Tierwelt:Löwin adoptiert Leopardenjunges

Lesezeit: 2 min

Im indischen Gir-Nationalpark wurde eine Löwin mit einem Leopardenjungen gesichtet. (Foto: Dheeraj Mittal)
  • Im Gir-Nationalpark in Indien hat eine Asiatische Löwin ein Leoparden-Jungtier adoptiert.
  • Adoptionen über Artgrenzen hinweg sind im Tierreich nicht die Regel, kommen aber immer wieder einmal vor.

Von Katrin Blawat

An den Zitzen saugen, mit den anderen Kleinen toben, um das erwachsene Weibchen herumtollen: Das Raubkatzen-Baby tat, womit sich viele Jungtiere in seinem Alter für das Leben stärken. Und doch war das kleine Männchen eine Besonderheit inmitten des Wurfes Asiatischer Löwen, wie den Wildhütern im Gir-Nationalpark im westindischen Bundesstaat Gujarat sofort auffiel. Als einziges Jungtier hatte es schwarze Flecken im Fell, auch sein Körperbau unterschied sich von den anderen. Das zwei Monate alte Männchen war ein kleiner Leopard - und offensichtlich von der Löwenmutter adoptiert worden.

Anderthalb Monate lang beobachteten der Nationalpark-Mitarbeiter Dheeraj Mittal und seine Kollegen die ungewöhnliche Patchwork-Familie. Teilweise sahen sie die Löwin und ihre Jungen mehrmals am Tag, außerdem dokumentierten Fotofallen das Familienleben der Raubkatzen, wie die Autoren im Fachmagazin Ecosphere schreiben.

Adoptionen über Artgrenzen hinweg sind im Tierreich nicht die Regel, kommen aber immer wieder einmal vor. So berichteten Forscher vergangenes Jahr von einem Großen Tümmler-Weibchen, das neben seinem eigenem Kalb einen kleinen Breitschnabeldelfin aufzog. Und eine Gruppe Kapuzineraffen nahm einen jungen Weißbüschelaffen bei sich auf. Derartige Beispiele werfen Fragen auf: Warum adoptiert ein Weibchen ein artfremdes Jungtier? Schließlich geht es wild lebenden Tieren, nüchtern gesprochen, vor allem darum, ihre eigenen Gene weiterzugeben. Dafür nehmen sie die Nachteile und Risiken in Kauf, die mit der Aufzucht des Nachwuchses verbunden sind. Handelt es sich bei den Jungen jedoch um nicht verwandte Tiere oder nicht einmal um Vertreter der eigenen Spezies, investiert das erwachsene Weibchen Ressourcen, ohne dass dies der Verbreitung seiner eigenen Erbanlagen zugutekommt.

Intelligente Tiere
:Papageien verstehen Mathematik

Keas können die Grundlagen der Stochastik. Und das, obwohl sie diese Fähigkeit in der Natur gar nicht brauchen.

Von Katrin Blawat

Vielleicht brachten Hormone und Mutterinstinkte die Löwin dazu, den Leoparden aufzunehmen

Noch seltsamer erscheinen in diesem Licht Adoptionen, bei denen die zwei beteiligten Arten miteinander konkurrieren, wie es bei Löwe und Leopard der Fall ist. Treffen Vertreter beider Spezies aufeinander, greifen sie sich häufig an oder töten sich sogar. Zwar hieß es bereits vor drei Jahren aus Tansania, dort habe sich ein Leopardenjunges einer Afrikanischen Löwin angeschlossen. Dabei habe es sich jedoch um keine Adoption im engeren Sinne gehandelt, schreiben die Autoren um Mittal, da die beiden sich nur für sehr kurze Zeit zusammengetan hätten.

Die mehrere Wochen dauernde Hingabe der Asiatischen Löwin gegenüber dem kleinen Leoparden-Männchen nennen sie daher "bizarr". Möglicherweise habe sich die Löwenmutter des artfremden Jungen angenommen, weil sie selbst noch recht jung und unerfahren war. Der erste Wurf des fünf oder sechs Jahre alten Weibchens war schon kurz nach der Geburt gestorben, sodass die aktuellen Jungtiere die ersten waren, welche die Löwin wirklich aufzog. Vielleicht hätten ihre mütterlichen Instinkte und die Hormone verhindert, dass sie das ungewöhnlich getüpfelte Baby als artfremd erkannte, spekulieren die Autoren.

Alt ist der kleine Leopard dennoch nicht geworden. Anderthalb Monate nachdem sie die Adoption bemerkt hatten, fanden die Park-Mitarbeiter seinen Kadaver. Äußerlich waren keine offenkundigen Hinweise auf die Todesursache zu erkennen. Doch eine Autopsie zeigte, dass das Männchen wohl seit seiner Geburt an einer inneren Verletzung gelitten hatte. Womöglich, so schreiben die Autoren, hatte die Leopardenmutter aus diesem Grund das Jungtier verstoßen, oder es hatte wegen seiner Verletzung den Anschluss an seine eigentliche Familie verloren.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ökologie
:Flusspferde des Kokainkönigs Escobar vermehren sich rasant

Aus dem Privatzoo in die Freiheit: Mehr als 25 Jahre nach dem Tod des Kartellchefs sind die Tiere ein Problem für Kolumbiens Natur - besonders wegen ihrer Ausscheidungen.

Von Christoph Gurk

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: