Elektromobilität:Dobrindts Chaos-Pläne

Das Elektroauto Nissan Leaf auf einer Busspur in Oslo.

Das Elektroauto Nissan Leaf auf einer Bus- und Taxispur in Oslo. Nach Plänen von Verkehrsminister Dobrindt soll das bald auch in Deutschland möglich sein.

(Foto: Nissan)

Der Verkehrsminister will die Busspuren in Städten für E-Autos freigeben. Verkehrsunternehmen kritisieren das Vorhaben harsch. Elektromobilität werde nicht gefördert, sondern geschwächt.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Wenn es drauf ankommt, hat Sigrid Nikutta, Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), keine Hemmungen, Klartext zu reden. Als sie kürzlich vor Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt stand, kam es offenbar drauf an. Bei einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrsforums schwärmte der CSU-Politiker von seinen Plänen zur Förderung der Elektromobilität. Ein Vorschlag lautet, die Busspuren in Städten auch für Elektroautos freizugeben, damit E-Autos schneller vorankommen als normale Autos. Nikutta reagierte empört. "Ein Elektroauto hat zwei große Nachteile", informierte sie den Minister energisch. Erstens stehe es im Stau und zweitens benötige es einen Parkplatz. "In Berlin haben wir sehr viele Staus und sehr wenige Parkplätze."

Die Lösung für den Verkehr in einer Großstadt könne also nicht lauten: Leute, fahrt Elektroauto. Stattdessen müsse es heißen: Leute, fahrt Bus und Bahn. Das aber heiße: Busspuren müssten auch in Zukunft frei bleiben! Mit dieser Ansicht ist die BVG-Chefin nicht allein.

München könnte nur 1,7 Kilometer Busspuren für E-Autos freigeben

Auch in anderen Großstädten stoßen Dobrindts Pläne auf Widerspruch. In München etwa hätten sie eine geradezu verheerende Wirkung für den öffentlichen Personenverkehr. Das zeigt ein Brief, den der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Herbert König, vor wenigen Tagen an das Verkehrsministerium geschickt hat. Münchens Straßennetz verfüge über insgesamt 22 Kilometer an "besonderen Fahrwegen", schreibt König. Der größte Teil davon werde jedoch nicht nur von Bussen, sondern auch von Straßenbahnen genutzt, sodass diese Wege ohnehin nicht für E-Autos freigegeben werden könnten. "Damit wären in München potenziell nur 1,7 Kilometer Busspuren durch Elektroautos befahrbar", heißt es in dem Brief. Diese 1,7 Kilometer würden jedoch bereits jetzt pro Stunde von bis zu 18 Buslinien genutzt. Ihre Durchschnittsgeschwindigkeit betrage wegen der Wartezeiten an den Haltestellen gerade mal 20 Stundenkilometer.

Damit ist offensichtlich, was Dobrindts Pläne wohl bewirken würden: Chaos im Nahverkehr. Denn wenn auf diesen wenigen, langsam befahrenen Straßen zu den Bussen auch noch Elektroautos als Störenfreide dazukämen, stiege die Gefahr von Staus - und somit verspäteten Bussen - deutlich. Zugleich aber ist klar abzusehen, dass das Benutzen einer derart befahrenen Busspur für den Besitzer eines E-Autos überhaupt nicht interessant ist. Oder, wie König es schreibt: Die Möglichkeit, die Busspur zu nutzen, entfalte "faktisch keinerlei Anreizwirkung für potenzielle Käufer und Nutzer von E-Autos".

Experten kritisieren das Vorhaben als "völlig kontraproduktiv"

Dabei betont der MVG-Chef, dass der Ausbau der Elektromobilität natürlich wichtig sei. In München aber würden bereits 30 Prozent aller Wege mit dem öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt - und davon wiederum "80 Prozent mit elektrisch betriebenen Verkehrsmitteln". Ziel sei, den Anteil der Elektromobilität auf 100 Prozent zu steigern. "Hierfür wäre es aber völlig kontraproduktiv", wenn die Busse auf den Busspuren, die ja extra dafür angelegt wurden, den Nahverkehr zu beschleunigen, "durch eine Mischnutzung in ihrer Zuverlässigkeit, Attraktivität und Wirtschaftlichkeit reduziert würden".

Jürgen Fenske, Präsident des Verband der Verkehrsunternehmen, lehnt Dobrindts Pläne ebenfalls ab - und hat sich deshalb mit einem Brief an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gewandt. Der öffentliche Nahverkehr sei "die energieeffizienteste Form gerade urbaner Personenbeförderung", schreibt Fenske. Er dürfe "in seiner Attraktivität und Leistungsfähigkeit nicht benachteiligt werden". Erfahrungen aus anderen Großstädten wie Oslo zeigten, "dass Linienbusse ihre Abfahrtszeiten aufgrund völlig überlasteter Busspuren nicht mehr einhalten können, Anschlussfahrten nicht erreicht werden und Busspuren auch von konventionell angetriebenen Fahrzeugen mitgenutzt werden".

Im Bundesverkehrsministerium reagiert man gelassen auf die Kritik. Mit dem Gesetz wolle man nur den Rahmen dafür schaffen, dass die Kommunen Busspuren für E-Autos freigeben können. Ob und wie umfangreich sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, sei jedoch der freien Entscheidung jeder Kommune selbst überlassen, sagt ein Sprecherin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: