Wetterphänomene:Winter ade

Frühe Bienen

Bei der milden Witterung sind Bienen in diesem Jahr ungewöhnlich früh auf Futtersuche

(Foto: dpa)

Amerika friert, England wird von Stürmen gebeutelt, doch Deutschland läutet den Frühling ein. Extreme Wetterphänomene werden normal - verantwortlich könnte ein geschwächter "Jetstream" sein.

Von Christoph Behrens

Volle Bänke im Biergarten, Frauen mit Sonnenbrillen, junge Männer in kurzen Hosen. Vom Winter fehlt in diesem Jahr jede Spur. 19,4 Grad Celsius zeigte das Thermometer gar am Samstag in München, seit mindestens 130 Jahren war es um diese Jahreszeit nicht mehr so warm. "Der Winterschlaf für die eigene Maschine ist vorbei", rief die Deutsche Presseagentur den Motorradfahrern zu und gab Ratschläge, wie man das Zweirad flottmacht. Das wird auch kein richtiger Winter mehr, prophezeien nun die Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes.

"Mit einem extremen Kälteeinbruch ist nicht mehr zu rechnen", sagt Uwe Kirsche vom DWD. "Statt Skier sind in den deutschen Alpen eher die Wanderschuhe angesagt." Auch die nächsten Tage dürften "mild bis sehr mild" werden, die Temperaturen tagsüber bei fünf bis zwölf Grad liegen. Im Süden könne es sogar noch wärmer werden. Damit wird der deutsche Winter 2013/14 wohl einer der zehn wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen 1881. Mit 2,6 Grad übertraf die durchschnittliche Temperatur von Dezember bis Mitte Februar den langfristigen Mittelwert von 0,2 Grad deutlich. Schnee- und Frosttage gab es weniger als in den vergangenen Jahren.

Warum ist es so warm? "Die Temperaturen lagen durchaus noch im natürlichen Schwankungsbereich", beschwichtigt Kirsche. Auch wurde Deutschland zuletzt häufig von Tiefdruckgebieten gestreift und entging nur haarscharf einem Kälteeinbruch. "Aber normal ist das sicher nicht", sagt Kirsche. Was den Meteorologen Sorgen bereitet, ist die langfristige Entwicklung. Und da erkennen die Experten einen klaren Trend: "Die Winter in Deutschland werden wärmer, milder, feuchter."

Schwacher Jetstream bringt das Wetter durcheinander

Zudem scheint auch global einiges aus den Fugen geraten zu sein. Die britischen Inseln werden von Stürmen gebeutelt, die enorm viel Regen ausschütten, ein bitterkalter Winter umklammert den Osten und mittleren Westen der USA, und in Kalifornien herrscht heftige Dürre.

Verantwortlich für all diese Extremphänomene könnte der polare Jetstream sein, ein Band von heftigen Westwinden, das sich rings um die Erde erstreckt und die Arktis von den gemäßigten Breiten trennt. Je kälter es in der Arktis ist, umso stärker weht dieser Jetstream. Doch neuerdings schmilzt das Eis am Nordpol, die Temperaturen steigen. Das schwächt den Jetstream, er schlägt nach Norden und Süden aus, erklärte Jennifer Francis von der Rutgers University jüngst auf der Jahrestagung der Wissenschaftsorganisation AAAS in Chicago. Und mit geschwächten Westwinden neigen Wetterphänomene dazu, länger als gewöhnlich auszuharren; Hoch- und Tiefdruckgebiete werden quasi festgeklemmt - eine künftig womöglich häufiger auftretende Konstellation.

Die Forscher debattieren über diese These, völlig gesichert ist sie noch nicht. In Deutschland ist derweil ein Kälteeinbruch im März - den zählen die Meteorologen nicht mehr zum Winter - noch möglich, wenngleich unwahrscheinlich. "Unsere Modelle sagen mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass auch der Frühling zu warm wird", sagt Uwe Kirsche vom DWD. "Das ist besser als ein Münzwurf, aber die Urlaubsplanung sollte man darauf nicht aufbauen."

Auswirkungen auf die Natur

Langfristig könnten veränderte Jahreszeiten auch die Tier- und Pflanzenwelt in Deutschland umkrempeln. Biologen beobachten etwa schon, dass einige Pflanzen immer weiter nach Norden wandern. So erstreckte sich das Verbreitungsgebiet der "Chinesischen Hanfpalme" vor einigen Jahrzehnten noch maximal bis zum Südrand der Schweiz. "Seitdem hat die Pflanze die Alpen durchwandert, erste Exemplare tauchen am Bodensee auf", sagt Ingolf Kühn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Auch Vögel wie der Bienenfresser wandern seit den 1990ern wieder von Süden her ein, sie brüten etwa am Kaiserstuhl oder in Sachsen-Anhalt.

"Neue Arten klingen natürlich erst mal positiv", sagt Kühn, "langfristig könnten sie aber auch heimische Arten verdrängen". Es gebe aber momentan in Deutschland noch keine einzige Art, von der man sicher wisse, dass sie aufgrund des Klimawandels schon verschwunden ist.

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