Xanten:„Gärten des Grauens“: Wenn die Natur dem Kies weicht

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Nichts regt sich, nichts bewegt sich. Immer mehr Gärten in Nordrhein-Westfalen werden in tote Steinwüsten verwandelt. Während Kommunen mit Begrünungsprogrammen versuchen, mehr Natur in die Städte zu bringen, ist eine Gegenbewegung entstanden: Viele Bürger verbannen das Grün von ihren Grundstücken. 15 Prozent aller Vorgärten sind einer Studie des Bundesverbandes für Gartenbau zufolge bereits unter Pflastersteinen, Kies oder Schotter verschwunden.

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Nichts regt sich, nichts bewegt sich. Immer mehr Gärten in Nordrhein-Westfalen werden in tote Steinwüsten verwandelt. Während Kommunen mit Begrünungsprogrammen versuchen, mehr Natur in die Städte zu bringen, ist eine Gegenbewegung entstanden: Viele Bürger verbannen das Grün von ihren Grundstücken. 15 Prozent aller Vorgärten sind einer Studie des Bundesverbandes für Gartenbau zufolge bereits unter Pflastersteinen, Kies oder Schotter verschwunden.

Was die einen für einen pflegeleichten und ordentlichen Garten halten, ist für die anderen das reine Elend. Die Facebook-Gruppe „Gärten des Grauens“ dokumentiert besonders drastische Fälle, verbunden mit bissigen Kommentaren. Ihr Gründer Ulf Soltau sagt, dass ihm die mit Abstand meisten Fotos besonders abschreckender Beispiele aus Nordrhein-Westfalen zugespielt würden. „Mir persönlich sind diese Gärten schon in den Neunziger Jahren aufgefallen. Damals habe ich sie noch als europäisierte Persiflage buddhistischer Zen-Gärten verstanden“, erzählt der 49 Jahre alte Diplombiologe. Tatsächlich meinen es die Steingärtner durchaus ernst.

„Die Leute wollen das jetzt“, sagt zum Beispiel der Düsseldorfer Landschaftsgärtner Özgür Aydin. Die Nachfrage nach Gärten aus Stein sei in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen. Auftraggeber seien zum einen ältere Menschen, denen die Gartenarbeit zu anstrengend geworden ist. Vor allem aber kämen die Aufträge von jungen Menschen, die viel arbeiteten und wenig Zeit hätten, sich um ihre Gärten zu kümmern.

„Im Kiesvorgarten spiegelt sich der Zeitmangel der Bewohner wieder“, weiß auch Trendforscher Ulrich Köhler. Die Menschen hätten dort lieber ein Muster aus Kies - und keinen Arbeitsaufwand. Es gehe auch um eine Ästhetik der Ordnung. „Der Kiesvorgarten ist die zeiteffiziente Weiterentwicklung des gepflegten Rasens“, analysiert Köhler.

Naturschützer, Stadtplaner und Gartenbauverbände blicken besorgt auf die karg bepflanzten Zonen. „Sie sind ökologisch nutzlos und bieten vielen Tier- und Insektenarten keinen Raum zum Leben“, sagt Katharina Peters vom Verband Gartenbau Nordrhein-Westfalen. „Oft werden Gifte eingesetzt, um die Fläche frei von Unkraut und Algen zu halten. Die Steine heizen sich im Sommer auf und verhindern so ein Abkühlen der Umgebungsluft“, ergänzt eine Sprecherin des Naturschutzbundes.

Weil unter dem Kies oft auch noch wasserundurchlässige Vliese verlegt werden, fällt die so versiegelte Fläche für das Versickern des Regenwassers aus und belastet zusätzlich das Abwassersystem. Die Stadt Dortmund wird deswegen in ihren neuen Bebauungsplänen deutlich: „Die flächige Gestaltung der Vorgärten mit Materialien wie Schotter und Kies ist unzulässig.“

In Xanten geht man noch weiter: „Der Vorgartenbereich zwischen der Straßenbegrenzungslinie und der straßenzugewandten Baugrenze ist zu begrünen“, heißt es dort seit 2018 in den Bebauungsplänen. Der Weckruf für die Stadt am Niederrhein kam im Jahr 2017. Damals habe ein besonders steiniger Garten den „Terror Gardening Award“ verliehen bekommen, sagt Xantens Dezernent Niklas Franke. Es ist der Negativpreis der Gruppe „Gärten des Grauens“.

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