Klimawandel:Vorgeschmack auf die Sommer der Zukunft

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  • Erwärmt sich die Erde um drei Grad Celsius, werden Dürren in Europa auf einer etwa doppelt so großen Fläche auftreten wie heute.
  • Besonders hart würde es die Mittelmeerregion treffen.
  • Die Menschheit ist der künftigen Dürre aber nicht hilflos ausgeliefert.

Von Joachim Laukenmann

Was aktuell als extreme Hitzewelle und anhaltende Dürreperiode gilt, wird wohl in einigen Jahrzehnten lapidar als Sommer bezeichnet werden. Denn was heute noch außergewöhnlich zu sein scheint, wird dann längst zur Norm geworden sein. Das wird den Alltag vieler Menschen gründlich verändern. Insbesondere die Landwirtschaft wird leiden, weitaus mehr wahrscheinlich, als das in der aktuellen Trockenheit bereits der Fall ist. Wie genau sich die für Feldfrüchte wichtige Bodenfeuchte mit fortschreitendem Klimawandel entwickeln wird, zeigen Wissenschaftler in einer kürzlich in der Zeitschrift Nature Climate Change publizierten Studie.

Erwärmt sich die Erde um drei Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit, wird sich die Fläche der europäischen Dürregebiete im Vergleich zum Referenzzeitraum von 1971 bis 2000 von 13 auf 26 Prozent verdoppeln. Und mit Ausnahme von Teilen Skandinaviens werden die größten Dürreereignisse drei- bis viermal länger dauern als bisher.

Besonders hart würde es in Europa die Region rund um das Mittelmeer treffen. Schon bei einer Erwärmung um 1,5 bis zwei Grad sei die im mediterranen Raum zu erwartende Trockenheit größer denn je als im vergangenen Jahrtausend. Erreicht die Erwärmung gar drei Grad, würden Südspanien und wohl auch Italien und Griechenland "in eine Wüste verwandelt", wie die Studienautoren schreiben. Für einige Regionen der Iberischen Halbinsel würde sich die durchschnittliche Dauer der Dürren sehr deutlich von etwas mehr als zwei auf mehr als sieben Monate pro Jahr erhöhen. Das habe auch erhebliche Folgen für die mediterrane Vegetation, für die Biodiversität und die gesamten Ökosysteme.

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Nicht ganz so schlimm wäre Mitteleuropa betroffen. In den atlantischen, kontinentalen und alpinen Regionen vergrößern sich Dürregebiete bei einer Erwärmung um drei Grad um weniger als zehn Prozent der Gesamtfläche. In Skandinavien würden die durch die Erwärmung ausgelösten stärkeren Niederschläge sogar dazu führen, dass sich das Dürregebiet um rund drei Prozentpunkte verkleinert. Auch für Deutschland hätte die Erwärmung im Vergleich relativ geringe Folgen, jedoch mit einer wesentlichen Einschränkung: Die Sommer würden wesentlich trockener ausfallen als in der Vergangenheit.

Wie stark die aktuelle Dürrephase in Europa bereits den Fingerabdruck des Klimawandels trägt, lässt sich momentan noch nicht im Detail beantworten, sagt Stephan Thober vom deutschen Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, einer der beiden Hauptautoren der aktuellen Studie in Nature Climate Change. "Sicher ist aber, dass solche Dürren in vielen Bereichen Europas in Zukunft häufiger auftreten, länger andauern und mehr Menschen betreffen als in der Vergangenheit. Wenn sich die Erde weiter erwärmt, werden auch deutlich schwerere Dürren auftreten, als wir es bisher kennen."

Anschaulich werden die Veränderungen auch beim Wassergehalt im Boden. "Drei Grad Erwärmung bedeuten, dass auf einem Quadratkilometer Fläche 35 000 Kubikmeter Wasser nicht mehr zur Verfügung stehen", sagt Thober. Das entspricht in etwa dem Wasserdefizit, das während der Dürreperiode im Sommer 2003 in weiten Teilen Europas geherrscht hat. "Künftige Dürren würden diesen Normalzustand bei Weitem übertreffen. Die Auswirkungen auf Zivilgesellschaft und Wirtschaft wären gravierend."

Wie Sonia Seneviratne vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sagt, würden Trockenheit und Hitzewellen oft Hand in Hand gehen. Je wärmer es ist, desto schneller trocknet der Boden aus. Andererseits gilt: Je trockener es ist, desto weniger kühlende Verdunstungskälte entsteht. "Daher sind trockene Böden ein wichtiger, verstärkender Faktor für extreme Hitzewellen", sagt Seneviratne.

Die Menschheit ist der künftigen Dürre aber nicht hilflos ausgeliefert. Einerseits würden die Landwirte laut Thober nicht tatenlos zusehen, sondern sich anpassen, indem sie zum Beispiel trockenheitsresistentere Sorten verwenden. Auch technische Anpassungen können die Auswirkungen von Dürren mindern, wobei diese oft kostspielig sind. So sinkt der Niederschlag in Mitteleuropa vorwiegend im Sommer. Über das Jahr gerechnet ändert sich in der Summe nicht viel. "Man kann also darüber nachdenken, wie man es mit technischen Mitteln schafft, dass der eigentlich reichliche Niederschlag auch im Sommer im Boden zur Verfügung steht", sagt Thober.

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Laut Erich Fischer vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sind Dürren aufgrund der Wechselwirkung zwischen Boden, Vegetation und Atmosphäre sehr komplex. Der Fachartikel in Nature Climate Change liefere zwar keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse, gebe aber ein gutes Update zum landwirtschaftlichen Dürrerisiko in Europa.

Ähnlich äußert sich Adriaan Teuling von der Universität Wageningen in den Niederlanden in einem kommentierenden Artikel in Nature Climate Change. Bislang ließen sich Dürren gemäß Teuling aus Mangel an geeigneten Methoden und wegen fehlender Rechenleistung nur bedingt mit Modellen erfassen. Mit einer enorm aufwendigen Modellrechnung hätten die Wissenschaftler diesen Mangel mit der aktuellen Studie behoben, schreibt er sinngemäß.

Nach wie vor bestünden jedoch gewisse Unsicherheiten. So könnten Klimamodelle für Europa den künftigen Rückgang des Niederschlags erheblich unterschätzen. Auch könnten sich Anpassungsmaßnahmen als komplizierter herausstellen als in der Studie angenommen. Und schließlich könne die durch Hitze und Trockenheit verursachte Verdunstung je nach Vegetation in einer betroffenen Region anders ausfallen. Wie genau, sei derzeit noch kaum bekannt.

Laut Seneviratne ist die Studie insgesamt aber sehr robust. "Wie man sieht, ist das Dürrerisiko derzeit noch gering im Vergleich zu dem, was bei einer Erwärmung um 1,5 Grad, zwei Grad oder gar drei Grad zu erwarten ist", sagt die Klimaforscherin. Das Pariser Klimaabkommen habe zum Ziel, die globale Erwärmung auf unter zwei, wenn möglich sogar auf unter 1,5 Grad zu limitieren. "Allerdings würden die Versprechen der am Paris-Abkommen beteiligten Länder zu einer Erwärmung von rund drei Grad führen. Das würde zu einem erheblich größeren Dürrerisiko führen, als wir es heute haben."

Wenn die Menschheit nur eine Erwärmung um 1,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit zulässt, hätte das gemäß der Studie weniger dramatische Folgen. Statt um 26 Prozent wie bei drei Grad würde die von Dürre betroffene Fläche in Europa bei einer Erwärmung um 1,5 Grad nur um 19 Prozent zunehmen. Die Dauer der Dürren würde bei 1,5 Grad um einen Faktor zwei bis drei geringer ausfallen als bei drei Grad. Auch wären weniger zusätzliche Menschen von extremen Dürren betroffen, nämlich 120 Millionen statt 170 Millionen. "Das zeigt sehr anschaulich, was Klimaschutz bewirken kann", sagt Studienautor Thober.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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