Artenschutz:Jedes fünfte Reptil ist vom Aussterben bedroht

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Grüne Meeresschildkröte im Atlantik vor Brasilien. (Foto: Andre Seale via www.imago-images/imago images/Andre Seale)

Für Schlangen, Krokodile und andere Reptilien gibt es kaum Artenschutzprojekte. Dabei sind sie fast genauso stark gefährdet wie Säugetiere.

Von Tina Baier

Zweifellos gibt es sympathischere Lebewesen als Reptilien. Ein vergleichsweise gutes Image haben noch die Schildkröten, die als Symbol für Langlebigkeit und Weisheit gelten. Vor Schlangen dagegen haben die meisten Menschen Angst, genauso wie vor Krokodilen, die im Wasser auf ahnungslose Beute lauern. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass selbst Naturschützer diese Tiergruppe bislang vernachlässigt haben.

Anders als für Säugetiere, Vögel und Amphibien gebe es für Reptilien nur wenige Artenschutzprojekte, schreiben die Autoren einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature erschienen ist. Für die Untersuchung haben Wissenschaftler aus 24 Ländern zusammengearbeitet, um herauszufinden, wie stark diese Tiergruppe überhaupt gefährdet ist - und so eine Basis für künftige Schutzprojekte zu schaffen.

Ihren Ergebnissen zufolge sind mindestens 21 Prozent aller Reptilien weltweit vom Aussterben bedroht, also etwa jede fünfte Art. Am schlechtesten geht es Krokodilen, bei denen 57,9 Prozent aller Spezies bedroht sind, sowie Schildkröten, von denen die Hälfte ums Überleben kämpft. Grundsätzlich scheinen Reptilien, die in Wäldern leben, die größten Probleme zu haben. 30 Prozent dieser Arten sind der Untersuchung zufolge vom Aussterben bedroht. Bei Spezies in Wüsten und Steppen sind 14 Prozent gefährdet.

Um das herauszufinden, haben die Wissenschaftler Daten von mehr als 10 000 verschiedenen Reptilienarten zusammengetragen und nach denselben Kriterien bewertet, die auch für die Rote Liste gefährdeter Arten gelten, die von der Weltnaturschutzunion IUCN herausgegeben wird. Dabei wird nicht nur berücksichtigt, wie viele Exemplare einer Art es noch gibt - ohnehin ist es unmöglich, alle Tiere exakt zu zählen. Wichtige Kriterien sind auch, wie groß das Verbreitungsgebiet ist und wie schnell sich eine Art fortpflanzt.

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Doch was sind die Ursachen für den Schwund dieser extrem vielfältigen Tiergruppe, in der es Schildkröten gibt, die durch ihre Genitalien atmen, und Chamäleons, die nicht größer sind als eine Kichererbse? "Weil Reptilien so unterschiedlich sind, haben sie auch mit vielen verschiedenen Bedrohungen zu kämpfen", sagt Neil Cox von der Weltnaturschutzunion, einer der Studienautoren. Die Hauptfaktoren für den Schwund seien aber dieselben, die auch Säugetieren, Vögeln und Amphibien zu schaffen machen, heißt es in Nature: Landwirtschaft, Abholzung, Städtebau und invasive Arten. Welche Rolle der Klimawandel für den Reptilienschwund spielt, ist den Autoren zufolge momentan noch unklar. Klar ist aber, dass die meisten Bedrohungen wie bei anderen Tieren auch mit dem Menschen zu tun haben.

Auf der australischen Weihnachtsinsel ist vor Kurzem der Waldskink ausgestorben

Die gute Nachricht ist, dass deshalb Artenschutzprojekte für andere Tierklassen, wie etwa die viel populäreren Säugetiere, indirekt auch den Reptilien zugutekommen. Wo Wälder beispielsweise für Orang-Utans erhalten werden, geht es auch den dort lebenden Schlangen besser als anderswo. "Ich war überrascht, in welchem Ausmaß Säugetiere, Vögel und Amphibien als Stellvertreter für Reptilien dienen können", sagt der Umweltschützer Bruce Young, der an der Leitung der Studie beteiligt war. "Die oft aufwendigen Bemühungen zum Schutz besser bekannter Tiere haben auch zum Schutz vieler Reptilien beigetragen."

Doch um das Aussterben vieler Reptilien noch zu verhindern, muss es nach Ansicht der Autoren in Zukunft auch Schutzprojekte speziell für diese Tiergruppe geben. Zum Beispiel in Australien, wo zehn Prozent aller Reptilienarten leben, die es auf der Erde gibt. Erst im Jahr 2017 ist auf der Weihnachtsinsel der Waldskink Emoia nativitatis ausgestorben, eine Echse, die dort bis 1979 noch häufig war.

Extrem bedroht seien Reptilien auch auf den Karibischen Inseln, sagt der Evolutionsbiologe Blair Hedges von der Temple University in Philadelphia, der an der Studie beteiligt war. Auf Haiti beispielsweise, wo die Menschen bereits 97 Prozent des Waldes abgeholzt haben.

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