Cadillac CT6 im Test:Das Trump-Mobil ist nicht gut genug

Die amerikanische Luxuslimousine Cadillac CT6 in der Frontansicht.

Der 5,20 Meter lange Cadillac CT6 kostet mindestens 73 500 Euro - ein Schnäppchen im Vergleich zu A8, 7er und Co.

(Foto: Cadillac/Fets)

Der US-Präsident will keinen Mercedes mehr auf der Fifth Avenue sehen, dafür mehr Cadillacs. Der CT6 zeigt, warum sich nun sogar die Amerikaner von ihrer Luxusmarke abwenden.

Von Joachim Becker

Das Beste oder nichts: Wer Luxusauto sagt, meint Mercedes. Das gilt zumindest für Donald Trump. "Es ist furchtbar, was sie uns antun. Sie senden ihre Mercedes hierher, wir können unsere Autos nicht hinschicken", twitterte der US- Präsident. Der große Wagen mit dem Stern ist also ein (Status-)Symbol - auch und gerade in New York: Er werde seine Handelspolitik beibehalten, bis keine Mercedes-Modelle mehr auf der Fifth Avenue fahren, sagte Trump laut Medienberichten im April. Der Präsident ist davon überzeugt, dass der Erfolg deutscher Autokonzerne in den USA zu einem wesentlichen Teil auf ungerechten Handelsvorteilen beruht.

Das erklärt zwar noch nicht, warum in der Fifth Avenue nicht schon heute reihenweise Cadillacs stehen. Denn günstiger als in Amerika sind diese Luxuslimousinen nirgendwo. Aber Logik spielt im Twitter-Feldzug des Präsidenten eine untergeordnete Rolle. Bei uns sind Ami-Schlitten jedenfalls die große Ausnahme - was nicht unbedingt am Einfuhrzoll von zehn Prozent liegt. 2017 verkaufte Cadillac knapp 1000 Fahrzeuge in Europa. Zum Vergleich: Mercedes hat allein von Januar bis Mai 2018 in den USA 147 000 Autos verkauft, mehr als die Hälfte wurde importiert. Kein Wunder, dass der US-Präsident genervt ist.

Auch beim größten Automobilhersteller der USA liegen die Nerven blank: In der existenzbedrohenden Krise des Jahres 2009 hatte der Cadillac-Mutterkonzern General Motors (GM) alle Luxusprogramme auf Eis gelegt und die Modellpalette ausgedünnt. Der neue Markenpräsident Johan de Nysschen trat 2014 mit einem Investitionetat im Umfang von zwölf Milliarden US-Dollar an, um weltweit wieder an die Spitze zu kommen.

Das Flaggschiff CT6 führt diese Comeback-Offensive an. Der Herausforderer des Audi A8, BMW 7er und der Mercedes S-Klasse knüpft mit fast 5,20 Meter Länge an seine luxuriösen Vorgänger an. Mit effizienten Motoren, Aluminium-Leichtbau und der Super-Cruise-Technologie für semi-autonomes Fahren will er auch sonst ganz vorne dabei sein. Auf den ersten Blick spricht also nichts gegen eine Caddi-Parade auf der Fifth Avenue.

Limousinen sind in den USA immer weniger gefragt

Es geht in dieser Klasse weniger um Zoll- als um Stilfragen: Cadillac stand mit seinem exzentrischen Design in den 40er- und 50er-Jahren für den ungebremsten Fortschrittsglauben der USA. Mit endlosen Motorhauben und noch längeren Heckflossen im Format von Düsenjägern wirkten die Wagen wie aus einer anderen Welt. Nicht weniger filmreif waren die bonbonbunt-modernen Wohnzimmer-Interieurs inklusive der ersten Klimaanlagen.

Wenn man US-Kunden fragt, wollen sie diesen "American way of drive" noch immer. Allerdings kaufen sie das überbordende Raumgefühl und den typischen Flausch-Komfort heute in Form eines SUV. Limousinen sind in den USA immer weniger gefragt, die Wagen lassen sich nur noch mit großen Rabatten verkaufen. Einzige Ausnahme bleibt die Luxusnische, in der europäischer Lifestyle gefragt ist: also große Autos, die sich als schlankes, schickes Coupé verkleiden. Diesen Wunsch kann der mächtige Cadillac nicht erfüllen.

Das Überformat hat auch Vorteile

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Der Prestigekampf zwischen Europäern und Amerikanern findet nicht zuletzt in China statt. Dort war GM die Nummer eins, rutschte im vergangenen Jahr mit 16,7 Prozent Marktanteil aber auf Platz zwei hinter VW (17,3 Prozent). Beide Unternehmen setzen mehr als 40 Prozent ihrer weltweit verkauften Pkw in China ab. Kein Wunder, dass sich GM-Chefin Mary Barra öffentlich gegen Handelsschranken ausspricht und vor Jobverlusten warnt. Auch für Luxuslimousinen kann dieser Streit gefährlich werden, denn der größte Teil von ihnen wird in China verkauft - und für diesen Markt maßgeblich entwickelt. Autos in der Preisklasse von 100 000 Euro werden dort vor allem als Chauffeurlimousinen eingesetzt. Deshalb gibt es von Audi A8, BMW 7er, Mercedes S-Klasse sowohl Kurz- als auch Langversionen. Ein solcher Modellspagat lohnt sich aber erst bei höheren Stückzahlen.

In einem verwinkelten deutschen Parkhaus fühlen sich die Riesendinger so sperrig an wie XXL-Gummi-Flamingos in der Badewanne. Wer es nach häufigerem Rangieren über alle Rampen bis zur Ausfahrt geschafft hat, lernt die Vorteile des Überformats schätzen: Länge läuft, der CT6 fährt auch bei höherem Autobahntempo stoisch geradeaus.

Dabei müssen vier Erwachsene auf nichts verzichten - außer auf den typisch amerikanischen Komfort. Anders als die deutschen Wettbewerber ist der größte Cadillac erstaunlich straff gefedert. Er erinnert weniger an ihre Majestät, die S-Klasse, oder den BMW 7er mit seinem Rolls-Royce-Fahrwerk als an einen Maserati Quattroporte. Die niedrige Dachlinie von 1,47 Meter passt genauso gut dazu wie zu den legendären Vorbildern aus dem eigenen Hause. Auch der Sechszylinder unter der langen Haube bringt mit 417 PS die nötige Leistung mit. Aber im schnellen Kurvenslalom werden allzu sportliche Ambitionen schnell entzaubert.

Der CT6-Bug mit seinen vertikalen Lichtbändern zitiert die kantig-extrovertierten Formen der goldenen Jahre. Die Zeit der unaerodynamischen Spritschlucker ist aber vorbei. Immer neue Anforderungen an die Crash-Sicherheit und Effizienz ließen die Dinos aussterben. Mit knapp über zehn Liter Testverbrauch muss sich der CT6 3.0 TT nicht verstecken. Geschichte ist allerdings auch das sanfte Gleiten von einst. Manchmal schaltet die Automatik in den niedrigen Gängen etwas ruppig, dann dringen Schlaglöcher kaum gefiltert durch. Es ist, als ob man jedes Mal unsanft aus dem amerikanischen Traum gerissen würde.

Der Chef ging schon wieder von Bord

Vorteil der relativ straffen Abstimmung ist das präzise Lenkgefühl, das den Straßenkreuzern früher abging. Dafür beansprucht der riesige Touch-Bildschirm jetzt zu viel Aufmerksamkeit. Für kleinste Klimaveränderungen müssen sich Finger und Augen mit Mini-Symbolen abplagen. Die Ablenkung vom Straßenverkehr ist bei höheren Geschwindigkeiten ein echtes Problem.

Es stimmt schon, dass der CT6 mit der Tradition der Marke bricht und Luxus "auf ganz neue Art" interpretiert. "Er soll die Passion für das Fahren großer Premium-Automobile neu entfachen", sagte Johan de Nysschen zu Anfang des Jahres. Kritiker warfen dem früheren Audi- und Nissan-Manager vor, er habe zu viel Zeit damit verbracht, den deutschen Marken hinterherzujagen, statt sich auf Cadillacs eigene Stärken zu konzentrieren. Tatsächlich kommt der große Caddi nicht an die Fahrwerksfinesse der deutschen Wettbewerber heran. Das Bessere ist hier des Guten Feind.

Das sehen wohl auch viele Kunden so, die Absatzzahlen steigen nicht wie gewünscht. Im April ging de Nysschen im Streit von Bord. In der Autobranche kursieren Gerüchte, dass der CT6 mit fünf anderen Limousinen zu Anfang der nächsten Dekade auslaufen soll. Dann helfen auch die höchsten Zollschranken nichts mehr.

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