Ihr Name weckt keine wohligen Assoziationen. Schließlich sind sie die einzigen bekannten Säuger, die sich ausschließlich vom Blut anderer Säugetiere oder Vögel ernähren. Doch außer dieser speziellen Ernährungsweise haben weibliche Vampirfledermäuse noch ein weiteres, viel netter anmutendes Charakteristikum: Sie sind bekannt dafür, einen Teil ihrer Beute für erwachsene Artgenossen hervorzuwürgen, um diese vor dem Verhungern zu retten. Nun zeigen Biologen um Gerald Carter von der Ohio State University im Fachmagazin Current Biology, wie und unter welchen Umständen sich eine Vampirfledermaus zu einer Futterspende entschließt.
Demnach teilen die Tiere ihre Blutmahlzeit bevorzugt mit Familienmitgliedern. Ist eine gut genährte Vampirfledermaus jedoch ausschließlich von nicht verwandten, hungernden Artgenossen umgeben, können auch diese auf Hilfe hoffen. Vorausgesetzt, sie haben sich bereits als verlässliche Partner erwiesen, die ihrerseits ebenfalls zu Gefälligkeiten bereit sind - wenn sie sich also verhalten wie gute Freunde.
Wie aber signalisiert eine hungrige Vampirfledermaus, dass sie gerne etwas Futter von ihrem Artgenossen abbekommen und sich bei Gelegenheit dafür auch revanchieren würde? Ihre guten Absichten kann sie kundtun, indem sie sich bei anderen sozialen Aktivitäten entgegenkommend zeigt. Bevorzugt nutzen die Tiere dafür die gegenseitige Fellpflege. Wie die Versuche der Autoren zeigten, testen die Fledermäuse auf diese Weise sozusagen das Gegenüber auf seine Tauglichkeit als Freund. Nur wenn der andere bei der Fellpflege gezeigt hat, dass er das Prinzip des "Wie du mir, so ich dir" beherzigt, kann er in Notzeiten auch mit einer Futterspende rechnen. Ebenso sollte er bei Bedarf seinerseits bereit sein, einen Teil seiner Blutmahlzeit abzugeben.
Ermittelt haben die Forscher diesen ungeschriebenen Fledermaus-Knigge, indem sie Gruppen sowohl verwandter als auch einander zunächst fremder, aus Panama stammender Tiere beobachteten. Ein Teil der Fledermäuse war satt, andere mussten zuvor kurze Zeit fasten. Letzteres halten Vampirfledermäuse nicht sehr lange durch. Um nicht zu verhungern, brauchen sie spätestens alle drei Tage eine Blutmahlzeit, entweder von einem Beutetier oder als Spende von einem Artgenossen.
Die Fellpflege ist eine Art Währung, um sich die Zuneigung von Artgenossen zu sichern
Um sich als würdiger Empfänger einer solchen Futterspende zu erweisen, engagierten sich die hungrigen Fledermäuse selbst dann in der Fellpflege eines Art genossen, wenn dieser sauber und ohne äußere Parasiten war. "Wir sehen die gegenseitige Fellpflege als eine Art Währung", sagt Carter. "Es ist ein Weg, eine Bindung zu einem Artgenossen aufzubauen."
Dabei stellt Fellpflege eine eher kleine Gefälligkeit dar, während es schon deutlich mehr Hilfsbereitschaft erfordert, den anderen an einer mühsam erbeuteten Blutmahlzeit teilhaben zu lassen. Schließlich riskiere ein Helfer, hinterher selbst schlechter dazustehen, wenn er an einen Partner gerät, der nur nimmt ohne zu geben, sagt Carter. Im übertragenen Sinn steckten die Fledermäuse also erst nur einen Zeh ins Wasser, ehe sie sich kopfüber in das Ungewisse einer Freundschaft stürzten. Womöglich setzen nicht nur Vampirfledermäuse auf dieses Prinzip, so die Autoren. Auch bei anderen Tierarten könnten sich enge Beziehungen nach ähnlichem Muster entwickeln.