Artensterben:Meeresbiologen befürchten Massensterben von Korallen

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Korallenriffe gehören zu den artenreichsten Ökosystemen, die es auf der Erde gibt. (Foto: Ewas via imago-images.de/imago/Panthermedia)

Die ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen der Ozeane bedrohen Korallenriffe weltweit. Gibt es eine Chance, sie zu retten?

Von Tina Baier

Seit Monaten sind die Meerestemperaturen in vielen Regionen der Erde ungewöhnlich hoch. Besonders dramatisch ist die Situation im Golf von Mexiko: Die Wassertemperatur an der Oberfläche liegt dort deutlich über 30 Grad Celsius. Meeresbiologen befürchten deshalb im Golf von Mexiko, aber auch in anderen Ozeanregionen große Korallenbleichen.

"Die aktuelle Extremsituation wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Massenbleiche mit anschließender Mortalität führen", sagt Christian Wild, der sich an der Universität Bremen mit Mariner Ökologie beschäftigt, dem Science Media Center (SMC). "Ich rechne damit, dass diese Bleiche noch extremer ausfallen wird als die karibische Bleiche von 2005." Damals bleichten im tropischen Atlantik 80 Prozent der Korallen aus. Die Hälfte davon starb.

"Eine vergleichbare Situation hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben", sagt Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen dem SMC. Seiner Einschätzung nach wird es im Golf von Mexiko mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu einer massiven Bleiche der Korallenriffe kommen. Ferse sieht zudem auch Korallenriffe in anderen Regionen bedroht: "Große Teile der Karibik, des tropischen östlichen Pazifiks und des Roten Meers sind ebenfalls akut von hitzebedingter Korallenbleiche bedroht", sagt er.

Anders als Fische können Korallen der Hitze nicht ausweichen

Ferse sieht einen "perfekten Sturm" auf die Korallenriffe zukommen, also eine Entwicklung, bei der mehrere verschiedene Faktoren zusammenkommen, die schon jeder für sich alleine zu einer Erhöhung der Wassertemperatur führen würde. Zusätzlich zu dem für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch rätselhaften Anstieg der Meerestemperaturen, baue sich gerade ein El-Niño-Phänomen auf.

Korallen gehören zu denjenigen Lebewesen, die am empfindlichsten auf eine Erhöhung der Wassertemperaturen reagieren. Anders als beispielsweise Fische können sie der Hitze auch nicht ausweichen, indem sie in kühlere Regionen abwandern. Korallen leben in Symbiose mit Mikroalgen, die Photosynthese betreiben, und die die Koralle mit Nährstoffen versorgen. Bei hohen Wassertemperaturen verlieren die Mikroalgen ihre Fähigkeit zur Photosynthese. Die Korallen reagieren darauf, indem sie ihre nutzlosen Untermieter abstoßen - die Koralle bleicht aus. Wenn das Wasser innerhalb weniger Wochen wieder abkühlt, kann es sein, dass die Untermieter wieder einziehen und die Korallen überleben - ansonsten sterben sie. Vor allem im Golf von Mexiko sind die Wassertemperaturen momentan allerdings derart hoch, dass mit einer schnellen Abkühlung nicht zu rechnen ist.

"Die einzige Hilfe wären Wetterphänomene wie Wirbelstürme, die zu einer stärkeren Durchmischung und Trübung führen", sagt Simon Brandl vom Department of Marine Science an der University of Texas dem SMC. "Damit würden sie sowohl das heiße Oberflächenwasser abkühlen, das die Korallenbleiche erzeugt, als auch Nährstoffe zu den Korallen bringen, um das Verhungern während der Bleiche zu verzögern." Allerdings könnten solche Stürme auch verheerende Folgen für Menschen haben und Riffe zusätzlich zerstören. "Also ist das nicht unbedingt etwas, das wir uns wünschen sollten."

Die einzige Chance, wenigstens einige Korallenriffe über die nächsten Jahrzehnte zu retten, ist, die Klimakrise in den Griff zu bekommen - da sind sich die meisten Expertinnen und Experten einig. Dann besteht die Chance, dass wenigstens einige Arten überleben, die eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Hitzestress haben. Die Riffe, die diese Korallen bilden, werden nicht so aussehen, "wie die Riffe, die in der Reisewerbung abgebildet werden", sagt Brandl. Doch sie könnten wenigstens "ein Grundgerüst der ökologischen Funktionen" aufrechterhalten, die Korallenriffe zu einem der wertvollsten Ökosysteme unserer Erde machen.

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