Der Staatengemeinschaft bleibt nach Auffassung des Weltklimarats nicht mehr viel Zeit, um einen katastrophalen Klimawandel aufzuhalten. Das geht aus einem neuen Teilbericht hervor, den der Weltklimarat am Montag vorgelegt hat. So müssten bis spätestens 2025 die globalen Treibhausgasemissionen ihren Höhepunkt erreichen, damit sich die Erderwärmung noch bei 1,5 oder zwei Grad Celsius stabilisieren lässt, immer verglichen mit der Situation vor Beginn der Industrialisierung. Zuletzt hatte die Internationale Energieagentur für 2021 einen neuen Rekord bei den Emissionen festgestellt. "Wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen wollen, dann heißt das: jetzt oder nie", sagte Jim Skea, Co-Vorsitzender der zuständigen Arbeitsgruppe. "Ohne unverzügliche und gravierende Emissionsminderungen in allen Sektoren wird es unmöglich."
Der Bericht zeichnet ein gemischtes Bild der Lage. So gebe es durchaus Hinweise, dass die Staaten die Bedrohung ernst nähmen. "Ich bin ermutigt durch die Anstrengungen, die in vielen Staaten unternommen werden", sagte Hoesung Lee, der Vorsitzende des Weltklimarats. Es gebe viele Instrumente, die sich als effektiv erwiesen hätten, von Regulierungen bis hin zu Marktmechanismen wie der CO₂-Bepreisung. Würden die im großen Stil angewandt, könne dies "deutliche Emissionsminderungen unterstützen und Innovationen stimulieren", sagte Hoesung Lee.
Zugleich aber warnen die Wissenschaftler vor den Folgen klimapolitischen Stillstands. Ändere sich nichts an der gegenwärtigen Politik, steuere die Welt auf eine Erhitzung von 3,2 Grad Celsius zu. Selbst mit jenen Schritten, die Staaten vor der Klimakonferenz in Glasgow im vorigen November angekündigt hatten, sei eine Verfehlung des 1,5-Grad-Ziels in diesem Jahrhundert wahrscheinlich. Ob es noch gelinge, die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, hänge dann von einer massiven Verschärfung des Klimaschutzes nach 2030 ab.
"Es ist jetzt die Zeit der Entscheidungen"
Der Bericht untersucht Minderungen in allen möglichen Bereichen. In der Energiewirtschaft verlangt er dringend die Abkehr von klimaschädlicher Kohle und die Hinwendung zu erneuerbaren Energien. Auch die Industrie müsse vermehrt auf Ökoenergien oder Wasserstoff setzen. Die Wissenschaftler ziehen auch die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid in Betracht oder die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre. Städte müssten klimafreundlich umgebaut werden, Menschen klimafreundlicher konsumieren und leben. Es ist der dritte und letzte Teil des neuen Sachstandsberichts des IPCC. Der erste hatte sich mit neuen Erkenntnissen zu den physikalischen Hintergründen des Klimawandels befasst, der zweite mit Möglichkeiten zur Anpassung. Bis zum Herbst soll aus den drei Teilen ein Synthesebericht entstehen.
Länger als zuletzt üblich hatten die Wissenschaftler um jene Zusammenfassung des Berichts gerungen, die nun Politikern in aller Welt vorgelegt wird. Diese Einigung sei schwierig gewesen, sagte Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Leitautoren des Berichts. "Das zeigt vor allem eins: Es ist jetzt die Zeit der Entscheidungen." Jennifer Morgan, Deutschlands neue Sonderbeauftragte für den internationalen Klimaschutz, sprach von einer "erschreckenden Klarheit" des Berichts. "Die Welt steht in Flammen", sagte sie. "Und die Staatengemeinschaft tut noch nicht genug, um den Brand zu löschen."