Wetterkatastrophen können womöglich dazu beitragen, dass in manchen Ländern Krieg ausbricht. Besonders dann, wenn das Klima verrücktspielt, wenn es ungewöhnliche Hitzewellen oder extreme Dürreperioden gibt, steigt in ethnisch gespaltenen Ländern das Risiko für bewaffnete Konflikte zwischen der Regierung und Rebellengruppen. Zwischen 1980 und 2010 folgte fast ein Viertel der Gewaltausbrüche in 50 der am stärksten ethnisch zerrissenen Ländern unmittelbar auf ein klimatologisches Extremereignis, stellt ein Forscherteam um Carl-Friedrich Schleußner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) fest. Die Analyse ist im Fachmagazin PNAS veröffentlicht.
"Klimabedingte Naturkatastrophen haben offenbar ein destabilisierendes Potenzial", sagt Schleußner. "Es entfaltet sich in ethnisch zersplitterten Gesellschaften auf besonders tragische Art und Weise." Das sei zwar naheliegend, nun aber könne man das erhöhte Risiko auch wissenschaftlich belegen. Auch Konfliktforschern erscheint der Zusammenhang plausibel, weil Extremereignisse die bestehende Ungerechtigkeit einer Gesellschaft akut zuspitzen können, sodass schließlich Menschen zur Waffe greifen. Oder weil ein Ereignis erst wegen der desolaten Verhältnisse überhaupt zur Katastrophe wird. Das Resultat der Potsdamer Forscher lässt für die Zukunft weitere Gewalt befürchten: Der Klimawandel macht Extremereignisse schließlich häufiger und heftiger.
Schleußners Gruppe von vier Physikern, zu der auch der PIK-Chef Hans Joachim Schellnhuber gehört, hat zwei renommierte Datenbanken verglichen. Zum einen die Auflistung von fast 18 000 Naturkatastrophen der Münchner Rückversicherung (Munich Re). Zum anderen eine Zusammenstellung von bewaffneten Gewaltkonflikten mit mehr als 25 Todesopfern, bei denen mindestens auf einer Seite eine Regierung beteiligt war; sie wird vom norwegischen Institut für Friedensforschung (Prio) in Oslo und der Universität Uppsala gepflegt und enthält für die drei untersuchten Jahrzehnte 241 Einträge.
Den Wissenschaftlern ist es wichtig, nicht missverstanden zu werden
Weil die Erforschung konkreter Kriegsursachen ein sozialwissenschaftliches Gebiet ist, das spezielle Kenntnisse der jeweiligen Staaten und Regionen verlangt, haben sich die Autoren dem Thema mit statistischen Methoden genähert. Sie bildeten verschiedene Untergruppen von Ländern, etwa solche mit einer gewaltsamen Geschichte oder mit besonders ungleich verteiltem Wohlstand. Dann lieferte ihnen der Abgleich der Daten aus München und Skandinavien eine Liste der Konflikte, die unmittelbar nach einem extremen Wetter-Ereignis auftraten. Dabei zeigte sich nur ein signifikanter Zusammenhang: Wenn Wetterextreme - also Dürren, Kälte- oder Hitzewellen oder Waldbrände, aber auch Stürme oder Überschwemmungen - ethnisch zersplitterte Länder trafen, folgte auffällig oft ein Gewaltausbruch.
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Wie ist der Stand der Wissenschaft zu den wichtigsten Fragen?
Den Wissenschaftlern ist es sehr wichtig, nicht missverstanden zu werden. Die Extremereignisse seien sicherlich nicht die direkten Auslöser von Kampfhandlungen, sie könnten jedoch das Risiko für den Ausbruch eines Konflikts erhöhen, der seine Wurzeln in der Geschichte und den Bedingungen des jeweiligen Landes habe. Der Forschungsaufsatz enthält darum auch keine Beispiele.
Auf Hochwasser in Nepal folgte ein Aufstand, auf Trockenheit in Djibouti eine Rebellion
Die Forscher haben der SZ jedoch eine Liste der betroffenen Länder zur Verfügung gestellt. Darauf stehen diverse afrikanische und asiatische Staaten, darunter Nigeria, Eritrea, Angola, Iran und Indonesien. Aber auch in Lateinamerika die Nachbarn Ecuador und Peru, die Anfang 1995 um den Verlauf der gemeinsamen Grenze kämpften. Die Region war in den Jahren zuvor fast regelmäßig um den Jahreswechsel von El Niño getroffen worden, der zu besonders heftigem Regen führen kann; in Peru war es deswegen damals zu Überschwemmungen und Landrutschen gekommen.
In Nepal wiederum lehnte sich die kommunistische Partei 1996 gegen die Regierung auf; zuvor hatten schwere Hochwasser viele Tote gefordert. In Dschibuti folgte auf eine Dürre von Juli 1999 an ein Aufflammen des Konflikts der Regierung mit der Rebellenorganisation "Front für die Wiederherstellung der Einheit und Demokratie".
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Schleußner betont, dass nicht einzelne Beispiele, sondern die Gesamtheit der Koinzidenzen das erhöhte Konfliktrisiko belegen. Die Forscher sind auch deswegen so vorsichtig, weil es zuletzt vor drei Jahren Streit um eine andere Studie gab, die Klima und Konflikt verknüpfte. Kalifornische Forscher hatten damals in Science Gewaltphänomene vom aggressiven Hupen über Verbrechen bis zu Bürgerkriegen mit erhöhten Temperaturen verknüpft - was nicht alle Forscher für aussagekräftig hielten. "Uns erschien dieser einfache Zusammenhang wenig plausibel, darum haben wir nach plausibleren Hypothesen gesucht", sagt auch Schleußner.
"Unsere Studie ist ein Beleg für einen ganz besonderen Zusatzeffekt einer Klimastabilisierung: Frieden"
Dass dem Team das gelungen sein könnte, bestätigen Experten von beiden Seiten der Debatte. John O'Loughlin von der University of Colorado, der die Science-Studie heftig kritisiert hatte, sagt: "Das neue Verfahren ist nuancierter und sensibler für andere Konfliktursachen." Marshall Burke von der Stanford University, einer der Autoren der Arbeit von 2013, sieht sich bestätigt: "Die neue Berechnung liefert weitere Belege für den Zusammenhang von Klima-Ereignissen mit der Zunahme von Konflikten." Auch Peter Höppe, bei der Münchner Rück zuständig für die Geo-Risiko-Analyse, lobt die neue Studie: "Sie unterstützt unsere These, dass der Klimawandel in Zukunft zu weiteren Flüchtlingsströmen aus Entwicklungsländern führen könnte."
Und PIK-Chef Schellnhuber verbindet mit den Ergebnissen eine große Hoffnung: "Unsere Studie ist ein Beleg für einen ganz besonderen Zusatzeffekt einer Klimastabilisierung: Frieden."