Wenn Bäume wachsen, nehmen sie CO₂ aus der Luft auf und bauen den Kohlenstoff des Treibhausgases in ihre Biomasse ein. Was im Holz gebunden ist, kann dem Klima nichts anhaben. Jetzt haben Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz, Frankreich und Italien die Flächen vermessen, die weltweit für Aufforstungsprojekte genutzt werden könnten.
900 Millionen Hektar stünden demnach auf dem gesamten Globus zu diesem Zweck zur Verfügung, berichtet die Gruppe um den Ökologen Thomas Crowther von der ETH Zürich im Wissenschaftsjournal Science. Das entspräche fast der Fläche der USA oder der 25-fachen Fläche Deutschlands. Die Gesamtfläche Brasiliens umfasst 852 Millionen Hektar. Die Bewaldung der Erde könne demnach um etwa ein Drittel zunehmen, ohne dass Städte oder Landwirtschaft beeinträchtigt würden, schreiben die Forscher.
Erderwärmung:Geplante Kraftwerke sprengen Klimaziele
Staaten wie Vietnam oder die Türkei planen unbeirrt Kohlekraftwerke, die jahrzehntelang Treibhausgase ausstoßen. Diese fixierten Emissionen machen die Klimaziele so gut wie unerreichbar, warnen Forscher.
Dort gepflanzte Bäume könnten 205 Gigatonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen in den 30 bis 60 Jahren, die sie brauchen, um heranzuwachsen. Schätzungsweise 300 Gigatonnen stiegen durch menschliches Handeln seit der industriellen Revolution in die Atmosphäre auf.
Allerdings sei Eile geboten, schreiben die Forscher. Durch die fortschreitende Erderwärmung werden die für die Aufforstung geeigneten Regionen kleiner. Außerdem dauert es Jahrzehnte, bis die gepflanzten Bäume spürbare Mengen CO₂ aus der Atmosphäre holen. Durch zügiges Aufforsten sei jedoch sogar noch das vom Weltklimarat IPCC vorgegebene Ziel erreichbar, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, heißt es in der Studie. Die Forscher sparten bei der Suche nach bepflanzbaren Flächen Städte und bestehende landwirtschaftliche Flächen bewusst aus. In erster Linie sollten zerstörte Ökosysteme durch die Aufforstung wieder instandgesetzt werden.
Einfluss der Verbraucher
Die flächenreichen Länder hätten zwar das meiste Potenzial, sagt Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. "Gleichzeitig ist es aber noch wichtiger, dass erst einmal die Entwaldung gestoppt wird, speziell in Brasilien und Indonesien." Darauf hätten auch europäische Konsumenten einen Einfluss. "In den Massentierhaltungen werden nämlich Geflügel und Schweine, aber auch Rinder mit vorwiegend brasilianischem Soja gefüttert - welches wiederum stark mit tropischer Entwaldung und katastrophalem Verlust der Artenvielfalt verbunden ist."
"Meiner Meinung nach ist die Wiederbewaldung eine wichtige Option in unserem Werkzeugkasten natürlicher Klimaschutzbestrebungen", sagt Marcus Lindner vom European Forest Institute (EFI) in Bonn. Grundsätzlich sei jedoch zu bedenken, "dass forstliche Klimaschutzmaßnahmen allein viel zu gering sind, um ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen." Mit Blick auf die Aufforstungspotenziale in Russland, wo in der Vergangenheit riesige Waldbrände wüteten, erscheint es ihm jedoch fragwürdig, ob dieses Potenzial auch nur ansatzweise genutzt werden kann: "Dazu fehlen die technischen Mittel, Arbeitskräfte und auch eine verlässliche institutionelle Unterstützung für solche Maßnahmen - anders als zum Beispiel in China."
Julia Pongratz, Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der Universität München weist auf weitere Effekte hin, die Änderungen in Waldflächen auslösen. Wälder können zum Beispiel in vielen Regionen die Lufttemperatur abkühlen, mitunter um mehrere Grad. Temperaturextreme würden dadurch abgemildert. "Solche Änderungen beeinflussen die Lebensbedingungen vor Ort oft deutlich stärker als die überregionalen Effekte einer Aufforstungsmaßnahme", Pongratz. Im Idealfall sollten Wälder gleichzeitig der Adaption vor Ort und der Minderung des globalen Temperaturanstiegs dienen.
Die Menschheit habe den ursprünglichen Baumbestand der Erde wohl bereits halbiert, vermuten die Forsche um Thomas Crowther in Science. Den Schaden, der in Jahrhunderten angerichtet wurde, jetzt im Hauruck-Verfahren durch Aufforstungen reparieren zu wollen, erscheint jedoch unrealistisch. "Wir kommen nicht umhin, Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe schnellstens und umfassend zu reduzieren. Dies hätte schon vor Jahrzehnten stattfinden sollen und die Zeit rennt einfach davon", sagt die Atmosphären-Forscherin Almut Arneth vom Karlsruher Institut für Technologie. "Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein", sagt Felix Creutzig aus Berlin. Am besten wäre es, nicht noch mehr CO₂ in die Atmosphäre zu pusten.