des Exterieurs kann der Optima innen nicht halten. Dafür ist das Lenkrad zu überfrachtet mit Schaltern, dafür ist die Materialanmutung nicht so hoch wie bei der europäischen Konkurrenz und dafür ist Kia zu naiv, wenn die Koreaner glauben, ein beleuchtetes Handschuhfach sei nicht notwendig.

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Der Innenraum: gute Verarbeitung und ansprechende Optik - doch im Detail finden sich Schwächen.

(Foto: SOM)

Die Schwächen liegen allerdings in den Details. Die Rahmenbedingungen jedoch stimmen. Das Platzangebot ist üppig, lediglich ausgesprochen große Menschen führen die Kopffreiheit des Wagens an seine Grenzen. Die Kniefreiheit ist auch hinten üppig und die Sitze bequem und langstreckentauglich. Der Kofferraum fasst 505 Liter. Passend zu diesem großzügigen Laderaum ist die Rücksitzbank flexibel im Verhältnis 60 zu 40 umklappbar. Doch wieder patzt der Optima im Detail. Der kleine Kofferraumausschnitt schränkt die Beladbarkeit ein. Und unter der Hutablage ist das Blech nackt und unverkleidet. Das wirkt billig und unausgereift.

Unkompliziertes Fahrverhalten

Das gilt nicht für die Fahreigenschaften des Kia. Vor allem nicht im Anbetracht der Tatsache, dass der Optima eine komplette Neuentwicklung ist. Prinzipiell fährt die Limousine ausgewogen und beherrschbar. Obwohl die Federung eher straff ist, leidet darunter nicht der Komfort. Im Gegenteil: Das gutmütige Fahrverhalten und die niedrige Geräuschkulisse sorgen in Kombination mit den guten Sitzen für echten Langstreckenkomfort.

Allein der etwas schwächliche Dieselmotor trübt diesen guten Eindruck. Mit einem Hubraum von lediglich 1,7 Litern erfüllt der Selbstzünder zwar die aktuellen Standards, die sich in Richtung Downsizing bewegen - flotten Vorwärtsdrang können die 136 PS allerdings nicht entwickeln. Zur emotionsfreien Fortbewegung reichen sie allemal. Doch nur die Vernunft vermag der Motor auch nicht zu befriedigen. Dafür war sein Testverbrauch mit durchschnittlich 6,7 Litern einfach zu hoch. Ein stärkerer Selbstzünder ist nicht erhältlich und der 165-PS-Benziner dürfte in Deutschland eine Seltenheit bleiben.

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Mit 136-Diesel-PS ist der Kia Optima ausreichend, aber nicht üppig motorisiert.

(Foto: SOM)

Dabei ist der Optima an sich schon ein seltener Anblick: Ganze 584 Stück wurden in Deutschland 2012 ausgeliefert. Volkswagen verkaufte vom Phaeton fast viermal so viele Einheiten im vergangenen Jahr. Doch eigentlich ist es unfair, mit Verkaufszahlen zu argumentieren. Daran wird Kia den Optima nicht messen. Dass er die direkte Konkurrenz nicht auf Anhieb aussticht, ist keine Überraschung.

Doch der Optima ist insgesamt gelungen und eine individuelle Alternative zum üblichen Dienstfahrzeugseinheitsbrei auf der linken Autobahnspur. Er ist kein glatter Streber, sondern ein Charaktertyp. Allerdings bietet er seine Reize nicht unter Wert feil. Der Testwagen mit gehobener Ausstattung hatte einen Gesamtpreis von immerhin 34.960 Euro. Das ist immer noch günstiger als die Konkurrenz, ein Schnäppchen jedoch nicht. Wozu auch? Kia muss nicht mehr mit Riesenrabatten um die Käufer buhlen. Das Gesamtkonzept ist stimmig. Fahrzeuge wie der Optima belegen das.

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