Weltklimarat:Klimaschutz: Was jetzt passieren muss

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Schiffe passieren bei einem für die Jahreszeit ungewöhnlich niedrigen Wasserstand die Sandbank am Jungfrauengrund am Mittelrhein. (Foto: Thomas Frey/dpa)

Klartext hat der Weltklimarat versprochen, falls es Regierungen noch immer nicht kapiert haben: Es muss sofort gehandelt werden, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Wie geht's weiter?

Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

Interlaken (dpa) - Zögern, das war gestern. Jetzt muss gehandelt werden, subito, also auf der Stelle. Dieses und nicht nächstes Jahr, und das weltweit - das ist die Botschaft im Synthesebericht des Weltklimarats (IPCC). Der Klimawandel beschleunigt sich, Folgen wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren häufen sich und werden extremer. Wenn die Regierungen der Welt die klimaschädlichen Emissionen nicht noch in diesem Jahrzehnt drastisch senken, wird das Leben auf der Erde für kommende Generationen unberechenbarer und gefährlicher. Was muss konkret passieren?

„Wir Wissenschaftler wünschten uns, dass die Kehrtwende im Klimaschutz, aber auch in der Anpassung an die Auswirkungen deutlicher, mutiger und schneller angegangen wird“, sagt Matthias Garschagen der Deutschen Presse-Agentur. Der Klimaforscher der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist Mitautor des Syntheseberichts. „Dass man Kehrtwenden auch zügig hinbekommen kann, hat man jüngst gesehen: Die Welt ist recht erstaunt, wie schnell wir uns beispielsweise von russischem Gas unabhängig machen.“

Nur: „Es passiert definitiv zu wenig“, sagt Mitautor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin der dpa. „In der globalen Klimapolitik wird mehr versprochen als geliefert wird.“

Die Möglichkeiten sind längst bekannt

Die Medizin ist bekannt: klimaschädliche Emissionen senken, den CO2-Ausstoß so teuer machen, dass Unternehmer in Alternativen investieren, Bäume pflanzen statt Wälder roden, weniger Fleisch essen, weil das Mästen und Weiden viel CO2 verursacht, Gebäude besser dämmen, fossile Energien durch erneuerbare wie Windkraft ersetzen, den öffentlichen Verkehr ausbauen, und: den Verbrennermotor verbieten.

Es sei eine „Nebelkerze“, wenn die EU am Verbrennermotor festhalten würde, wenn auch ab 2035 nur noch mit klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels), sagt Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, der dpa. „Es wird nur winzige Mengen E-Fuels geben, die braucht man für den Flugverkehr, denn der lässt sich nicht elektrifizieren.“

Als Nebelkerze könnte man auch etwas anderes bezeichnen: „Es gibt eine gefährliche Tendenz in Teilen der deutschen Politik“, sagt Garschagen. „Manche meinen, wenn wir Technologien wie die Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre und Lagerung entwickeln, könnten wir es mit der Emissionsreduzierung langsamer angehen - aber das ist falsch. Wir brauchen die Entnahme UND starke Reduzierungen, um unsere Klimaschutzziele überhaupt noch erreichen zu können.“

Deutschland schon dichter dran

„Wir werden gar nicht darum herumkommen, CO2 aufzufangen und in den Boden zu pressen“, sagt Marotzke. „Die Forschung dazu muss mehr gefördert werden und es muss ein Regelwerk her.“ Knapp 50 Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium in solche Forschungsprogramme investiert.

Ziel ist laut Pariser Klimaabkommen, die Erderwärmung auf 1,5 oder höchstens 2 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Sie liegt bereits bei etwa 1,1 Grad. In Deutschland ist sie sogar höher, weil sich Landregionen schneller erwärmen als die Meere. Der Weltklimarat legt jetzt dar, dass das 1,5-Grad-Ziel praktisch nicht mehr zu schaffen ist. Dafür müssten die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 sinken, bis 2035 um 65 Prozent. Tatsächlich zeigt die Kurve nach dem Corona-bedingten Rückgang steil nach oben. Marotzke betonte, selbst eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad sei eine gewaltige Aufgabe.

Ziel könnte Fatalismus fördern

Und noch eine Nebelkerze, die den Blick aufs Nötige trüben könnte: „Mit dem 1,5-Grad-Ziel haben wir uns möglicherweise selbst ein Bein gestellt“, sagt Geden. „Viele denken an ein Kliff: Wenn es darüber hinausgeht, ist alles vorbei.“ Das könne zu Fatalismus führen, nach dem Motto, dann könne man es auch ganz lassen, wenn es eh schon zu spät sei. „Das Klimasystem gerät bei 1,51 Grad nicht außer Kontrolle“, sagt er. Die genaue Gradzahl sei zweitrangig, die größtmögliche Klimaanstrengung sei nötig, weil jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung das Risiko von Hitzewellen, Starkniederschlägen und Dürren verringere.

Von Untergangsszenarien hält auch Marotzke nichts: „Es wird keine Apokalypse kommen.“ Das Leben werde gefährlicher, aber dass es auf der Erde gar nicht mehr möglich sein könnte, sei falsch.

Garschagen betont, Klimaschutz sei nicht nur mit Kosten und Herausforderungen verbunden: „Wenn wir beispielsweise Städte umbauen mit mehr Wasser, mehr Begrünung, mehr Beschattung, wenn Gebäude und Dächer begrünt werden, werden sie auch lebenswerter. Oder wenn wir Flächen, auf denen Futtermais für Schweine für unseren Fleischkonsum angebaut wird, in Auenlandschaften verwandeln würden, hätte das auch einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Naherholung.“

Oliver Geden: „Leider hält sich noch der Reflex: Klimaschutz tut weh. Oder: Wir würden mehr verdienen, wenn wir diese oder jene Maßnahme nicht umsetzten. Aber: Klimaschutz sichert mittelfristig unseren Wohlstand - da muss man hinkommen.“

© dpa-infocom, dpa:230320-99-20238/6

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