Gesundheit und Wetter:Gefährlicher als Feinstaub: Ultrafeinstaub

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  • Im Unterschied zum gröberen Feinstaub ist der 100-mal kleinere Ultrafeinstaub viel schwieriger nachzuweisen. Seine Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit können aber mitunter gravierender sein.
  • Als wichtigste Quelle für den Ultrafeinstaub gilt nach wie vor der Verkehr, insbesondere in Städten.
  • Die Kleinstteilchen können sogar die Beschaffenheit von Wolken verändern und das Wetter massiv beeinflussen.

Von Benjamin von Brackel

Wolfgang Junkermann hat die vergangenen 15 Jahre damit verbracht, Teilchen hinterherzujagen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind und gerade mal so groß wie ein Tausendstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Dafür ist der Atmosphärenforscher vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen immer wieder in ein eigenkonstruiertes Ultraleichtflugzeug gestiegen und Tausende Kilometer über Europa, Australien und China geflogen.

Das vielleicht kleinste bemannte Messflugzeug der Welt ist mit fast zwei Dutzend Instrumenten ausgestattet, die winzige Teilchen in der Luft aufspüren sollen - Ultrafeinstaub. Im Unterschied zum gröberen Feinstaub, über den gerade viel in Zusammenhang mit Fahrverboten diskutiert wird, ist der 100-mal kleinere Ultrafeinstaub viel schwieriger nachzuweisen. Seine Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit können aber mitunter gravierender sein. Je kleiner die Teilchen, desto schädlicher sei ihre Wirkung für die Gesundheit, insbesondere für das Herz-Kreislauf-System, warnten Wissenschaftler etwa in einer Studie im Fachblatt Science of the Total Environment.

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Schon Anfang der 90er-Jahre konnten Messstationen in Europa nachweisen, dass die Zahl der Nanopartikel sprunghaft angestiegen war, und zwar auch in ländlichen Gegenden, wo man sie nicht erwartet hätte. Denn als wichtigste Quelle für den Ultrafeinstaub gilt nach wie vor der Verkehr, insbesondere in Städten. Nur die Ursache für die hohe Konzentration an Ultrafeinstaub außerhalb von Städten war lange nicht erklärbar.

Junkermann meint, sie inzwischen gefunden zu haben. Erstmals sei er 2007 während eines Fluges von Karlsruhe in den Kraichgau darauf gestoßen. Damals sei der Zähler nach oben ausgeschnellt, und der Monitor im Cockpit zeigte bis zu 60 000 Partikel pro Kubikzentimeter an. "Das waren Bedingungen wie am Stachus in München", kommentiert der 68-Jährige. Junkermann flog einen Vollkreis, um zu testen, wann das Flugzeug durch Rückenwind an Geschwindigkeit zulegte, um so die Windrichtung zu bestimmen. "Dann sah ich die Quelle", erzählt er. Ein Kohlekraftwerk und eine Raffinerie.

Die Schornsteine der Kraftwerke pusten die Teilchen hoch in die Luft

Nach mehr als 1200 Flugstunden über 15 Jahre hinweg in mehreren Erdteilen hat er mit australischen Forschern nun das Ergebnis seiner Langzeitmessung im US-Fachblatt Bulletin of the American Meteorological Society vorgelegt: Die gewichtigste Einzelquelle für die ultrafeinen Partikel seien moderne Kohlekraftwerke. "In der Abgasreinigung sind die Bedingungen für die Partikelneubildung optimal", sagt Junkermann.

Mitte der 70er-Jahre begannen erste Länder, ihre Kohlekraftwerke mit Filteranlagen auszustatten, um dem sauren Regen entgegenzuwirken. Allerdings gelangten damit auch Unmengen an ultrafeinen Partikeln in die Luft. Einen Anteil daran könnte das Ammoniak haben, das den Abgasen beigefügt wird, um die schädlichen Stickoxide in Wasser und Stickstoff umzuwandeln. Durch das Ammoniak können sich im Abgas Ultrafeinstaubpartikel in hoher Zahl bilden, die über die Schornsteine der Kraftwerke 200 bis 300 Meter in die Luft gelangen und je nach Wetterlage sogar mehrere Hundert Kilometer verfrachtet werden können.

Diese Partikelschicht kann sich insbesondere nachts oberhalb der Bodeninversion ausbreiten, bis im Laufe des Vormittags die Sonnenstrahlen die Luftschichten vermischen und auch die ultrafeinen Partikel zu Boden wirbeln. Während der Flüge messen die Apparate Größe, Anzahl und Verteilung der Teilchen, aber auch Windgeschwindigkeit, Temperatur und Sonnenstrahlung. Im Institut folgt dann die Analyse: Mithilfe von Modellen kann Junkermann zurückverfolgen, wie sich die Luftmassen in den Tagen zuvor bewegt haben. "Im Prinzip ist das eine umgekehrte Wettervorhersage", sagt er.

So lassen sich im Nachhinein selbst mehrere Feinstaubschichten Kohlekraftwerken zuordnen. Nach einem Flug von Dresden nach Berlin konnte Junkermann eine untere Schicht dem alten polnischen Kohlekraftwerk Turow zuweisen und eine obere dem mit Filteranlagen ausgerüsteten tschechischen Kraftwerk Melnik. Auf Satellitenbildern waren weiße Streifen in den dunklen Wolken zu erkennen, die sich ausgehend von den verschiedenen Kohlekraftwerken jeweils über hundert Kilometer entlangzogen.

Die Kleinstteilchen könnten Dürren verstärken

Für Junkermann ist das ein Beleg, dass die Kleinstteilchen sogar die Beschaffenheit von Wolken verändern. Seiner Ansicht nach wirken sie als Kondensationskeime, um die herum sich Wassertröpfchen ansammeln. Weil die Teilchen aber so klein seien, könnte es auf einmal viel länger dauern, bis sich Regentropfen in einer Größe bilden, dass sie zur Erde fallen. Deshalb könnten sie sogar Dürren verstärken oder aber plötzliche Extremregenfälle befördern, wenn die Luft all die Feuchtigkeit dann doch entlässt. "Sie beeinflussen meteorologische Prozesse massiv und können zu extremen Wetterereignissen führen", sagt der inzwischen emeritierte Forscher.

Dass australische Forscher an der Studie beteiligt waren, ist kein Zufall. Seit Mitte der Siebzigerjahre nahm in Teilen des Bundesstaats Western Australia die Regenmenge um fast ein Fünftel gegenüber dem langjährigen Durchschnitt ab. Forscher wie Junkermann ziehen einen Zusammenhang zur Inbetriebnahme von neuen Kohlekraftwerken. Modellsimulationen hätten bestätigt, dass mit jedem zusätzlichen Kohlekraftwerk und damit dem Ausstoß von großen Mengen an ultrafeinen Partikeln die dortigen Niederschläge abnehmen.

Noch aber sind das Hypothesen. Manche Wolkenforscher bezweifeln, dass der Ultrafeinstaub die Wolkenbildung überhaupt massiv beeinflusst. "Die Messungen sind beeindruckend, da wurde ein toller Datensatz kreiert", sagt die Atmosphärenforscherin Martina Krämer vom Forschungszentrum Jülich. "Ob es aber tatsächlich die Ultrafeinstaubpartikel sind, die zur Wolkenaufhellung beitragen, ist eher eine empirische Folgerung - zumindest liefert die Studie keinen Beleg dafür, dass nicht die gewöhnlichen Feinstaubpartikel für den Effekt verantwortlich sind."

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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