Menschheitsgeschichte:Das sind die ältesten menschlichen Fußspuren Deutschlands

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Fußabdruck in versteinertem Matsch: Wurde er auf der Jagd hinterlassen? Forscher tippen eher auf einen Familienausflug. (Foto: J. Serangeli/dpa)

Vor etwa 300 000 Jahren gingen drei Urmenschen am Ufer eines Sees entlang und traten dabei in den Matsch. Heutige Archäologen sind entzückt.

Von Jakob Wetzel

Einst wurde hier nach Braunkohle gebaggert, doch für Archäologinnen und Archäologen ist der mittlerweile stillgelegte Tagebau Schöningen heute eine Goldgrube. Bereits in den Neunzigerjahren fanden Wissenschaftler in der Erde die ältesten komplett erhaltenen Jagdwaffen der Menschheitsgeschichte: Den sogenannten Schöninger Speeren ist seit 2013 ein eigenes Museum gewidmet. 2017 entdeckten Ausgräber im selben Tagebau das fast vollständige Skelett einer Europäischen Waldelefantin, auch dieser Fund erregte Aufsehen. Und nun melden Forscher erneut Erstaunliches: Wie sie in der Fachzeitschrift Quaternary Science Reviews berichten, haben sie in Schöningen die mit einem Alter von rund 300 000 Jahren ältesten je in Deutschland gefundenen menschlichen Fußabdrücke identifiziert. Offenbar stammen sie von drei Individuen der ausgestorbenen Urmenschenart Homo heidelbergensis, so schreibt es das Team um Flavio Altamura von der Universität Tübingen und dem Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment.

In dem Tagebau im heutigen Niedersachsen haben Wissenschaftler seit 1994 immer wieder prähistorische Trittspuren entdeckt - auch, weil die Bedingungen für fossile Fußstapfen hier sehr günstig sind. In der Vorzeit befand sich hier ein See mit schlammigen Ufern, umgeben von offenem Waldland. Tritt ein Lebewesen mit einem gewissen Minimalgewicht in einen derart feuchten Boden und wird der Abdruck später mit Sedimenten zugedeckt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass eine Trittspur die Zeiten überdauert - vorausgesetzt, es trampelt niemand darüber oder gräbt sich zum Beispiel mit einem Bagger durchs Gelände.

Auch Elefanten und Nashörner lebten in der Gegend

Die Wissenschaftler untersuchten insbesondere zwei geologische Schichten, in denen seit 1994 immer wieder Fußabdrücke entdeckt wurden. Sie vermaßen die Vertiefungen und analysierten auch das Material, das sich in ihnen angesammelt hatte. In der älteren, etwa 320 000 Jahre alten Schicht erkannten die Forscher Spuren von großen und kleineren Huftieren, vor allem aber Abdrücke von Elefantenfüßen - was nicht bedeuten muss, dass dort hauptsächlich Elefanten lebten. Die Tiere sind eben groß und schwer, was eine gute Voraussetzung für Trittspuren ist. In der jüngeren, auf ein Alter von etwa 300 000 Jahren datierten Schicht, identifizierten die Forscher darüber hinaus den Fußabdruck eines Nashorns - es ist der erste solche in Europa, der aus dem Pleistozän stammt, dem sogenannten Eiszeitalter. Und sie fanden jene drei Trittspuren, die zu Menschen passen.

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Viele Einzelheiten über diese lassen sich aus den Vertiefungen im Boden nicht herauslesen. Die Spuren sind unterschiedlich groß und isoliert, stammen also von drei verschiedenen Füßen. Der Größe nach gehörten diese zu einem ausgewachsenen, etwa 1,50 Meter großen, und zwei kleineren, etwa 1,10 Meter und 1,35 Meter großen Homininen. Dass es sich dabei um Homo heidelbergensis handeln müsste, schließen die Forscher nicht aus Besonderheiten der Fußform, sondern aus der Datierung der Erdschicht. Dass diese Urmenschen in jener Zeit Mitteleuropa besiedelten, ist bekannt. Dass sie auch vor Ort an jenem See lebten, wissen Forscher unter anderem aus Werkzeugen wie den Schöninger Speeren.

Tatsächlich wäre das matschige Ufer eines Sees ein naheliegender Ort für die Jagd. Hier versammeln sich Tiere, um zu trinken, und der feuchte Boden erschwert mutmaßlich die Flucht. Doch ob die Urheber der Trittspuren an jenem See tatsächlich jagten oder ob sie nicht vielmehr Beeren sammelten, fischten, sich wuschen oder Wasser tranken, ist unklar. Dass zwei der Fußabdrücke von jüngeren Menschen stammten, spreche eher gegen einen Jagdausflug, schreiben die Forscher; sie schlagen vielmehr eine Art Familienszene vor. Streng genommen ist jedoch sogar unklar, ob die drei Menschen überhaupt gemeinsam unterwegs waren.

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