Grüne:Habeck offen für Waffenlieferungen an die Ukraine

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Parteivorsitzender Robert Habeck besuchte am Dienstag in der Ukraine ein zerstörtes Dorf. (Foto: Klaus Remme/dpa)

Bei einer Reise in die Krisenregion sagt Grünen-Chef Robert Habeck, "Defensivwaffen" zur Verteidigung könne man der Ukraine schwer verwehren. Ein Affront, nicht nur gegen die eigene Partei.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wenige Stunden dauert seine Reise erst, da sorgt Robert Habeck für Aufregung. "Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung, kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren", sagt der Grünen-Vorsitzende am Ende des ersten Tages dem Deutschlandfunk. Zwar lehnen die Grünen Rüstungsexporte in Krisenregionen grundsätzlich ab, Habeck aber bleibt aber dabei. "Natürlich sind wir eine Partei, die aus dem Pazifismus kommt, und jeder Konflikt ist ein Elend, und wenn die Menschen sterben, ist das schlimm." Wer sich mit der Ukraine etwas beschäftige, könne aber "zumindestens Hilfe zur Selbsthilfe, zur Verteidigung" nicht ablehnen.

Seit sieben Jahren bekämpfen sich prorussische Separatisten und ukrainische Regierungstruppen in der Ostukraine. Mehr als 13000 Menschen sind dabei getötet worden. Nach neuerlichen Eskalationen forderte die ukrainische Regierung Waffenlieferungen aus dem Westen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in dem Konflikt immer wieder vermittelte, lehnt es strikt ab, dass Deutschland solchen Wünschen nachkommt - auch aus Sorge, die Auseinandersetzungen noch anzuheizen. Dabei macht sie keinen Unterschied zwischen Offensiv- und Defensivwaffen, anders als einige Nato-Staaten. "Eine militärische Lösung sehe ich nicht", sagte Merkel 2015 bei einem Besuch im Weißen Haus. Die SPD teilt diese Absage an Waffenlieferungen.

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Bei den Grünen wiederum ist es Konsens, Rüstungsexporte in Krisenregionen zu stoppen. "Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen", steht im Entwurf des grünen Wahlprogramms, das die Parteivorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock kürzlich präsentiert haben. Stattdessen fordern die Grünen eine "restriktive Rüstungsexportkontrolle der EU mit einklagbaren strengen Regeln und Sanktionsmöglichkeiten".

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Ihr neues Grundsatzprogramm wird noch deutlicher: "Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete verbieten sich", heißt es da. Dass Habeck von dieser Linie nun abweichen will, zumindest bei defensiven Waffensystemen, sagte er offenbar unter dem Eindruck vorangegangener Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selensky, dem ukrainischen Ministerpräsidenten und dem Außenminister.

Am Dienstag dürften etliche Protestnoten aus Berlin bei ihm eingetroffen sein. "Die Forderung, der Ukraine sogenannte Abwehrwaffen zu liefern, ist leichtfertig", sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem Spiegel. Während die Grünen Waffenlieferungen aus der EU in Spannungsgebiete beenden wollten, verkenne "der ehemalige Landesumweltminister das komplexe Krisenmanagement in der Region". Vor dem Hintergrund der Entspannungsbemühungen durch die OSZE und das Normandie-Format seien Habecks Aussagen "kontraproduktiv und gefährlich". Auch FDP und Linkspartei zeigten sich irritiert.

Und Habecks Reisetross reagierte. "Der Krieg gegen die Ukraine kann nur diplomatisch gelöst werden", teilte der grüne Außenpolitiker Manuel Sarrazin mit, der mit Habeck unterwegs ist. Natürlich sei es "generell schwierig, zwischen Defensivwaffen und anderen Waffensystemen zu unterscheiden", so Sarrazin. Die Ukraine aber brauche "ganz konkret Möglichkeiten, ihre Defensive zu stärken". So würden mit Drohnen Minen auf von ukrainischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiete abgeworfen. Nötig seien auch Schutzsysteme für verwundete Soldaten. Von Waffen war nun nicht mehr die Rede. "Nur wenn wir auch die Defensive der Ukraine stärken, wird auch eine diplomatische Lösung des Konflikts möglich sein", sagte Sarrazin.

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Es gibt inzwischen aber auch prominenten Widerspruch in der Partei. Jürgen Trittin, früher Parteichef und Führungsfigur der Linken bei den Partei stellte sich gegen Habeck. Waffenexporte in die Ukraine widersprächen den Grundsätzen der Partei sowie der gemeinsamen europäischen Position, sagte Trittin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Außerdem könnten Waffen nicht eindeutig als defensiv definiert werden. "Jede Abwehrwaffe kann auch offensiv genutzt werden", sagte Trittin.

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