Umwelt:Papier-Trinkhalme mit Ewigkeitschemikalien belastet

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Die Papier-Röhrchen weichen schnell auf, aber das ist nicht das Hauptproblem. (Foto: xsinseex/IMAGO/Pond5 Images)

Trinkhalme aus Papier und Bambus enthalten oft Chemikalien aus der Gruppe der PFAS. Damit wären sie kaum nachhaltiger als die Plastikprodukte, die sie ersetzen sollen.

Von Berit Uhlmann

Manchmal sind die Sachen so kompliziert, wie sie klingen. Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) heißt jene Regelung, nach der in Deutschland seit zwei Jahren Plastikprodukte wie Getränkebecher und Wegwerfbesteck nicht mehr in den Handel gelangen dürfen. Ressourcen sollen so geschont und Müll vermieden werden.

Doch die Folgen dieses Verbots sind offenbar nicht ganz einfach zu bewerten, wie belgische Umweltwissenschaftler nun am Beispiel der Trinkhalme zeigen, die in Deutschland ebenfalls unter das Verbot fallen. Denn die vermeintlich umweltfreundlichen Alternativprodukte aus Papier und Bambus verursachen ihrerseits Probleme für die Umwelt.

Das Team um Pauline Boisacq von der Universität Antwerpen hatte 39 verschiedene, in Belgien erhältliche Trinkhalme analysiert. In der Mehrheit der Proben fand es Substanzen aus der Gruppe der sogenannten Ewigkeitschemikalien: per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, abgekürzt PFAS. Sie werden in der Industrie breit angewendet und können Hunderte Jahre in der Umwelt verbleiben. Einige von ihnen stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Auch Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit und Fruchtbarkeitsstörungen werden laut europäischer Umweltagentur mit den künstlich hergestellten Chemikalien in Verbindung gebracht.

Konkret ergab die im Fachblatt Food Additives & Contaminants veröffentlichte Arbeit, dass 18 von 20 getesteten Papierhalmen verschiedene PFAS enthielten. Vier von fünf Bambusröhrchen wiesen ebenfalls diverse Ewigkeitschemikalien auf, dazu zwei von fünf Glas- und drei von vier Plastikprodukten. Am häufigsten entdeckten die Forscher Perfluoroctansäure (PFOA), die bereits seit 2020 in vielen Ländern weitgehend verboten ist. Frei von den bedenklichen Chemikalien waren lediglich Edelstahl-Halme.

Wie die Substanzen in die Röhrchen kamen, können die Forscher nicht sicher sagen. Möglich sind Kontaminationen aus der Umwelt, schließlich sind die nahezu unverwüstlichen Chemikalien weit verbreitet. So könnten bereits die Pflanzen verunreinigt gewesen sein, aus denen die Papier- und Bambusprodukte gefertigt wurden. Pflanzen können die Chemikalien über kontaminierte Böden oder Düngemittel aufnehmen. Auch recyceltes Papier könnte bereits die Chemikalien enthalten haben, ebenso wie das für die Produktion verwendete Wasser.

Doch die Tatsache, dass PFAS in fast jedem Papierhalm gefunden wurden, spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass sie zumindest in einigen Fällen absichtlich hinzugefügt worden sind, vermutlich, damit sie Wasser besser abweisen und so stabiler werden.

Das Gesundheitsrisiko erscheint nicht dramatisch

Ein großes Gesundheitsrisiko stellen diese Funde für sich genommen wahrscheinlich nicht dar, schreiben die Autoren. Die gemessenen PFAS-Konzentrationen waren gering, und Trinkhalme werden für gewöhnlich auch nicht sehr häufig benutzt. Inwieweit die Substanzen in die Getränke übergehen, wurde nicht untersucht. Dennoch warnen die Autoren, dass die Chemikalien viele Jahre lang im Körper verbleiben und sich dort mit der Zeit anhäufen.

Größer aber sind vermutlich die Umweltprobleme. "Trinkhalme aus pflanzlichen Materialien wie Papier oder Bambus werden oft als nachhaltiger und umweltfreundlicher beworben als Plastikprodukte", sagt Studienautor Thimo Groffen in einer Pressemitteilung. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass dies nicht zwangsläufig stimmen muss. Trinkhalme und ähnliche Erzeugnisse aus pflanzlichen Materialien "sollen eigentlich recycelbar sein, werden aber höchstwahrscheinlich auf Deponien landen oder verbrannt werden, wodurch PFAS weiter in die Umwelt gelangen", schreiben die Forscher.

Die nachhaltigste Alternative scheinen Trinkhalme aus Edelstahl zu sein. Sie enthalten den Ergebnissen zufolge keine PFAS, können wiederverwendet und vollständig recycelt werden. Er würde daher den Verbrauchern raten, die Metallprodukte zu benutzen, sagt Groffen: "Oder einfach ganz auf den Trinkhalm zu verzichten."

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