Neurologie:Das Schicksal der Zika-Babys

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Das Zika-Virus löste bei Tausenden Neugeborenen in Südamerika Entwicklungsstörungen aus. (Foto: Ueslei Marcelino/REUTERS)

Tausende Babys kamen vor etwa fünf Jahren mit viel zu kleinen Köpfen zur Welt. Wissenschaftler haben nun einige von ihnen untersucht.

Von Berit Uhlmann

Es gibt ein paar ermutigende Berichte über Kinder, die während der Zika-Epidemie in Südamerika von 2015 bis 2016 geboren wurden: Ihre Köpfe und damit auch die Gehirne waren erschreckend klein - und doch wuchsen einige von ihnen zu Kindern heran, deren Fähigkeiten weitestgehend denen von gesunden Gleichaltrigen entsprechen. Die Regel aber scheint diese Entwicklung nicht zu sein, wie Forscher aus Brasilien und den USA in einer aktuellen Erhebung im Fachblatt Plos One feststellen.

Ein Team um Albert Ko von der Yale University und Federico Costa von der University of Bahia hatte insgesamt 42 brasilianische Kinder untersucht, die aufgrund der Zika-Infektionen ihrer Mütter mit der Mikrozephalie genannten Störung geboren wurden. Die Kleinen waren zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 25 und 32 Monate alt.

Vielen Zweijährigen gelingt es noch nicht, selbständig zu sitzen oder zu stehen

Fast alle von ihnen hatten mit verschiedenen Einschränkungen ihres Lebens zu kämpfen. Besonders groß waren die Probleme im Bereich der Motorik: Die Kinder litten ausnahmslos an spastischen Lähmungen, die es ihnen unmöglich machten zu laufen. Auch andere Meilensteine der motorischen Entwicklung, etwa selbständig zu sitzen oder zu stehen, wurden kaum erreicht.

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Die Forscher untersuchten die Kinder unter anderem mit einer Testreihe namens Hammersmith Infant Neurological Examination (HINE). Die motorische Entwicklung wird darin auf einer Skala von 0 (Minimum) bis 26 (Optimum) bewertet. Die Kinder aus der Zika-Epidemie erreichten im Mittel nur einen Wert von 2.

In den neurologischen Tests dieser Untersuchungsreihe lagen die Kinder im Mittel bei einem Wert von 26 auf der bis 78 reichenden Skala. Untersucht wurden hier beispielsweise die körperlichen Reflexe und die Fähigkeit zu schlucken. Wesentlich besser waren die Werte für das Verhalten, für die etwa die Aufmerksamkeit der Kleinen und ihre Reaktionen auf soziale Kontakte bewertet wurden. Die untersuchten Kinder lagen im Mittel bei einem Wert von 13 auf der bis 15 reichenden Skala. Weitere Testreihen zeigten allerdings deutliche Verzögerungen der sprachlichen und kognitiven Entwicklungen.

Doch auch in dieser Studie gab es ermutigende Ausnahmen. Einige Kinder schafften in einzelnen Bereichen Werte, die gar nicht oder nur sehr wenig von dem entfernt sind, was als Entwicklungsnorm gilt. Tendenziell erbrachten jene Kinder, die einen größeren Kopfumfang hatten, auch bessere kognitive und motorische Leistungen. Dennoch warnen die Wissenschaftler, dass nach einer Zika-Infektion der Mutter auch Kinder mit normalem Kopfumfang Probleme in ihrer Entwicklung haben können. In ihrer Studie waren zwei Kinder von dem Phänomen betroffen: Es sei wahrscheinlich, dass sich ihre Entwicklung auch weiterhin verzögern werde, urteilten die Autoren.

Im Detail ist noch immer nicht verstanden, worauf genau die Unterschiede zwischen den Kindern zurückgehen, welche Faktoren also welche Entwicklung erwarten lassen - so wie es allgemein vergleichsweise wenige Erkenntnisse über die längerfristigen Chancen und Probleme der Mikrozephalie-Kinder gibt.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch die üblicherweise angewendeten Testreihen nicht sehr gut darauf zugeschnitten sind, die speziellen Schwierigkeiten und individuellen Unterschiede dieser Kinder zu erfassen. Damit ist noch immer schwer abzuschätzen, welches Schicksal die mehr als 3700 betroffenen Kinder der Epidemie langfristig erwartet - und welche Therapien und Förderungen ihnen womöglich helfen können.

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