Klima:Winter ade

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Skifahrer auf einer Skipiste bei Kitzbühel (Foto: Michael Werlberger)

Dieses Jahr fiel in Deutschland so gut wie kein Schnee. Werden schneefreie Winter die Regel in Deutschland? Wo kann man in Zukunft Ski fahren? Nachgefragt bei einem, der es wissen muss: dem Schneeforscher Christoph Marty.

Von Johannes Schweikle

Auch in Davos, 1560 Meter hoch gelegen, gab es in dieser Saison nicht viel Schnee. Doch am dortigen Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) scheint man der Entwicklung zu trotzen. Im Hof dieser Forschungsanstalt in Davos sieht es aus wie in einem Sportgeschäft. Da stehen Snowboards und alle Arten von Ski: Freeride-, Alpin-, Touren- und Langlaufski. Alle mit deutlichen Gebrauchsspuren.

Was also ist zu erwarten, werden wir uns in Zukunft auf schwache Winter einstellen müssen? Der SLF-Schneeexperte Christoph Marty, 45, lächelt und sagt: "Diese Frage kommt fast jedes Jahr. Aber schauen Sie nur ein Tal weiter: Im Engadin sieht's ganz anders aus. Dort profitiert man von den Tiefs aus dem Süden, die diesen Winter den Schnee bringen. Die Niederschläge unterliegen großen natürlichen Schwankungen."

Der Klimatologe Marty ist ein Praktiker mit roter Outdoorjacke, helm- und mützentauglichem Haarschnitt. Er arbeitet seit elf Jahren am Institut und beobachtet die Schneedecke der Alpen. Ist der Klimawandel die Ursache dafür, dass es auf der Alpennordseite kaum weiß geworden ist? "Unterhalb von 1000 Metern häufen sich die schneearmen Winter. Dort drückt das Klimasignal am deutlichsten durch", sagt Marty. "Aber der Winter hat eine große Variabilität. Schauen Sie sich nur die beiden vergangenen Jahre an: Da ist der Winter auch wieder ins Flachland durchgedrungen."

"Der Druck auf die Skigebiete ist groß"

Gelassen erklärt der Forscher die Entwicklung seit dem Jahr 2000: Die Nullerjahre waren zum Teil schneereich. Doch was heute als Super-Winter gilt, galt in den 80er- und in den 60er-Jahren als Durchschnitt. "Und weiße Weihnachten waren auch früher nicht der Normalfall", sagt er. Allerdings wird dieser romantische Wunsch noch seltener erfüllt: Auf 500 Metern Höhe lag früher mit rund 40 Prozent Wahrscheinlichkeit Schnee an den Feiertagen, heute nur noch mit 30 Prozent.

Trotzdem widerspricht Marty der populären Ansicht, dass sich der Winter nach hinten verschiebt. "Aber er wird kürzer. Im April lag schon immer am meisten Schnee. Doch wegen der Erwärmung schmilzt er im Frühjahr schneller."

Aus der Sicht des Wissenschaftlers liegt das schlechte Image des Winters zum Teil an der psychologischen Erwartung der Menschen im Flachland: Man hätte den Schnee gern vor Weihnachten, aber nicht mehr im März. "Im Flachland ist der November ein trister Monat. Da werden die Leute richtig giggerig auf Schnee", sagt er. "Deshalb ist der Druck auf die Skigebiete so groß: Je früher eines öffnet, desto besser. Spätestens Mitte Dezember müssen die Pisten präpariert sein. Dabei wäre der April ideal für den Wintersport: Dann liegt am meisten Schnee, und es ist nicht mehr so kalt. Aber über Weihnachten wird der Skiurlaub gebucht.

130 Mitarbeiter kümmern sich um den Schnee

Das SLF ist das älteste Schneeforschungszentrum. 1931 wurde in Bern ein Vorläufer des Instituts gegründet, um die Schweiz besser vor Lawinen zu schützen. 1935 bauten die Wissenschaftler in Davos eine Art Iglu. In diesem stellten sie Untersuchungen an, um den "äußerst verwickelten Verhältnissen des Schnees auf die Spur zu kommen". Heute hat das SLF 130 Mitarbeiter. Sie geben zweimal täglich ein Lawinenbulletin für die Schweiz heraus. In den anderen Alpenländern gibt es kein Institut vergleichbarer Größe.

Man darf sich die Arbeit eines Schneeforschers nicht allzu romantisch vorstellen. Marty zieht seine rote Jacke über und geht ein paar hundert Meter hinter das Institut. Dort befindet sich das nächste Messfeld: ein Quadrat auf einer Wiese, eingezäunt, mit einem gelben Schild "Bitte nicht betreten". Marty hebt das sogenannte Neuschneebrett hoch. Das ist ein Plastikbrett, so groß wie ein Küchentablett, mit zwei Metallgriffen. Mit diesem einfachen Instrument misst er, wie viel Schnee gefallen ist.

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Das SLF betreibt in der Schweiz mehr als 100 manuelle Schneemessstationen. Es gehört zu den Aufgaben von Marty, die Beobachter auszubilden und ihre Messungen zu kontrollieren. Zusätzlich bekommt er Daten von gut 100 automatischen Stationen. Bei denen muss das SLF die Sensoren warten. Marty sagt: "Ich muss dafür sorgen, dass die Daten von heute so verlässlich sind, dass die Wissenschaftler von morgen mit ihnen arbeiten können."

Auf dem Rückweg ins Institut macht er einen Abstecher in die Garage. Dort steht ein Gerät, das gerade abgetaut wird: Ein Kasten mit durchsichtigen Wänden, so groß wie eine Müllbox. Im Innern sind dünne Drähte gespannt. In diesem "Snowmaker" produziert das SLF naturidentischen Schnee. Unter Laborbedingungen wird Schnee so hergestellt, wie er in einer Wolke entsteht: Aus Wasserdampf bilden sich Kristalle.

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Der Unterschied zwischen diesen und dem Kunstschnee, den die Kanonen im Skigebiet produzieren, könnte kaum größer sein. Denn diese erzeugen physikalisch gesehen keinen Schnee, sondern Eiskügelchen. Diese werden herausgeblasen und gefrieren auf kurzem Weg. Beim Naturschnee dagegen lagert sich Wasserdampf an einem Kondensationskeim an, zum Beispiel an einer Pilzspore, die durch die Luft fliegt. Da wird der Wissenschaftler Marty dann doch gefühlig, wenn er sagt: "Die Schneeflocke hat viel Zeit zum Wachsen, deshalb wird sie weich und fluffig." Jeder Schneekristall ist anders. Weil die Wissenschaft aber ein Schema braucht, um ihrer Materie Herr zu werden, klassifiziert sie neun Arten: Neuschnee, Filz, Kleine Runde, Schmelzformen, Kantige Formen, Kantig abgebaute Formen, Schwimmschnee, Oberflächenreif und Graupel.

Schneekanonen sollen Sicherheit suggerieren

Christoph Marty unternimmt auch Skitouren abseits der Pisten. Deshalb kennt er die große Ambivalenz des Schnees: Schönheit und Bedrohung liegen dicht beieinander. "Der Schwimmschnee bildet wunderschöne dreidimensionale Kristalle", sagt er, "aber er ist verantwortlich für die Bildung vieler Lawinen."

Kunstschnee ist dagegen eine recht einfache, kompakte Masse. Trotzdem bauen fast alle Skigebiete ihre Beschneiungsanlagen aus. "Sie wollen die großen natürlichen Schwankungen der Niederschläge abfangen. Die Gäste sind anspruchsvoller: Sobald ein Stein aus der Piste schaut, gibt's böse Kommentare im Internet", sagt Marty. Er beobachtet eine größere Akzeptanz der Schneekanonen: "Früher hat man die fast heimlich bei Nacht betrieben. Heute lässt man sie demonstrativ auch bei Tag laufen, um zu zeigen: Seht her, wir bieten Schneesicherheit."

Steigende Temperaturen setzen der Kunstschneeproduktion dennoch Grenzen. "Die Faustregel lautet, dass ab vier Grad unter Null beschneit werden kann", sagt Marty. "Darüber ist es eine Frage von Geld und Energieeinsatz. In Zermatt zum Beispiel gibt es eine Anlage, die kann theoretisch auch bei 30 Grad Hitze Eisschnipsel produzieren." Für den flächendeckenden Einsatz wäre sie zu teuer. Sie schließt eine Lücke: Früher konnte man dort, am Fuß des Matterhorns, auf dem Gletscher bis zur Bergbahn fahren. "Jetzt ist der Gletscher geschmolzen, das Gletschervorfeld ist Matsch. Und diese Sauerei will man den Gästen nicht zumuten."

Christoph Marty will sich nicht allzu weit auf das Gebiet der Psychologie begeben. Aber wenn er Bilder sieht, auf denen sich weiße Kunstschneebänder durch eine grünbraune Landschaft ziehen, hält er nicht hinter dem Berg. "Es fragt sich, ob das noch ein emotionales Wintererlebnis ist", sagt er. "Generell sehe ich nicht, dass sich Skigebiete unterhalb von 1300 Metern in Zukunft erfolgreich betreiben lassen."

© SZ vom 10.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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